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07/15 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
Leader EMEA bei Axalta Coating Sys-
tems und internationalen Projekten bei
DuPont de Nemours. Grundlage für die
HR Due Diligence sind in der Regel die
Standardchecklisten, die oftmals von
renommierten Beratungsunternehmen
zur Verfügung gestellt werden (siehe
Kasten). Die Bereiche, die mit solchen
standardisierten Checklisten abgedeckt
werden, bieten ein solides Gerüst, das
eine Übersicht und Struktur zur Durch-
führung bietet. Diese Bereiche gilt es,
durch eine umfangreiche Prüfung in
Gesprächen und beim Einsehen von
Dokumenten zu validieren und ent-
sprechend nach Abschluss der Prüfung
sich in die Lage zu versetzen, als HR-
Verantwortlicher Chancen und Risiken
eines Einstiegs in ein Unternehmen im
russischen Markt zu erkennen.
Zu überprüfende Themenbereiche
Entscheidend ist hierbei die Identifizie-
rung der sogenannten „Show-Stopper“,
also enorme Risiken wie hohe Unterfi-
nanzierung der Firmenpension oder ein
Steuerrechtsstreit mit dem russischen
Staat. Sie können den Einstieg mögli-
cherweise gänzlich abwegig und unat-
traktiv machen. Sonstige Risiken und
negative Elemente können dann zur Re-
duzierung des Kaufpreises verwendet
werden, sodass jeder entdeckte Risiko-
bereich entsprechend für das eigene fir-
meninterne Verhandlungsteam in den
Verhandlungen quantifizierbar gemacht
werden kann.
Die allgemeinen Bereiche erfassen, ne-
ben der Übersicht über die Organisation
und ihre demografischen Grunddaten,
wie zum Beispiel Mitarbeiteranzahl, Or-
ganigramme und vieles mehr, in der Regel
die Rahmenbedingungen und -regelungen
der Vergütungs- und Nebenleistungs-
strukturen, Firmenpensionsregelungen,
Ablauf der administrativen HR-Prozesse
sowie die Historie der Restrukturie-
rungspläne, Gewerkschaftsbeziehungen,
Streikaktionen und arbeitsrechtlichen
Streitigkeiten. Je nach Abstimmung im
internen Due-Diligence-Team des Unter-
nehmens, welches Interesse an der Über-
nahme oder Einstieg bei einem russischen
Unternehmen hat, ist eine Zuordnung des
Teams für die Prüfung der Personalkos
tenanalyse oder HR-relevanten finanzi-
ellen Rückstellungen notwendig.
Grundsätzlich ist es wichtig, sich vorab
über die Marktgegebenheiten der Stand-
orte des russischen Unternehmens zu in-
formieren. Es herrschen in den jeweiligen
Regionen teilweise unterschiedliche Vo-
raussetzungen, die für dieGesamtbetrach-
tung wichtig sind. Hilfreich ist es hierbei
insbesondere, sich mit den üblichen HR-
Vergleichsstudien zu beschäftigen, die
einen Aufschluss über die marktübliche
Bezahlung, Nebenleistungen und sons
tige Rahmenbedingungen bieten. Durch
diesen Hintergrund lassen sich die zu
prüfenden Rahmenbedingungen besser
einordnen und interpretieren.
Spezielle Fragen in Russland
Neben diesen allgemeinen Bereichen
bei der HR Due Diligence sind in Russ-
land einige besondere Bereiche von
wichtiger Bedeutung, die sich nicht
unmittelbar für HR-Mitarbeiter ohne
Russlanderfahrungen erkennen lassen.
Die wichtigen Bestandteile erscheinen
zunächst manchmal banal, jedoch haben
diese in Russland eine erhebliche Bedeu-
tung. So sind die offiziellen Dokumente,
die jedes Unternehmen nach aktueller
russischer Rechtslage haben muss, ein
wichtiger Bestandteil. Ohne diese Do-
kumente oder bei Unvollständigkeit
dieser Unterlagen kann es erhebliche
Probleme mit den russischen Behörden
geben. Dies kann bis zur Schließung
eines Unternehmens oder teilweise zu
Gefängnisstrafen für die Geschäftsfüh-
rer führen. Es gilt, sich hierbei keine
Blöße zu geben, um nicht in eine solche
Diskussion und Situation zu kommen.
Insofern ist die penible Arbeit an den of-
fiziellen Dokumentationen Trumpf, um
in Russland vernünftig und störungsfrei
Geschäfte zu machen.
Bei den offiziellen Unterlagen ist ins-
besondere auf das Arbeitsbuch (rus-
sisch: Trudovaya knizhka rabotnika) zu
achten und die Vollständigkeit und die
korrekte Ausstellung des Arbeitsbuchs
mit der Anzahl der Mitarbeiter und der
offiziellen Mitarbeiterliste (russisch:
Shtatnoe raspisanie) abzugleichen. Jeder
Mitarbeiter muss in Russland offiziell
ein Arbeitsbuch haben. Hinzu kommt
die Prüfung der offiziellen Verände-
rungsdokumentation (russisch: Prikaz o
vnesenii izmeneniy v Shtatnoe raspisa-
nie), in der die Veränderungen bezüglich
der Mitarbeiter eines Unternehmens wie
in einem Logbuch festgehalten werden.
Ergänzt wird das Ganze durch die offi-
ziellen internen Richtlinien und Verfah-
rensanweisungen (russisch: Vnutrennie
Polozheniya I instruktcii) unter anderem
zur Abwicklung der Gehaltsabrechnung.
Neben den offiziellen Unterlagen ist
gerade bei russischen Industrieunter-
nehmen auch die Vergütungsstruktur in
der Regel deutlich unterschiedlich zu den
überwiegend inWesteuropa praktizierten
Ansätzen. Die an den Stellenplan gebun-
denen Positionen weisen meist eine Viel-
zahl an Zusatzprämien und Zulagen auf,
die auf einem definierten Mindestgehalt
aufbauen und oft monatlich ausgezahlt
werden. Es soll bei diesen Prämien nicht
verwundern, dass es teilweise Zulagen
für den Kauf von Milch oder Prämien
für die Zusammenarbeit in einer Gruppe
gibt. Ein kritisches Hinterfragen der of-
fiziellen Gehaltsabrechnungsergebnisse
und der Auszahlungen für Führungskräf-
te ist ebenfalls notwendig, um sicherzu-
stellen, dass die Bezahlungspraktiken
den gesetzlichen Anforderungen und der
Dokumentation entsprechen.
Neben der Vergütung sollte auch auf
mögliche spezielle Nebenleistungen ge-
achtet werden. Auch hier können noch
Programme bei russischen Unternehmen
entdeckt werden, die inWesteuropa in der
ADD-ON
In der Personalmagazin-App finden Sie
einige Links, unter denen Sie Vorlagen
für Checklisten von Beratungsunter-
nehmen zur HR Due Diligence aufrufen
können.