Wirtschaft und Weiterbildung 1/2018 - page 24

titelthema
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wirtschaft + weiterbildung
01_2018
04.
... dass Bauen, Messen, Lernen
die Vorgehensweise in einem
Entwicklungsprozess ist
05.
... dass über Misserfolge sowie
Erfahrungen
Rechenschaft
abgelegt wird
06.
... dass alle Annahmen in
regelmäßigen Abständen
genau zu
überprüfen sind
R
darum geht, sich beim Erfinden helfen zu
lassen, hat Siemens schon eine 20-jährige
Erfahrung. So lange kooperiert der Kon-
zern schon mit innovativen Unternehmen
und insbesondere mit Universitäten. Sie-
mens ging in diesem Zeitraum 400 Part-
nerschaften ein.
800 Milionen Euro in 180
Start-ups investiert
Zwölf dieser Partnerschaften führten
dazu, dass Siemens ein eigenständiges
Unternehmen gründete. In diesem Zu-
sammenhang wurden laut Kugel in den
letzten Jahren auch 800 Millionen Euro in
180 Start-ups investiert – allerdings nur in
solche, bei denen man sehen konnte, dass
sich Ergebnisse abzeichnen. So wird ge-
rade ein kleines Unternehmen in den USA
gefördert, das mobile Ladegeräte für Elek-
troautos konstruiert hat und kontinuier-
lich verbessert, um für private Autofahrer
attraktiv zu werden. Ein anderes Beispiel
dafür, dass Siemens Start-ups sehr wirk-
sam auf die Beine helfen kann, ist „Ca-
terva“. Das Unternehmen ermöglicht es,
Solarstrom zu speichern und zum rich-
tigen Zeitpunkt in das Netz einzuspeisen.
Dr. Roland Gersch, Technischer Leiter
von Caterva, wurde als Erfinder des Jah-
res 2016 in der Kategorie Open Innovation
ausgezeichnet. Gersch übt mehrere Rol-
len aus. Das junge Unternehmen Caterva
hat der 37-Jährige zusammen mit zwei
Mitgesellschaftern 2013 als eine Ausgrün-
dung von Siemens an den Start gebracht.
Ein Teil der Caterva-Software wurde von
Siemens entwickelt und dann der neuen
Firma zur Verfügung gestellt.
Das Geschäftsmodell: Caterva verfügt
über derzeit 65 Solarstromspeicher in
jeweils einem Privathaushalt und bietet
flexibel Regelleistung an, um das Strom-
netz zu stabilisieren. Das wird von Netz-
betreibern lukrativ vergütet. Die Speicher,
die wie ein Schwarm (lateinisch Caterva)
intelligent gesteuert werden können,
„Wissen Sie, wie viele große Gasturbinen
in Deutschland in den letzten drei Jah-
ren gekauft wurden?”, fragte Joe Kae­
ser, Vorstandschef der Siemens AG, auf
einer Pressekonferenz Anfang Dezember
die anwesenden Journalisten. Es waren
ganze zwei Stück. Und weltweit wurden
alle Hersteller zusammen im Jahr 2017
nur 122 Turbinen los. Experten hatten
für diesen Zeitraum vorausgesagt, dass
es einen Bedarf von 300 Stück gäbe. Sie
unterschätzten die Dynamik, mit der sich
der Energiemarkt gerade verändert, ganz
gewaltig. Der Trend zu alternativen Ener-
gien ist so mächtig und so unumkehrbar,
dass Siemens sich aus der Produktion
großer Gasturbinen endgültig zurückzie-
hen will.
Die Tatsache, dass Märkte sich schneller
denn je ändern und etablierte Produkte
auf einmal unverkäuflich sind, wäre nicht
so schlimm, wenn die Unternehmen
rechtzeitig neue, innovative Produkte aus
dem Ärmel schütteln könnten. Doch in-
novative Ideen kann man nicht erzwin-
gen und da wir in ausgesprochen unsi-
cheren Zeiten leben, kann auch niemand
sagen, welche von den neuen Ideen sich
am Markt durchsetzen wird.
Janina Kugel, oberste Personalerin der
Siemens AG, hielt Mitte November 2017
auf dem „Talent Management Gipfel“ in
Berlin die Eröffnungsrede, in der sie mit
Nachdruck auf diese Problematik einging.
Deutschlands Unternehmen müssten in
Zukunft noch schneller mit Innovationen
auf Marktveränderungen reagieren und
sollten sich dabei Start-ups zum Vorbild
nehmen. Und gleichzeitig dürften sie ihr
laufendes Business, mit dem sie ihr Geld
verdienen, nicht vernachlässigen.
„Ich glaube, wir können beides“, sagte sie
über ihren eigenen Arbeitgeber. Wenn es
Botschaft.
Siemens-Personalvorständin Janina Kugel macht ihren Zuhörern klar,
dass sie sicherer im Umgang mit der Ungewissheit werden müssen.
Foto: Martin Pichler
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