wirtschaft und weiterbildung 10/2018 - page 36

personal- und organisationsentwicklung
36
wirtschaft + weiterbildung
10_2018
zeit im Bankgewerbe von 7,48 Stunden
wird dabei weder den Ansprüchen der
Mitarbeiter noch den Aufgaben gerecht!
Warum also nicht in Projekthochphasen
zehn Stunden pro Tag vorankommen und
in Projektpausen nach sechs Stunden mit
den Kindern ins Freibad gehen? Warum
trotz Vollzeit nicht an einem Wochentag
früher nach Hause gehen, um die Kin-
der nach der Hausaufgabenbetreuung
zu übernehmen, und dafür Freitagnach-
mittags den Wochenstatus für das Pro-
jekt zusammenfassen? Und warum nicht
zur Betreuung der Eltern ein Jahr von 40
Regelwochenstunden auf 30 reduzieren,
bis vor Ort die Betroffenen, die Nach-
barschaftshilfe oder die ambulante Be-
treuung eingespielt ist? Und warum nur
Reduktion? Warum nicht für ein Projekt
mit strategischem Wert für sich 50 Wo-
chenstunden definieren und planen – und
diese in den Abendstunden vom heimi-
schen Arbeitsplatz aus leisten?
These 2:
Arbeitszeitmodelle helfen
bei Kundenwünschen rund
um die Uhr
Schwäbisch Hall richtet gerade verstärkt
Telearbeitsplätze z. B. für Mitarbeiter in
der Kreditbearbeitung und mit längeren
Anfahrtswegen ein. Das erhöht die ver-
fügbare Arbeitszeit für beide Seiten, ohne
das Freizeitkonto zu belasten. Und: Die
an der Kundenschnittstelle auf Finanz-
dienstleister zukommende Samstags-,
Feiertags- und Abendarbeit lässt sich so
schneller und pragmatischer vom Ar-
beitszimmer zu Hause mit end-to-end-
verschlüsselter Verbindung zur Hauptver-
waltung erledigen als in einer leeren Fir-
menzentrale. Auch hier gilt wieder: Wer
will nicht mal am Samstag arbeiten, um
einen freien gemeinsamen Wochentag zu
genießen, wenn der Lebenspartner eben-
falls am Samstag für seine Firma arbeitet?
Wer übernimmt nicht mal eine Woche die
Spätschicht bis 23 Uhr im Kundendialog-
center, wenn tagsüber die Kinderkrippe
geschlossen hat? Ein weiterer Schritt sind
individualisierte Arbeitsvereinbarungen
mit einem Zeitwertkonto, das angespart
und aufgezehrt oder ausbezahlt werden
kann. Damit können Unternehmen saiso-
nale Arbeitsspitzen besser abfedern. Ar-
beitnehmer können auf einen Zeitpuffer
zurückgreifen, um auf Wunsch eine Zeit-
lang kürzer zu treten – ohne finanzielle
Einbußen.
These 3:
Lernen und Arbeiten
gehören zusammen – und
beides macht Spaß
Der technologische und strukturelle Wan-
del wird Berufsbilder, Anforderungen und
Standards verändern. Arbeitsmarktfor-
scher gehen davon aus, dass durch Auto-
matisierung insbesondere mittlere Tätig-
keiten mit hohem Routinegrad wegfallen
und es zu einer Polarisierung kommen
wird: zu einer relativen Zunahme von
gering sowie hoch qualifizierter Beschäf-
tigung.
Dadurch werden andere Kompetenzen
erforderlich – und es verändern sich da-
durch die Lerninhalte und -anwendun-
gen. Parallel werden die Lernformen
vielfältiger. Für alle Beschäftigten gilt:
Der Bedarf an IT-Anwendungskenntnis-
sen und -Kompetenzen durch den tech-
nologischen Wandel sowie die immer
kürzer werdenden Innovationszyklen
wird weiter zunehmen. Gefragt ist also
eine zunehmende Tool-Kompetenz. Sie
befähigt dazu, neben den klassischen
Anwendungen neue und deutlich mehr
Datenbank-, Auswertungs-, Content- und
Kollaborations-Tools bedienen und zwi-
schen den Systemen springen zu können.
Gleichzeitig lösen sich alte Silos und Be-
reichsstrukturen auf. Die Mitarbeiter wer-
den gemeinsam über Unternehmens- und
Organisationsgrenzen hinweg arbeiten,
denn auch diese kooperativen Arbeits-
formen werden in Zukunft an Bedeutung
gewinnen.
Deshalb muss die vordringlichste Auf-
gabe für das Personalmanagement sein,
die Qualifizierung der Mitarbeiter so zu
gestalten, dass auch die heute noch nicht
definierbaren künftigen Aufgaben mach-
bar bleiben. Wichtig ist dabei die Einstel-
lung: Jeder Mitarbeiter muss täglich dazu
lernen wollen. Warum also beim Thema
„Lernen lernen“ nicht neue Methoden
ausprobieren? Warum nicht im zuliefern-
den Fachbereich nebenan hospitieren und
sein Netzwerk stärken, statt immer nur
Fachseminare zu buchen? Warum nicht
Kollegen mit Methodenskills zu einem
Workshop bitten und die Methoden an-
wenden?
Beide Seiten, Unternehmen und Mitar-
beiter, müssen Fähigkeiten wie Problem-
lösungskompetenz, Kreativität, Kom-
munikationsstärke oder die Fähigkeit zu
ganzheitlichem und vernetztem Denken
entwickeln – Kompetenzen, mit denen
man für viele kommende Problemstel-
lungen und Aufgaben gewappnet ist. Das
klingt zunächst klassisch und trocken, es
kann aber auch einfach gehen und sogar
Spaß machen, wie einige Beispiele aus
dem Arbeitsalltag bei Schwäbisch Hall
zeigen:
• So helfen sich Teams angesichts neuer
und schneller Entwicklungen gegen-
seitig durch sogenannte „Lernfenster“:
Input durch einen Experten aus dem
Haus zu aktuellen Themen, Projekten
oder regulatorischen Fragestellungen,
meist zwischen 15 bis 60 Minuten.
• Wer sein Wissen teilen will, meldet
sich bei einer „Themenbörse“ an, die
alle strategisch relevanten Fragestel-
lungen aufnimmt und Teams einen
schnellen Überblick über vermittelbare
Wissensbausteine gibt. Alle strategisch
relevanten Themen können dadurch
als Vortrag gebucht werden.
• Nachbarteams und -abteilungen neh-
men gegenseitig an Teambesprechun-
gen teil und halten sich so auf dem
Laufenden. Gleichzeitig reduzieren sich
so Schnittstellenprobleme auf das Nö-
tigste.
• Ähnlich wie in Lean-geführten Pro-
duktionsunternehmen aktualisieren
rund 100 Teams ihren Wissensstand
im 15-minütigen morgendlichen „Blitz-
licht“, einem Stehmeeting, das allen
Teammitgliedern einen kurzen Über-
blick über alle aktuellen Aufgaben gibt.
• Der Lean-Management-Gedanke mit
der Green- und Blackbelt-Ausbildung
bringt zahlreiche Projekte und Unter-
suchungen hervor, die ihre Methoden
R
„Vier von fünf Führungspositionen werden heute mit
gut vorbereitetem Nachwuchs besetzt.“
Claudia Klug
1...,26,27,28,29,30,31,32,33,34,35 37,38,39,40,41,42,43,44,45,46,...68
Powered by FlippingBook