wirtschaft und weiterbildung 10/2018 - page 29

wirtschaft + weiterbildung
10_2018
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Friedl. Durch die laufende Information
entstehe eine Veränderungskurve in der
Wahrnehmung: von Neugier zu Freude.
Der ÖAMTC verschrieb sich unmittel-
barer „Real-time-Information“: „Sobald
ein neuer Schritt feststand, haben wir
das gleich an die Mitarbeiter kommuni-
ziert“, beteuert Schmerold. „Am Anfang
hieß es, wir ziehen um, wissen aber nicht
wohin.“ Später waren einzelne Meilen-
steine ad hoc im Intranet, das nach einem
Sharepoint-Prinzip funktioniert: Jeder der
200 beteiligten Personen konnte dort In-
formationen über den Projektverlauf ver-
öffentlichen und alle Mitarbeiter hatten
die Möglichkeit, dies zu kommentieren.
„Da war ein reger Austausch und wir
haben das auch aktiv gefördert“, so Per-
sonalentwicklerin Ableitinger.
Direktor Schmerold launchte während
des Projekts seinen eigenen Blog, in dem
er seine Sicht der Dinge bis heute teilt.
So wussten die Beschäftigten direkt Be-
scheid, wo das neue Grundstück lag oder
wer den Architekturwettbewerb gewon-
nen hatte. Wenn eine Gruppe von Mitar-
beitern sich auf einer kleinen Studienreise
neue Bürokonzepte anschaute, disku-
tierten sie nicht nur unter sich, sondern
erzählten auch den Kollegen aus erster
Hand davon. „Damit die Kommunika-
tion viral wird, sollte die Unternehmens-
leitung Neuheiten nicht nur top-down
verkünden. Begeisterung verbreitet sich
nur, wenn Mitarbeiter untereinander be-
richten“, so Schmerold. Zunächst war das
Vertrauen in die Offenheit des Prozesses
laut dem Direktor noch nicht vollständig
gegeben. Früher entschied die Fachabtei-
lung über Immobilienprojekte und führte
sie entsprechend durch. Erst die zuneh-
mende Beteiligung der Mitarbeiter habe
das geändert. Gleichwohl lasse sich ein
bestimmter Prozentsatz der Mitarbeiter
nie mitziehen. „Es hat sich eine positive
Dynamik entwickelt. Dafür sollte man
vor allem diejenigen zu Botschaftern ma-
chen, die Interesse und Bereitschaft mit-
bringen“, ist der ÖAMTC-Direktor über-
zeugt.
Veränderungen werden
im Alltag zur Normalität
Inzwischen ist die neue Umgebung All-
tag geworden. Doch die „Mobilmachung“
soll nach Wunsch von Schmerold wei-
tergehen. „Wir haben durch den Umzug
Fitness für Veränderungsprozesse gelernt.
Jetzt muss der Wandel Normalität wer-
den und dieser Prozess ist nie fertig.“
Noch immer lotet der Club die neuen
Möglichkeiten des Gebäudes aus. So ent-
stand das Begegnungsformat „Meet@
Atrium“. Spontan kommen Mitarbeiter
in der Mitte des Gebäudes zehn Minu-
ten zu einer kurzen Informationssession
zu ausgewählten Themen zusammen.
Durch interdisziplinäre Zusammenarbeit
entstanden neue Dienstleistungen wie die
E-Bike-Pannenhilfe.
Der ÖAMTC öffnet und vernetzt sich
auch nach außen, nicht nur bei Veran-
staltungen in den futuristischen Räum-
lichkeiten. Eine Start-up Challenge wurde
ausgeschrieben: Gründer konnten sich
darauf bewerben, für ein Jahr in das Mo-
bilitätszentrum einzuziehen und mit dem
ÖAMTC zusammen Zukunftsszenarien zu
entwickeln. Den Zuschlag erhielten die
Start-ups Roomchooser, ein Buchungs-
portal für barrierefreie Hotels, BikerSOS,
eine Notfall-App für Motorradfahrer, und
das Projekt Volare, das ein automatisier-
tes Luftfahrzeug für Einzelpersonen ent-
wickelt. Die Jungunternehmer berichten
den Führungskräften des ÖAMTC, um
gemeinsam von der jeweiligen Unterneh-
menskultur zu lernen.
„Heute sehe ich hier am Tag viel mehr
Leute als früher. In gewisser Weise sind
wir von einem Dorf in eine Stadt gezo-
gen“, resümiert Jutta Ableitinger. Manche
Kollegen könnten damit gut umgehen,
anderen falle die neue interne Mobilität
auch auf die Nerven. Manchmal hätte sie
sich gewünscht, noch mehr Zeit für den
ganzen Prozess zu haben oder sich noch
länger mit den Projektbeteiligten zu tref-
fen. „Gerade wenn an manchen Stellen
gefühlt etwas der Lack ab und der Reiz
des Neuen dahin ist, hätte ich gern etwas
mehr nachgehakt.“ Direktor Schmerold
hat seinen Arbeitsstil durch die neue Um-
gebung massiv verändert. Er öffnet sich
nicht nur in seinem Blog für die Mitarbei-
ter, sondern geht auch oft mittags allein
in die Kantine. Dann schaut er, wo er sich
dazusetzen kann. „Ich komme verstärkt
mit Mitarbeitern ins Gespräch. Diesen
Austausch möchte ich nicht missen. Auch
für meine strategischen Entscheidungen
sind diese Inputs enorm wichtig.“ Trotz-
dem sieht er die Notwendigkeit, sich als
Führungskraft Freiräume aus dem opera-
tiven Tagesgeschäft zu schaffen.
Ab Herbst 2018 wird er den Weitblick
ganz besonders brauchen. Dann soll ein
Strategieprozess starten, der über die
aktuelle Perspektive 2020 hinausgeht.
Dort sieht er eine neue Führungskultur,
die noch mehr loszulassen lernt und die
Entscheidungsfreiheit der Mitarbeiter
erweitert. Auch Mitarbeiter an den Ser-
vicestellen, in Fahrtechnikzentren, an
Hubschrauberstützpunkten und auf der
Straße sollen noch stärker in die Organi-
sationsentwicklung einbezogen werden.
Die Idee der Partizipation werde in diesen
Strategieprozess einfließen. „Das Mobi-
litätszentrum soll nach außen strahlen.
Wir möchten ein offenes Clubhaus für
alle sein.“
Stefanie Hornung
Pannenhilfe.
Hitze setzt Fahrzeugen genauso zu wie große Kälte. Österreichs
gelbe Engel hatten in diesem Sommer im Schnitt 1.900 Einsätze pro Tag.
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