wirtschaft und weiterbildung 10/2018 - page 50

training und coaching
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wirtschaft + weiterbildung
10_2018
schäft“, heißt es in dem Pressetext zum
Film. „Sein Unternehmen verzeichnet
zweistellige Wachstumsraten und be-
schäftigt 70 Mitarbeiter.“ Hinterfragt wird
das nicht.
„Warum sollte das Universum
Dir helfen?“
Auch die beiden Filmemacher wollen
sich keinen Fragen stellen und vor allem
wollen sie sich nicht positionieren. „Wir
wollten die Realität nicht verbiegen und
haben alles ganz bewusst so ausgewo-
gen wie möglich dargestellt“, sagte Julian
Amershi gegenüber der Hamburger Mor-
genpost. „Es gibt in unserem Film keinen
Kommentar aus dem Off und keinen Ex-
perten, der das Ganze einordnet.“
Das mag künstlerisch wertvoll sein, ist
aber auch ziemlich naiv. Denn ob Höl-
ler wirklich so erfolgreich ist, wie es die
Filmemacher offenkundig glauben, ist
fraglich. Dass es auch besser geht, zeigte
der Film „Ich werde reich und glücklich“
von Doris Metz aus dem Jahr 2002. Dabei
hat die Münchner Filmemacherin über
acht Monate mehrere Höller-Anhänger
auf ihrer Suche nach dem versprochenen
Erfolg begleitet. Auch ein Abtrünniger,
ein ehemaliger Partner Höllers, kommt
zu Wort. „Herausgekommen sind bi-
zarre, anrührende und beklemmende Ge-
schichten von Menschen, die Gewinner
sein wollen und sich dabei selber immer
mehr verlieren“, hieß es damals in einer
Filmankündigung.
Der neue Film zeigt Szenen von den
Power Days und dass sie – wie früher –
vor allem eines sind: Eine Verkaufsveran-
staltung für die teureren Seminare. „Wer
will wirklich erfolgreich sein?“, ruft Höl-
ler ins Publikum. „Willst du dafür auch
was tun, sag ja. Wer ist bereit, Zeit und
ein bisschen Geld zu investieren? Sag ja,
sag lauter ja.“ Dafür gibt‘s auch einen
Sonderpreis von 1.497 Euro. In der Pause
geben seine Mitarbeiter alles, um mög-
lichst viele Teilnehmer zur Unterschrift zu
bringen. „Es ging die letzten Stunden nur
darum, Seminare zu verkaufen. Das ist
für mich schon ein bisschen Gehirnwä-
sche“, sagt ein Teilnehmer. Andere sind
begeistert. „Ich finde, das ist eine tolle
Persönlichkeit“, so eine Teilnehmerin.
Nach der Pause müssen alle aufstehen,
die sich für Seminare angemeldet haben.
„Hier der gesamte obere Block, vier oder
fünf sind nur aufgestanden“, ruft Höller.
„Ihr sitzt zwei Tage hier und zweifelt
immer noch. Wenn Du nicht mal bereit
bist, diese 1.497 Euro in Dich zu inves-
tieren, warum soll das Universum Dir
helfen, ein besseres, ein erfolgreicheres
Leben zu führen?“ Das Publikum applau-
diert.
Das Universum hat viel zu tun. Denn
wie früher sollen allein die richtigen
Sprüche helfen. „Ich liebe mich“, „Ich
schaffe das“, „Ich lebe stets in Überfluss
und Fülle“ und natürlich „Ich ziehe Geld
magisch an“ brüllen die Teilnehmer im
Chor, trommeln sich dabei auf Brust oder
klatschen sich ab. Szenen aus einem
Train-the-Trainer-Seminar in Mayrhofen,
Österreich: Zwei Drittel der Teilnehmer
sind bereits Trainer, darunter ein Coach
für Business-Mamis, ein Sex-Coach für
Paare und der „hartnäckigste Heil-Hypno-
tiseur“, der alles heilen kann. Höller klärt
„Ich lebe in Freude, Leichtigkeit, Heiter-
keit“, ruft Jürgen Höller dreimal am of-
fenen Fenster in die Berglandschaft, die
Hände auf die Brust gepresst, die Augen
halb geschlossen. So beginnt der Film
„Der Motivationstrainer“ von Julian
Amershi und Martin Rieck. Eineinhalb
Jahre haben die beiden Hamburger Fil-
memacher Jürgen Höller begleitet. Der
Film zeigt ihn, wie er sich vor seinen Auf-
tritten mit dem Snap-Song „The Power“
aufputscht, wie er sich im Fitnessstudio
quält und wie er beim Bee-Gees-Hit „Tra-
gedy“ tanzt. Und er zeigt vor allem eines:
einen Menschen, der verbissen und un-
ermüdlich um Anerkennung bettelt und
nach Geld giert.
In den 90er-Jahren, als Motivationstrai-
ner wie Antony Robbins, Emile Ratel-
band und Geldtrainer wie Bodo Schäfer
auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs waren,
gehörte auch Höller zu den Großen. Wie
kein anderer schürte er den grenzenlosen
Größenwahn. Mit seiner damaligen Firma
Inline AG hob Höller ab. Zwei Milliarden
Euro Umsatz wollte er pro Jahr mit Se-
minaren und E-Learning machen. Doch
dann war seine Firma pleite und der Mo-
tivationsguru landete im Knast.
Das Urteil: Drei Jahre wegen Untreue,
vorsätzlichen Bankrotts und falscher
eidesstattlicher Versicherung. 900.000
Euro hatte Höller aus der Firmenkasse
entnommen, um damit seine erhebli-
chen Privatschulden zu zahlen. Seit er
2004 entlassen wurde, macht er weiter.
Inzwischen füllt er bei seinen Power Days
wieder große Hallen. „Selbstoptimierung
ist heute das Zeitgeist-Thema schlechthin
– und für Höller auch ein glänzendes Ge-
Dokumentarfilmer begleiteten
Jürgen Höllers Comeback
MOTIVATIONSSHOW.
Zwei Hamburger Dokumentarfilmer begleiteten das aktuelle
Comeback des tief gefallenen Motivationstrainers Jürgen Höller. Der Film wertet nicht,
sondern zeigt unkommentiert Höllers „neue“ Positiver-Denken-Bühnenshow und dessen
Versuche, seinem Publikum weiterführende Seminare zu verkaufen. Hinterfragt wurde
nichts. Das mag künstlerisch wertvoll sein, ist jedoch ziemlich naiv.
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