Wirtschaft und Weiterbildung 1/2018 - page 25

wirtschaft + weiterbildung
01_2018
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werden von Photovoltaik-(PV-)Anlagen
gespeist. Gersch ist fasziniert von der
Komplexität des Geschäftsmodells: Seine
Firma bietet nicht nur Besitzern von
PV-Anlagen, sondern auch Energiever-
sorgungsunternehmen eine ausgereifte
Technologie an. Es verdient darüber hi-
naus Geld, indem es im Schwarm produ-
zierte Regelleistung zur Stabilisierung des
Stromnetzes bereitstellt.
Wenn zum Beispiel das mobile Ladegerät
für Elektroautos ein Erfolg würde, dann
wären Umsatz- und Gewinnsprünge bei
Siemens wohl nicht zu verhindern. Doch
noch sind gewisse Erprobungsphasen
nicht abgeschlossen und wer weiß, was
sich bis zum Zeitpunkt der Marktreife
die Konkurrenz einfallen lässt. Unabhän-
gig von ein paar Knüller-Ideen war man
bei Siemens nicht zufrieden damit, wie
sich die Innovationskooperationen entwi-
ckelten.
Siemens wollte auch Start-up
sein: Jetzt gibt es „Next 47“
„Wir haben festgestellt, wir sind nicht
innovativ genug, wir haben zu viele Pro-
zesse, wir sind zu sehr gefangen in dem,
was wir schon immer getan haben“,
berichtete Kugel. Siemens wollte selbst
Start-up werden und gründete Mitte 2017
das rechtlich selbstständige Unternehmen
„Next 47“. Die Firmierung ist eine Anspie-
lung auf das Jahr 1847, dem Geburtsjahr
des Siemens-Konzerns. Mit „Next 47“ soll
die Sache mit den Innovationen schnel-
ler, beweglicher und einfacher gehen.
Der Vorstand stellt dafür in den kom-
menden fünf Jahren eine Milliarde Euro
zur Verfügung. Künstliche Intelligenz,
dezentrale Elektrifizierung, autonome
Maschinen, Blockchain-Anwendungen
und vernetzte Elektromobilität – das sind
die fünf Felder, auf denen „Next 47“ tätig
werden soll. Ohne die organisatorischen
Einschränkungen eines Konzerns sollen
Innovationen demnächst schnell und
kundengerecht auf den Markt kommen.
Die neue Einheit erhält die nötige Eigen-
ständigkeit, kann aber dennoch die Vor-
teile des Konzerns nutzen. „Wir verbin-
den damit beide Welten, die der Start-ups
(Flexibilität, Schnelligkeit und Unabhän-
gigkeit) und die des Großkonzerns (glo-
bale Kundenbasis, langjährige Erfahrung,
Glaubwürdigkeit und Finanzkraft)“,
fasste ein Siemens-Pressesprecher bei der
Gründungsfeier die Pluspunkte zusam-
men.
Das erste Projekt, das „Next 47“ zusam-
men mit Airbus anpacken wird, ist die
Elektrifizierung der Luftfahrt. Beide Un-
ternehmen wollen bis 2020 die technische
Machbarkeit von hybrid-elektrischen An-
triebssystemen für kleinere Luftfahrzeuge
bis hin zu mittelgroßen Passagierflugzeu-
gen nachweisen. Die neue Einheit „Next
47“ gilt als ein wichtiger Baustein der
Open-Innovation-Strategie von Siemens.
Der Konzern fördert die Ideen von Mitar-
beitern (mit dem Innovationsfonds und
durch Plattformen wie Quickstarter) und
vernetzt sich mit anderen Unternehmen,
mit der Wissenschaft und Vordenkern
(beispielsweise über Universitätskoopera-
tionen und dem Siemens Technology and
Innovation Council STIC).
Je länger Kugel über „Next 47“ spricht,
desto mehr leuchten ihre Augen und
sie fragte herausfordernd ins Publikum:
„Warum kann Siemens nicht ein klas-
sischer Konzern sein und gleichzeitig
auch ein Start-up mit allem, was an Frei-
heiten dazugehört?“ Sie ist überzeugt,
dass in einigen Jahren großartige Inno-
vationen mit dem Namen „Next 47“ ver-
bunden sein werden und hofft darauf,
mit einem elektrisch angetriebenen Pas-
sagierflugzeug fliegen zu können. Für
den einzigen Wermutstropfen in Sachen
„Next 47“ ist übrigens Kugel selbst ver-
antwortlich. Sie hat durchgesetzt, dass
jeder Siemens-Mitarbeiter, der zu „Next
47“ wechseln will, einen neuen Arbeits-
vertrag akzeptieren muss – mit „Start-
up-Bedingungen“ und ohne die ganzen
sozialen Vergünstigungen, automatischen
Gehaltserhöhungen und Gewinnbeteili-
gungen eines Großkonzerns. Laut Kugel
ist der Wechsel der Konzern-Mitarbeiter
zum Start-up nicht sehr ausgeprägt. Aber
sie besteht auf einer klaren Linie: Wenn
Start-up-Freiheiten, dann zu Start-up-Be-
dingungen. Jeder müsse wählen.
Ideen kommen auch von innen
Wer im Konzern arbeitet, kann trotzdem
kreativ sein und sich für eine kontinuier-
liche Entwicklung am Arbeitsplatz einset-
zen. Auch Verbesserungsvorschläge und
R
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