wirtschaft und weiterbildung 10/2018 - page 30

personal- und organisationsentwicklung
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wirtschaft + weiterbildung
10_2018
leben. Ein gutes Beispiel dafür ist unsere
HR-Konferenz: Vor fünf Jahren bestand
sie noch aus Powerpoint-Lesen im 20-Mi-
nuten-Takt, mit einer ausgedruckten
Agenda. Das war ein geschlossenes Sys-
tem und da konnte natürlich keiner mehr
spontan mitreden. Statt Frontbeschallung
haben wir heute einen Fitness-Plan mit
über 50 verschiedenen Möglichkeiten von
Methoden-Workshops über Yoga-Kurse
bis hin zur Start-up-Bustour. Gemeinsam
versuchen wir die relevanten Themen zu
finden und weiterzuentwickeln.
Neu ist also vor allem die Beteiligung der
Mitarbeiter …
Schirmer:
Ja. Früher wurde zentral
etwas entwickelt, durchdekliniert und
per Newsletter verteilt. Wenn wir jetzt
zum Beispiel von unserer globalen Per-
sonalkonferenz live bloggen und Videos
teilen, dann haben wir schon 50.000 in-
terne Zugriffe am ersten Tag. Da heißt es
dann nicht mehr, was interessiert andere
die HR-Welt. Natürlich kommen solche
Initiativen nicht überall im Unternehmen
gleich stark an. Wir sind eine Matrixorga-
nisation und wenn ich da eine allgemeine
Aussage mache, wird das nie dem gesam-
ten Unternehmen gerecht.
Was braucht es, damit solche Initiativen
entstehen?
Schirmer:
Wir haben im Endeffekt eine
Art grundsätzliches Go gegeben und die
Dinge nicht mehr automatisch zentral ge-
managt. Wer etwas machen möchte, darf
das erst einmal tun. Dann wird beobach-
tet, ob das erfolgreich ist. Die Leute über-
nehmen Verantwortung für ihre Themen
und das sorgt dafür, dass dezentral ganz
viel passiert. Wichtig ist auch, dass man
Ownership bei den Leuten belässt, die sie
initiiert haben. Früher hat man sich mit
lokalen Initiativen einem hohen Risiko
ausgesetzt, dass diese zentral übernom-
men wurden, wenn sie erfolgreich waren.
Transformation bei Continental – was
heißt das für Ihren Arbeitgeber und
insbesondere für Sie nun ganz genau und
wo soll es hingehen?
Harald Schirmer:
Bisher haben wir meist
Produkte auf den Markt gebracht, die es
vorher schon in irgendeiner Form gab.
Wir haben sie in einer hohen Stückzahl,
in besonders guter Qualität mit hoher
Liefertreue zu einem guten Preis ge-
fertigt. Das Innovationsrisiko ist dabei
kalkulierbar. Doch angesichts der Di-
gitalisierung greift diese Strategie nicht
mehr. Deshalb ist die Vision, dass wir
vom Fast-Follower- in den Leading-Edge-
Modus kommen. Wir möchten das Un-
ternehmen in die Lage versetzen, mit der
dynamischen Welt besser umgehen zu
können. Dazu gehören neue technische
Systeme genauso wie neue Methoden der
Zusammenarbeit und des Lernens. Da
wird im Moment an verschiedenen Stel-
len geschraubt, probiert und experimen-
tiert. Wir versuchen stärker in Netzwer-
ken statt Hierarchien zu arbeiten. Neu ist
auch, dass wir immer weniger in Projek-
ten denken, die ein klares Ende vorgeben.
Stattdessen machen wir Initiativen, die
langfristig angelegt sind und alle etwas
mit Kulturwandel zu tun haben.
Welche konkreten Initiativen laufen bei
Ihnen aktuell?
Schirmer:
Wir kommen aus zwei Rich-
tungen. Zum einen haben wir strategisch
geplante und zentral orchestrierte Kam-
pagnen wie etwa unser neues Leader-
ship-Programm. Gleichzeitig stoßen wir
Netzwerk-Initiativen an, die vom Social
Response und der Beteiligung der Leute
„Klassische Trainings fliegen
nicht mehr richtig“
DIGITALISIERUNG.
Die Continental AG in Hannover ist nicht nur ein Reifenhersteller, son-
dern mit etwa 240.000 Mitarbeitern an knapp 500 Standorten in 61 Ländern einer der
größten Automobilzulieferer der Welt. Wie stellt sich ein Konzern dieser Größenordnung
auf die Dynamik der Digitalisierung ein? Darüber sprachen wir mit dem Manager „Digital
Transformation“ Harald Schirmer, der seit rund 27 Jahren das Unternehmen „aufmischt“.
Fotos: Continental AG
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