Wirtschaft und Weiterbildung 3/2019 - page 33

R
wirtschaft + weiterbildung
03_2019
33
Strategie von den Beteiligten nicht selten
als ein Indiz für die Schwäche der erarbei-
teten Strategie interpretiert wird. Deshalb
kann es passieren, dass Unternehmen
weiterhin am beschlossenen Kurs fest-
halten, obwohl neuere Indikatoren dafür
sprächen, die Strategie zu revidieren.
2.
Die „Unternehmerschule“
Speziell im Mittelstand gibt es oft Un-
ternehmerpersönlichkeiten, die intuitiv
ahnen, wie sich die Märkte entwickeln
werden. Entscheidungen über die künf-
tige Ausrichtung werden von Einzel-
personen und mit einem unternehmeri-
schen Mut zum Risiko getroffen. Gemäß
der Unternehmerschule ist die Strategie
eine Perspektive der Leader einer Orga-
nisation, die mit einem klaren Bild von
der Zukunft und der einzuschlagenden
Richtung (Vision) einhergeht. Die Stra-
tegie speist sich hierbei weitgehend aus
der Intuition, dem Urteilsvermögen sowie
den Erfahrungen und Erkenntnissen des
jeweiligen „Chefs“.
Oft kann dieser seine strategischen Ent-
scheidungen nicht mit Zahlen, Daten und
Fakten begründen. Er spürt jedoch, dass
sich im Markt (aufgrund der technologi-
schen Entwicklung oder des Verhaltens
der Mitbewerber) gewisse Chancen eröff-
nen, die er dann als Pionier zu nutzen
versucht – ähnlich wie Christoph Colum-
bus dies tat. Als dieser vorschlug, nach
Westen zu segeln, um im Osten anzu-
kommen, hielten ihn in seiner Zeit viele
für verrückt. Die fünf Prämissen der Un-
ternehmerschule:
• Die Strategie resultiert aus der Vision
des Leaders von der Zukunft; sie ist ein
Ausdruck seiner Gedankenwelt.
• Der Prozess der Strategieentwicklung
basiert auf der Erfahrung und Intui-
tion der Unternehmensführung – auch
wenn diese die Strategie nicht selbst
formuliert.
• Der oder die Leader vertreten ihre Vi-
sion zielstrebig und ihre Strategie mit
Nachdruck und können diese im Um-
setzungsprozess bei Bedarf, aufgrund
ihrer exponierten Position in der Orga-
nisation, revolvierend anpassen.
• Die strategische Vision ist veränder-
und entwickelbar, sofern sich die Ge-
danken-/Erfahrungswelt des Leaders
wandelt.
• Die Organisation ist in der Regel top-
down formbar.
Stärken der Unternehmerschule:
Ein Vor-
teil dieser Schule liegt in der Kraft, neue
Wege zu gehen – unter anderem, weil die
Strategie nicht ausschließlich auf Fakten
und Zahlen basiert (die meist nur die Ver-
gangenheit und/oder Gegenwart wider-
spiegeln), sondern auch auf einer Vision
davon, wie sich die Zukunft gestalten
könnte. Zudem existiert ein „Anführer“,
der die Strategieumsetzung vorantreibt.
Schwächen der Unternehmerschule:
Die
Bedenken gegen die Unternehmerschule
richten sich vorwiegend gegen die Kon-
zentration des Strategieentwicklungspro-
zesses auf einzelne Personen, die auf-
grund ihres Unternehmerseins und ihrer
Persönlichkeit auch eine bestimmte Sicht
der „Welt“ haben. Andere Perspektiven
werden nicht selten ausgeblendet.
Der Strategieentwicklungsprozess wirkt
von außen oft wie eine „Black Box“, da
die Schlüsselentscheidungen im „Kopf“
der Leader getroffen werden. Dadurch
mangelt es so entwickelten Strategien an
der nötigen Akzeptanz in der Organisa-
tion für die Ideen des Chefs. Bei der Un-
ternehmerschule geht es somit vor allem
darum, eine „Verständnisverbindung“
zwischen dem „Chef“ und dem Rest
der Organisation zu schaffen. Nur wenn
die Ideen des visionären Chefs von den
Mitarbeitern geteilt werden, entsteht die
gewünschte Veränderungs- oder Entwick-
lungsdynamik.
3.
Die „Lernschule“
Der Grundgedanke der Lernschule ist es,
dass der Prozess der Strategieentwick-
lung ein kontinuierlicher Lernprozess ist.
Primäres Ziel hierbei ist es, dass sich die
Mitglieder der Organisation permanent
mit der Zukunft auseinandersetzen und
ihr aktuelles Handeln reflektieren. Das
Management soll nicht nur „ausführen-
des Organ“ sein, sondern sich vielmehr
dauerhaft verantwortlich fühlen für die
Ausrichtung des Unternehmens. Da sich
die Umwelt permanent ändert, bedeutet
dies, dass vor allem die Führungsmann-
schaft regelmäßig die neuen Indikatoren
aufgreift und analysiert. Hieraus zieht
sie dann Rückschlüsse auf das künftige
Geschäft und startet auch entsprechende
„Versuchsballons“. Der Satz „Lasst uns
mal testen, ob diese Richtung interessant
und dieser Weg zielführend ist“, ist bei
dieser Schule häufig zu hören. Der Pro-
zess der Strategieentwicklung wird somit
als ein Prozess der kontinuierlichen Aus-
einandersetzung mit der Zukunft gese-
hen. Prämissen der Lernschule sind:
• Der komplexe und unvorhersehbare
Charakter der Umwelt schließt eine
langfristige (Detail-)Planung und be-
wusste Kontrolle der Entwicklung aus.
1...,23,24,25,26,27,28,29,30,31,32 34,35,36,37,38,39,40,41,42,43,...70
Powered by FlippingBook