Wirtschaft und Weiterbildung 1/2018 - page 17

und vor allem: diese Erfahrung zuzulassen. Was ist denn jetzt
im Rückblick Eure Haupterkenntnis, die Ihr drei in den Alltag
mitnehmt?
Stumpp:
Das lässt sich gar nicht einfach in wenigen Sätzen be-
antworten. Jetzt, zwei Jahre nach unserer Reise, erzählt jeder
von uns von unterschiedlichen Erlebnissen. Also lässt sich
von der zentralen Haupterkenntnis gar nicht sprechen, oder
eben von genau dieser Erkenntnis: Die unterschiedliche Wahr-
nehmung von Situationen macht das Leben spannend – kann
aber auch immens anstrengend sein. Vor allem,
wenn die Kommunikation beeinträchtigt wird.
Und was sagt uns die Tatsache, dass Ihr heute
nur zu zweit Euren Film auf dem Akademie-
Symposium vorstellt? Wo ist Euer dritter Mann
abgeblieben?
Stumpp:
Jakob wurde nach unserer Reise der ganze Aufwand
etwas zu viel. Er setzt heute andere Prioritäten und hat wenig
Zeit für Termine wie diesen. Deshalb sind wir heute nur zu
zweit da.
Dann gilt also für die „Drei von Sinnen“ das Motto der drei
Musketiere „Einer für alle, alle für einen“ nur in der
eingeschränkten Version?
Bouman:
Freundschaft ist uns allen sehr wichtig. Ohne
Freunde, denen ich voll und ganz vertrauen kann, hätte ich
mich auf dieses verrückte Experiment gar nicht erst einge-
lassen. Die Reise hat uns physisch und psychisch an unsere
Grenzen gebracht. Wir haben Seiten von uns gezeigt, die sonst
verborgen bleiben. Aber eine wahre Freundschaft zeichnet sich
dadurch aus, sich gegenseitig auch dann zu schätzen, wenn
die Meinungen völlig auseinandergehen. Es gibt verschiedene
Ausprägungen von Freundschaft. Die Kitsch-Romantik vieler
Hollywood-Filme, die Freundschaft beschwören, hat mit der
Wirklichkeit nicht viel zu tun. Wer den anderen wertschätzen
möchte, muss seinen Standpunkt verstehen – und das ist ganz
schön schwer, wenn man selbst mit seinen eigenen Einschrän-
kungen und Befindlichkeiten zu kämpfen hat.
Bei der Planung und der Herstellung des Films und bei dessen
Vermarktung und den Promotion-Aktionen habt Ihr eine echte
Start-up-Mentalität an den Tag gelegt. Was macht und hält
Euch agil?
Stumpp:
Der erste Schritt ist immer der wichtigste, denn ohne
ihn gibt es keinen zweiten. Als wir mitten in der Nacht auf die
Idee kamen, unsere Urlaubsreise mal etwas ungewöhnlicher zu
gestalten, hatten wir keine Ahnung, wohin uns dieser Weg füh-
ren sollte. Wir ahnten noch nichts von der Filmidee, von den
Festivalpreisen und Auszeichnungen. Uns war in diesem Mo-
ment nicht im Traum eingefallen, dass wir zwei Jahre später
von der Akademie für Führungskräfte eingeladen werden, um
unsere Erfahrungen mit Führungskräften zu teilen. Jetzt sind
wir gespannt, wie sich die Sache weiterentwickelt. Wichtig ist
die eigene Offenheit für Möglichkeiten und Chancen, die man
beim ersten Schritt noch gar nicht hat sehen können. Das ist
unsere Definition für Agilität: Mut zur Veränderung, den ersten
Schritt auch wirklich zu wagen – und sich trotzdem immer
eine Sensibilität für Neues zu bewahren.
Bouman:
Selbst ein kleiner Schritt kann richtig Angst machen.
Aber ohne ihn kommt man nicht vom Fleck.
Interview: Lucia Sauer Al-Subaey
„Wenn sich jemand nicht wertgeschätzt fühlt, dann
ist das nie ein privates Thema des Einzelnen,
sondern immer ein Thema für alle.“
David Stumpp
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