personal- und organisationsentwicklung
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wirtschaft + weiterbildung
01_2018
mit Teamleiter May das Problem. Dabei
zeigte sich: Die Lieferung sank in den
zurückliegenden Wochen kontinuierlich
– auf 4.000 Flaschen aktuell. Haas bat
May, Vermutungen über die Ursachen
zu äußern. Seine Vermutung: Es liegt am
hohen Ausschuss. Also schauten sich die
beiden im Ausschusslager die aussortier-
ten Flaschen an und registrierten: Bei fast
allen Ausschussflaschen sind die Etiket-
ten faltig und schief angebracht. Haas
fragte May, was die Problemursachen
sein könnten. Seine erste Vermutung: Die
gelieferten Etiketten sind nicht okay. Ein
Anruf bei der Eingangsprüfung ergab: Sie
sind okay. Also war klar: Beim Etikettie-
ren läuft etwas schief. May schaute sich
daraufhin in den Schichtberichten die
Ausschusszahlen an. Dabei zeigte sich:
Über 80 Prozent der Ausschussflaschen
werden in der Nachtschicht produziert.
Also beobachteten die Gruppenleite-
rin und der Teamleiter in der folgenden
Nachtschicht den Etikettierprozess. Dabei
stellten sie fest: Das Etikettierband staut
sich zuweilen in der Spenderstation und
deshalb werden die Etiketten schief auf-
gebracht. Als Ursache vermutete May:
Das Etikettierband wird von einigen Mit-
arbeitern beim Wechseln falsch eingefä-
delt – „und zwar von den beiden neuen.“
Damit stand für ihn die Kernursache des
Problems fest. Haas bat May, ein Ziel für
eventuelle Gegenmaßnahmen zu for-
mulieren. Mays Antwort: Das Ziel sei
doch klar, den Ausschuss zu reduzieren.
Seine Vorgesetzte erinnerte ihn daran,
dass Ziele „smart“ sein sollten. Darauf-
hin formulierte May das Ziel neu: Die
Ausschussquote der Nachtschicht soll in
acht Wochen, am 31. März, 50 Prozent
niedriger sein – und dieses Ziel wolle er
durch eine Schulung der neuen Mitarbei-
ter erreichen. Damit war die Sache für ihn
erledigt.
R
Auf eine konsequente Umsetzung kommt es an
Einer der häufigsten Gründe, warum der Aufbau einer Kul-
tur der kontinuierlichen Verbesserung scheitert ist, dass
man die Einführung als ein Projekt betrachtet, das relativ
schnell endet. Man glaubt, dass die Werkzeuge, die einem
von der Methode zur Verfügung gestellt werden, schon
automatisch „irgendwie“ dafür sorgen, dass sich langfristig
alles ändert. „Leider ist das ein großer Irtum“, warnt Dani-
ela Kudernatsch. Denn selbst der einfache PDCA-Prozess
müsse von den Mitarbeitern immer wieder aktiv durchge-
führt werden, damit daraus eine Kultur des problemlösen-
den Denkens werden könne.
PDCA:
Immer noch tiefer bohren, um Probleme
ganzheitlich zu lösen
Um die Mitarbeiter bei der Stange zu halten, seien die Füh-
rungskräfte gefordert. Sie müssten dafür sorgen, dass ihre
Mitarbeiter die neuen Werkzeuge, die letztlich zu einem
Buchtipp.
Einen „praktischen Leitfaden“, um den PDCA-Zyklus umzusetzen, hat der Amerikaner
Jeffrey K. Liker verfasst. Damit das Problemlösungstool optimal greifen kann, sollte sich langfristig
die Unternehmenskultur ändern. Daniela Kudernatsch hat das Buch ins Deutsche übertragen.
Lösungspro-
zess.
Der PDCA-
Zyklus führt nur
über mehrere
Stufen zur opti-
malen Lösung.
Lean-Management führen sollen, auch regelmäßig anwen-
den. Wenn Profis von Lean-Management sprechen, dann ist
damit in erster Linie der PDCA-Zyklus als ein Basiswerkzeug
gemeint. Die meisten Manager, die mit dem Lean-Gedan-
kengut in Verbindung gekommen sind, kennen den Zyklus.
Das Problem ist jedoch, dass er nicht konsequent genug
angewandt wird. Man muss sich im Altag viel zu oft auf
das Löschen von Feuern konzentrieren und hat keine Zeit,
methodisch sauber zu den eigentlichen Ursachen von Pro-
blemen vorzustoßen. Wer den PDCA-Zyklus gewinnbringend
durchlaufen will, muss konsequent vorgehen und braucht
Geduld, so Kudernatsch. Erst recht fehle oft auch die Zeit
für eine Selbstreflexion. Dabei könnte der PDCA-Zyklus
zusätzlich eine Art Turbolader sein, der die Lernprozesse
der Mitarbeiter und der Führungskräfte beschleunigt.
Jeffrey K. Liker:
Sein praktischer Leitfaden gilt als
der Buchtipp zum PDCA-Zyklus
Kudernatsch übertrug 2016 das Buch „Lean Leader auf
allen Management-Ebenen entwickeln: Ein praktischer
Leitfaden“ des amerikanischen Lean-Management-Gurus
Jeffrey K. Liker ins Deutsche. Liker ist Professor für Wirt-
schaftsingenieurwesen und Betriebstechnik an der Uni-
versity of Michigan. Bekannt wurde er einer breiten Öffent-
lichkeit durch sein Buch „The Toyota Way: 14 Management
Principles from the World‘s Greatest Manufacturer“. Sein
detaillierter „Leitfaden“ stellt den PDCA-Zyklus in den Mit-
telpunkt jeder Lean-Führungskultur.
Martin Pichler
Foto: Gajus / AdobeStock