CONTROLLER Magazin 03/2015 - page 16

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Amann/Geissbühler:
An dieser Stelle ist zu
bedenken, dass die IFRS immer noch
ein
vergleichsweise „junges“ Regelwerk
dar-
stellen. Damit sind – wie auch bei stark
wachsenden Unternehmen – Änderungen
der Prozesse, sprich der Regelungen eher die
Regel als die Ausnahme. Bei einem überdies
im Gegensatz zu dem mit vergleichsweise
wenigen Grundnormen auskommenden deut-
schen HGB eher angelsächsisch dominierten
Case Law ist das IASB automatisch mit laufen-
den kleineren Anpassungen, in der Tat auch
teilweise Korrekturen von versehentlich einge-
tretenen Fehlern in den Standards, beschäftigt.
Dies erfolgt in sog. „Annual Improvement
Projects“, sprich in jährlichen Verbesserungs-
projekten.
Biel:
Lassen Sie nachhaken: Sind oder werden
die IFRS eine „ewige Baustelle“, wie oft artiku-
liert wird?
Amann/Geissbühler:
Dass man die IFRS des-
halb gleich zur
„ewigen Baustelle“
(vergleich-
bar den bekannten Großprojekten eines Ham-
burger Konzerthauses, eines Berliner Flugha-
fens oder eines Stuttgarter Bahnhofs) abstem-
pelt, ist unserer Auffassung nach nicht
angemessen. Einen solchen Vorwurf müsste
sich dann auch der deutsche Finanzminister
Wolfgang Schäuble mit der Herausgabe eines
mindestens jährlichen Jahressteuergesetzes
gefallen lassen. Es handelt sich hierbei viel-
mehr um die zwangsläufigen
Folgen einer
sich zum Glück dynamisch ändernden Um-
welt
, auf die ein Gesetzgeber bzw. das IASB
als sog. Standardsetter häufig nur mit Zeit-
verzögerung reagiert bzw. reagieren kann.
Biel:
… und der heterogene Anwenderkreis?
Amann/Geissbühler:
Dass ein
heterogener
Anwenderkreis
mit vielen Ländern weltweit
dieses Problemfeld zusätzlich noch etwas ver-
kompliziert, dürfte grundsätzlich zu bejahen
sein, ist unserer Auffassung nach allerdings
eher einzelfallbezogen zu sehen. Wir denken
bei letztem Punkt insbesondere an die aus
deutscher Sicht sicherlich eher schwierig
nachvollziehbaren Regelungen zur Abgren-
zung von Eigen- und Fremdkapital nach
IAS
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für Personenhandelsgesellschaften und
ggf. Genossenschaften.
Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung
(DPR) bestätigen uns an dieser Stelle in unserer
Auffassung. Allerdings bieten die IFRS gegen-
über dem HGB aber durchaus auch Ansatzpunk-
te, dass „grenzwertige“ Bilanzierungen durch
umfangreiche Angaben, insbesondere zur Aus-
übung von Ermessensspielräumen, sowie durch
die Angabe von Sensitivitätsrechnungen im
(Konzern-) Anhang auf Grund der insoweit ein-
deutigen Vorgaben des IAS 1 ersichtlich werden.
Hier stoßen aber die meisten Bilanzleser mit
ihren Fähigkeiten immer noch an ihre Grenzen.
Biel:
Aspekt 3:
Verschiedentlich ist von
„Wi-
dersprüchen“
die Rede. Möglicherweise
fördern u. a. zwei Gegebenheiten eventuelle
Gegensätzlichkeiten. Zum einen gilt das Regel-
werk als „ewige Baustelle“ mit laufenden Kor-
rekturen und ständigen Anpassungen. Zum
anderen wird mittlerweile die Anwendung der
IFRS weltweit in rund 120 Ländern verpflich-
tend gefordert oder zumindest erlaubt. Der
Anwenderkreis ist also recht heterogen. Abu
Dhabi, Sierra Leone oder Zypern zählen zu
den Anwendern ebenso wie beispielsweise
Deutschland und Österreich. Führen die dyna-
mische Weiterentwicklung einerseits sowie das
breite Anwenderspektrum andererseits mögli-
cherweise zu Widersprüchlichkeiten?
unrealisierten Gewinne
nicht in der Gewinn-
und Verlustrechnung (oder der sog. Gesamt-
ergebnisrechnung) auszuweisen.
Biel:
Ihre Antworten drängt die Frage auf: Lässt
sich das IASB möglicherweise von bestimmten
Vorstellungen leiten?
Amann/Geissbühler:
Das
IASB geht hier ganz
offensichtlich von dem Bild „des ordentli-
chen Kaufmanns“
in Gestalt des Vorstands der
(meist börsennotierten) Gesellschaft aus, wel-
cher von einem noch ordentlicheren Aufsichtsrat
unter Hinzuziehung eines fachlich über jeden
Zweifel erhabenen und sehr kritisch agierenden
Abschlussprüfers unterstützt wird. Insoweit soll-
ten ausschließlich bilanzpolitisch motivierte Ex-
zesse des rechnungslegenden Unternehmens
denknotwendigerweise ausgeschlossen sein.
Biel:
Ist dies überhaupt eine realistische und
praxisgerechte Annahme?
Amann/Geissbühler:
Dass diese Überlegung
theoretisch sicherlich korrekt ist,
praktisch
aber nicht immer durchsetzbar
, liegt unseres
Erachtens in der Natur der Sache eines jeden
Rechnungslegungssystems der Welt. Die um-
fangreichen
Fehlerfeststellungen
seitens der
Autoren
Thomas Amann, WP, StB, CPA
ist Vorsitzender des Verwaltungsrates der iaf Institute for Accoun-
ting & Finance SE sowie geschäftsführender Gesellschafter der
Amann Advisory GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Neben
seiner Referententätigkeit für das CA institute for accounting &
finance betreut er schwerpunktmäßig börsennotierte Gesell-
schaften in Fragen der internationalen Rechnungslegung.
Fachjournalist (DFJS) Dipl.-BW Alfred Biel
Autor, Interviewer und Rezensent verschiedener Medien mit
reichhaltigen Erfahrungen aus verantwortlichen Konzern-Tätig-
keiten und Aufgaben in mittelständischen Unternehmen. Be-
triebswirtschaftliches und journalistisches Studium. Verleihung
der Ehrenmitgliedschaft des Deutschen Fachjournalisten Ver-
bands (DFJV) und des Internationalen Controller Vereins (ICV).
E-Mail:
Prof. Beat Daniel Geissbühler
Dipl. Controller CA und Executive MBA, war 25 Jahre als CFO in
verschiedenen Industrieunternehmen tätig und ist heute Studien-
gangsleiter des EMBA Controlling & Consulting an der Berner
Fachhochschule sowie Dozent für Rechnungswesen.
E-Mail:
Interview zum Thema: Rechnungslegung nach IAS/IFRS – besser oder anders?
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