wirtschaft + weiterbildung
01_2018
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schen Abteilungen, liefert strukturierte
Ergebnisse und erhöht dadurch die Er-
folgschancen um ein Vielfaches.
Konzept 9:
Google Work Rules
Inhaltlich ist in den Google „Work Rules“,
die Google HR-Chef Laszlo Bock in sei-
nem gleichnamigen Buch beschreibt,
wenig Unbekanntes. Neu daran ist aber
die Konsequenz, mit der Google Wissen
generiert und dieses Wissen für Entschei-
dungen nutzt. Google postuliert nicht
einfach Wahrheiten – das Unternehmen
ergründet sie mit kleinen Tests und Ex-
perimenten.
Konzept 10:
Holakratie
Mit dem Holakratie-Ansatz, wie ihn Brian
Robertson in seinem Buch „Holacracy:
Ein revolutionäres Management-System
für eine volatile Welt (Vahlen 2016) be-
schreibt, liegt eine umfassende Methode
zur Gestaltung der Aufgabenteilung in
Unternehmen, Institutionen oder auch
Projekten vor. Sie ermöglicht sowohl den
initialen Aufbau wie auch die kontinuier-
liche Weiterentwicklung von Organisati-
onen. Besonders interessant ist die Nut-
zung von „Spannungen“ als Grundlage
für die kontinuierliche Weiterentwicklung
der Organisation.
Warum diese Konzepte?
Bei der Auswahl der dargestellten Kon-
zepte waren wir nicht ganz streng: Busi-
ness Model Canvas und Lean Project
Management zum Beispiel sind unserem
Verständnis zufolge nicht einer bestimm-
ten Universität oder bestimmtem Unter-
nehmen des Silicon Valley entsprungen.
Auch die anderen Organisationskonzepte
können nicht ausschließlich auf diese
Herkunft zurückgeführt werden: Keiner
würde behaupten, dass die Ideen, Mitar-
beitern Freiheitsgrade einzuräumen, um
mehr Kreativität zu ermöglichen, oder
Prototypen zu entwickeln, um Kunden-
nutzen zu erproben, allein im Silicon Val-
ley erfunden worden seien.
Dennoch ist der Verdienst der dort ansäs-
sigen Unternehmen nicht zu unterschät-
zen. Wir sehen deren Ideen zum Beispiel
im Holakratie-Ansatz und im Design
Thinking sehr konsequent umgesetzt,
und genau so auch im Business Model
Canvas und der agilen Führung. Wir be-
trachten das „Silicon Valley“ also nicht
als alleinigen Ursprung, sondern viel-
mehr als „Dachmarke“ für die Konzepte
der Digitalisierung, die inzwischen auch
deutsche Unternehmen prägen.
Sven Grote, Rüdiger Goyk
Industrie 4.0: Vorsicht, Missverständnis!
Wenn die Instrumente des Silicon Valley im deutschen
Sprachraum tatsächlich angewendet werden, dann nicht in
einem Vakuum: Einerseits herrschen hierzulande andere
Bedingungen als in US-Unternehmen. Andererseits unter-
scheiden sich die Bedingungen auch im spezifischen Kon-
text, der sich mit dem Stichwort „Industrie 4.0“ beschrei-
ben lässt. Professor Andreas Syska von der Hochschule
Niederrhein hat eine deutsche und eine amerikanische
Sicht auf die Industrie 4.0 beschrieben: Demnach wird der
Erfolg der Industrie 4.0 in Deutschland begrenzt, weil das
Konzept – vertikal betrachtet – als ein „Kind der Stückfer-
tigung kleiner Serien nach dem Verrichtungsprinzip“ gese-
hen wird. Damit wird das Thema stark auf die Fabrik und
interne Produktionsprozesse begrenzt, Produktentwicklung
und Marketing werden ausgegrenzt. In den USA werde das
Thema hingegen horizontal, also vom Kunden her und über
die gesamte Prozesskette, gedacht, argumentiert Syska.
Mit diesem Zugang werden Produkte, Lieferketten und
Fabriken neu vernetzt. Erst so können die sogenannten
„hybriden Produkt-Dienstleistungsbündel“ entstehen, die
einen besonderen Schutz im Wettbewerb darstellen kön-
nen. Zugespitzt formuliert Syska: „Die Amerikaner erzeu-
Hintergrund.
Wer Konzepte aus dem Silicon Valley auf deutsche Unternehmen übertragen will, soll-
te sich darüber klar sein, dass US-Amerikaner unter dem Begriff „Industrie 4.0“ etwas anderes ver-
stehen als Deutsche. Worin sich die beiden Definitionen unterscheiden und wie sich dies auswirkt.
gen Märkte, die Deutschen tüfteln an Schnittstellen. Der
Deutsche fragt: Wie bringe ich das ans Laufen? Der Ameri-
kaner fragt: Welches Geschäft kann ich damit machen?“.
Aus unserer Sicht liegt hier ein ganz wesentlicher Unter-
schied im Verständnis für die Anforderungen der nächsten
Jahre vor. Die meisten der beschriebenen Instrumente
ermöglichen Lösungen für die US-amerikanische Sicht auf
die Industrie 4.0. Agile Führung, Design Thinking, Business
Model Canvas, Scrum beginnen mit der intensiven Beschäf-
tigung mit dem Kunden und dessen Bedürfnissen. Davon
ausgehend wird nach neuen Wegen der Kundenbindung
gesucht, anhand von Fragen wie „Welche Probleme muss
der Kunde lösen, heute und morgen?“, „Braucht er unsere
Produkte oder will er eine Problemlösung?“, „Was will und
braucht er eigentlich genau von uns?“. Die Stärken dieser
Zugänge erschließen sich eher dann, wenn es darum geht,
neue Dienstleistungen, Produkte oder Produkt-Dienstleis-
tungsbündel zu entwickeln (etwa der Verkauf von Mobili-
tätslösungen statt PKW). Aus diesen unterschiedlichen
Perspektiven auf die Industrie 4.0 lässt sich die eigentliche
Motivation für die Beschäftigung mit den vorgestellten Kon-
zepten und Instrumenten ableiten.