Wirtschaft und Weiterbildung 1/2018 - page 18

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wirtschaft + weiterbildung
01_2018
INTERVIEW.
Am Rande des diesjährigen „Global Drucker
Forums“ in Wien gab uns der renommierte Management­
professor Charles Handy (86), Mitbegründer der London
Business School (LBS), ein Interview. Der ehemalige „Guru
der Gurus“, der ähnlich einflussreich war wie Warren
Bennis, Chris Argyris oder Ed Schein, zeigte sich im
Gespräch überraschenderweise ausgesprochen beunruhigt
über die aktuellen Veränderungen in der Arbeitswelt.
Wie sehen Sie, der Sie mit Ihren Büchern die Entwicklung
von Organisationen immer sehr klug beschrieben haben, den
aktuellen Wandel in der Arbeitswelt?
Prof. Dr. Charles Handy:
Früher hatten wir „Companies“ und
wie ich damals (um 1960) bei Shell gearbeitet habe, da war das
Unternehmen so etwas wie ein Kamerad, der sich um einen
kümmerte. Als ich nach Südostasien versetzt wurde, bin ich
dort von einem Mitarbeiter empfangen worden und die Firma
hat mir ein Haus zur Verfügung gestellt. Später kam die „Cor-
poration“. Es wurde unpersönlicher und bürokratischer. Es gab
nur noch Nummern für Abteilungen und Jobbeschreibungen,
aber keine Namen mehr an der Bürotür. Ich fand das damals
schon sehr traurig, weil damit etwas Wichtiges verloren ging.
Man will sein Leben nicht so einer „Corporation“ widmen. Die
Folge ist, dass man nur noch das macht, was man unbedingt
machen muss.
Und wie ist es heute?
Handy:
Das hat sich alles noch verschärft. Heute sind die Un-
ternehmen oft nur noch seelenlose Geldmaschinen und haben
ihre Menschlichkeit verloren. Mit der Digitalisierung ist es noch
unpersönlicher geworden. Die Menschen sind nur noch Num-
mern und Daten und man braucht nicht mehr mal einen Aus-
weis, weil eine Software das Gesicht identifiziert. Menschen
sind heute nur ein kurzfristiges Asset, aus dem man so viel wie
möglich rausholen will. In Deutschland gibt es immerhin noch
Fotos: Gerry Rohrmoser, Peter Drucker Society Europe
Der alte Mann
und die moderne
Arbeitswelt
den Mittelstand. Dahinter stehen oft Familien, die Dinge her-
stellen. In Großbritannien produzieren wir nur noch Zahlen.
Was hat sich bei der Managementausbildung geändert?
Handy:
In den 1960er-Jahren habe ich an der London Business
School das Sloan-Programm gestartet. Das war für Mitarbeiter
mit Mitte bis Ende 30, die dort neun Monate die Möglichkeit
hatten, über ihren Job und ihr Leben nachzudenken. Ich wollte
ihnen damals keinen akademischen Grad dafür verleihen.
Heute bekommen sie einen MBA-Abschluss. Ich würde mir
mehr Philosophie und politische Wissenschaften in der Mana-
gerausbildung wünschen und nicht nur eine auf Zahlen fixierte
Ausbildung.
Hat das MBA-Studium, das in den USA und in Großbritannien
als die klassische Managementausbildung gilt, überhaupt
noch Zukunft?
Handy:
Die Zeiten, wo man im Klassenzimmer lernt, wie man
ein Geschäft führt, sind vorbei. Das lernt man nur in der Pra-
xis. Und durch die technologischen Möglichkeiten muss man
auch nicht einmal mehr im Klassenzimmer sitzen, sondern
kann sich den Lernstoff online aneignen und dann gleich in der
Praxis anwenden. Der MBA wird verschwinden und es wer-
den vielleicht zehn große Business Schools übrigbleiben. Die
Programme für erfahrene Manager werden überleben, aber die
müssen nicht an den Business Schools stattfinden. Das können
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