Wirtschaft und Weiterbildung 3/2019 - page 26

personal- und organisationsentwicklung
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wirtschaft + weiterbildung
03_2019
Dies gilt selbstverständlich auch für alle
anderen Entscheidungsvorlagen und In-
teraktionen mit dem Vorstand. Jegliche
Interaktionen zwischen Hierarchieebenen
sind ein Eldorado für die Identifikationen,
Projektionen und Ängste des Egos. Je
höher die Interaktion in der Hierarchie,
desto stärker wirken die Ego-Drives. Und
auch untereinander gibt es in den Vor-
ständen Imageorientierungen und andere
Ego-Bedürfnisse und Ego-Muster, die
Entscheidungsprozesse wesentlich beein-
flussen. Vorstände und Geschäftsführer
haben meist nicht gelernt, sich auf die-
ser Ebene selbst zu hinterfragen, sodass
der allbekannte „weiße Elefant“ der Ego-
Dynamiken auf dieser Ebene meist noch
mehr tabu ist als auf unteren Führungs-
ebenen.
Ein bewusster Vorstand hat sich über
die Muster seiner Persönlichkeit und die
Automatismen seiner Ego-Drives hinaus
entwickelt und kann mit seinen unbe-
friedigten Ego-Bedürfnissen umgehen. Er
zeigt Respekt und Wertschätzung für das
Anliegen und die Person des HR-Profes-
sionals so, dass dieser in seinem natürli-
chen Mut auch bei kritischen Fragen und
Bedenken das ausdrücken kann, was ihm
am Herzen liegt. Auch in kritischen Situ-
ationen hat der Vorstand eine innere Au-
tonomie erlangt und kann dadurch eine
Pause machen zwischen Reiz und Reak-
tion. Der HRler spürt, dass er auf Augen-
höhe mit dem Vorstand ist. Der bewusste
Vorstand ist frei davon, sich in einer
souveränen Rolle zeigen zu müssen. Da
seine Aufmerksamkeit weder seiner Rolle
noch seiner Wirkung gilt, hat er genug
Kapazität frei, dem wirklich zu begegnen,
was sich ihm zeigt. Er kennt oder ahnt
die vorbewussten, unbefriedigten Ego-
Bedürfnisse und Ego-Ängste seiner Mit-
arbeiter und unterstützt sie in einer nicht
aufgesetzten Weise, sich frei ausdrücken
und zeigen zu können.
Ein bewusstes Vorstandsgremium hat sich
gemeinsam über die Ego-Bedürfnisse und
Ego-Muster entwickelt, kann erkennen
und respektvoll ansprechen, wenn sich
solche Muster zeigen und sich gegensei-
tig unterstützen, diese dem Dienst für die
gemeinsame Sache unterzuordnen. Der
Dienst für die gemeinsame Sache dient
der lokalen Gemeinschaft, einer bedürfti-
gen Zielgruppe oder gar der Weltgemein-
schaft, er dient dem Unternehmen zur
langfristigen Stabilität durch eine hohe
Attraktivität als Arbeitgeber und eine we-
sentlich größere Nutzung des Potenzials
der Mitarbeiter. Er dient dem Einzelnen
als Anker der Sinnhaftigkeit und erzeugt
Erfüllung. Wäre Stefan sich seiner unbe-
friedigten Ego-Bedürfnisse bewusst ge-
wesen, hätte er erkannt, dass er sie nicht
in diesem Kontext befriedigen kann und
muss. Dann hätte er sich auf die Kraft
seiner inneren Wahrheit konzentrieren
und sich gezielt überlegen können, was
es den vorbewussten Egos der Vorstände
leichter machen könnte, sich für die New-
Work-Methoden zu entscheiden. Die
kritischen Fragen hätte er angenommen,
geprüft, welche ihm wertvoll erscheinen
und sich um die anschließende Klärung
bemüht, ohne sich oder sein Anliegen da-
durch geschwächt zu empfinden.
Aber zurück zur Realität von Stefans
Firma: Es wird immerhin ein Versuchs-
feld zu „New Work“ in einem internen
Dienstleistungsbereich genehmigt. Der
Vorstand selbst definiert sich als „außen
vor“, behält seine üblichen Macht- und
Verantwortungsbereiche und erwartet
einen Bericht über den Piloten in sechs
Monaten. Diese Haltung passt zur Iden-
tifikation mit der Rolle Vorstand. Sie ist
keinesfalls die beste, aber die ungefähr-
lichste für die in Vorstandsrollen agie-
renden Menschen. Sie passt aber nicht
zum New-Work-Ansatz. „Besser als ein
Nein“, denkt sich Stefan und überzeugt
den Abteilungsleiter der IT, diesen Pilo-
R
Sieben Ebenen des Bewusstseins
Analyse.
Richard Barrett (74), ein Brite, der zum Thema Führung, Werte, Bewusstsein sowie kulturelle Entwicklung forscht,
definierte sieben Bewusstseinsebenen – vom Überlebensfokus bis hin zum Fokus auf dem Dienst für die Menschheit.
Quelle: Richard Barrett
Service
Einen Beitrag leisten
Innerer Zusammenhalt
Transformation
Selbstwert
Beziehung
Überleben
Ich brauche ...
Ich gebe ...
7
6
5
4
3
2
1
Selbstloses Dienen
Demut, Mitgefühl, Weisheit
Einen positiven Unterschied machen
Seine Bestimmung leben, Mentoring
In Einklang leben
Integrität, Authentizität, Kreativität
Lernen
Lebenslanges Lernen, persönliches Wachstum
Selbstachtung
Kompetenz, Erfolg, Selbstvertrauen
Angst: Ich genüge nicht.
Zugehörigkeit
Loyalität, Respekt, Familie, Freundschaft
Angst: Ich werde nicht genug geliebt.
Existenzsicherung
Gesundheit, Sicherheit, Einkommen
Angst: Ich habe nicht genug.
Dienst für Menschheit und Erde
soziale langfristige Verantwortung, Ethik
Partnerschaften und Allianzen
Engagement für Mitarbeiter, Umwelt, ...
Gemeinschaft
gemeinsame Vision und Werte
kontinuierliche Verbesserung
Verantwortung, Bevollmächtigung
Hohe Leistung
Effizienz, Qualität, Exzellenz
Bürokratie, Selbstgefälligkeit, Hierarchie
Beziehungsgestaltung
offene Kommunikation, Fairness
Manipulation, Schuldvorwürfe, Tratsch
Finanzielle Stabilität
Shareholder Value, Sicherheit
Kontrolle, Korruption, Gier
PERSÖNLICH
ORGANISATIONAL
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