wirtschaft und weiterbildung 10/2018 - page 40

training und coaching
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wirtschaft + weiterbildung
10_2018
das Geld aus. Dessen Firmenanteile er-
warb ein Multi, der Nahrungsmittelkon-
zern Oetker. Zunächst sah Kowalsky noch
die große Chance für einen Neuanfang,
aber schon bald war klar, dass es für ihn
nicht weitergeht. „Durch den Wechsel
des Mitgesellschafters kam eine so an-
dere Kultur in das Unternehmen – das
war nicht mehr das, was wir wollten.“
Im Prinzip lag schon ein erstes Scheitern
im Geschäftsmodell. Ursprünglich tüf-
telte der Braumeister mit Stiefvater Dieter
Leipold zehn Jahre lang an einer Kinder-
limo, die den elterlichen Betrieb retten
sollte. Ein sinnvolles Produkt musste her,
das Zukunft haben sollte. Doch den Kin-
dern schmeckte die Limonade nicht. Zu-
nächst war es ein schwacher Trost, dass
die Hipster in Szene-Kneipen Hamburgs
das Getränk umso mehr liebten. „Es war
ein Schock, dass Bionade nun ein trendi-
ges Produkt werden sollte. Wir haben ja
über Generationen gedacht. Doch dann
beschlossen wir, so lange bei den Hips-
tern zu bleiben, bis sie Kinder kriegen.“
Es folgte gigantisches Marketing, das den
Zeitgeist traf. Der Erfolg klopfte an die
Tür: Coca-Cola, der größte Getränkehänd-
ler der Welt, wollte Bionade kaufen. Doch
Kowalski lehnte ab, was seine Reputation
in Deutschland noch mehrte. Da war die-
ser Vorzeigemittelständler aus der Rhön,
der den Getränkemarkt revolutioniert. Ko-
walski bekam Auszeichnungen, zum Bei-
spiel als Ökomanager des Jahres. Er war
eine Art Megastar dieser Republik. „Wir
wollten Bionade nicht verkaufen und in-
sofern war es uns egal, was man uns ge-
boten hätte. Vielmehr bestärkte uns das
darin, dass wir mit dem Produkt auf dem
richtigen Weg waren.“
Doch der Plan ging nicht auf – Kowalski
musste verkaufen. Inzwischen lebt er in
Berlin und hat das Start-up „Inju“ gegrün-
det, das das gleichnamige Gesundheits-
getränk produziert und vermarktet. Noch
einmal möchte Kowalski ein Produkt
einer völlig neuen Kategorie entwickeln.
Er nennt es „Natural Cell Tonic“: Es soll
Menschen beim Sport und beim Denken
natürliche Kraft verleihen. Der Durch-
bruch des Unternehmens steht noch aus.
Wieder denken alle, das ist ein Produkt,
das schwer zu erklären ist – zu esote-
risch, zu anspruchsvoll. „Wenn die Leute
sagen, das hört sich komisch an, gerade
daraus ziehe ich meine Energie. Ich
möchte in dieser Welt etwas Sinnvolles
tun. Das mache ich gerne und habe dabei
keine Angst vor dem Scheitern.“ Dass
Erfolg auch zur Geißel werden kann, hat
Peter Kowalsky inzwischen gelernt. Man
beschäftige sich plötzlich mit Themen,
die einen eigentlich nicht interessierten.
Nicht immer nur auf die
Experten hören
„Gelernt habe ich aus der Geschichte vor
allem, nicht immer nur auf andere zu
hören. Bei Bionade sind am Anfang ganz
viele Leute gekommen und haben gesagt,
‚Bionade – was ist das denn für ein be-
scheuerter Name!‘ Wenn man sich eine
Zeitlang intensiv mit etwas beschäftigt,
ist man selbst der größte Spezialist.“
Anne Koark hält einen so gelassenen
Umgang mit Niederlagen noch immer
für eine Seltenheit. „Die Anzahl der öf-
fentlichen Reden über das Scheitern hat
zwar zugenommen, aber die Deutschen
tendieren immer noch dazu, ihre Fehler
planen zu wollen“, hat die Britin beob-
achtet. Sie findet, man solle von der
Softwareindustrie lernen. „Da werden
von Anfang an Fehler der Produkte ein-
kalkuliert und dann bringt man ein Up-
date. Ich bin ein Update des Scheiterns.“
Sie wünsche sich, dass Arbeitgeber den
Umgang mit Fehlern stärker trainieren
R
Peter Kowalsky.
Ein erneuter Durchbruch
lässt noch auf sich warten.
Fotos: Martin Pichler
Veranstaltungstipp.
Die European School of Management
and Technology ESMT in Berlin, eine der führenden deut-
schen Business Schools, veranstaltet am 12. November
2018 eine englischsprachige Tagung zum Thema „Error
Management“
Es ist bereits die vierte Tagung ihrer Art. In diesem Jahr
drehen sich die Vorträge und Podiumsdiskussionen haupt-
sächlich um die Frage, wie man das Fehlermanagement bei
den Vorständen eines Unternehmens auf die Tagesordnung
setzen kann. Dazu wurden eine Reihe von Wissenschaft-
lern (zum Beispiel ein Experimentalneurologe von der Cha-
rité) eingeladen. Es kommen aber auch mehrere Generäle
unterschiedlicher Armeen, die zum Thema Fehlermanage-
ment sprechen werden.
Jan U. Hagen, Professor an der ESMT, hat selbst schon
zu Katastrophen in der militärischen und zivilen Luftfahrt
geforscht. Die Bedeutung des „Managements“ von Fehlern
erklärt er so: Bei jedem Flug passierten der Crew laufend
Fehler, die aber schnell korrigiert werden könnten. Abstürze
gäbe es nie nur aufgrund eines Fehlers, sondern weil sich
Fehler zu Fehlerketten aneinander reihten. Sobald sich eine
Verkettung unglücklicher Umstände anbahne, müsse eine
Organisation das erkennen und gegensteuern können.
Fehlermanagement lernen
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