R
wirtschaft + weiterbildung
06_2018
25
det nach anderen Prinzipien, wenn es auf
der Seite der Eigentümer mit einer Familie
statt dem Kapitalmarkt zu tun hat. Das
hat ganz elementar mit der unterschied-
lichen Bindung, der loseren oder festeren
Kopplung, zwischen Eigentümern und
Unternehmen zu tun. Wenn das Manage-
ment es mit Aktionären zu tun hat, die
es beobachten und seine Leistung beur-
teilen, dann sind dies Eigentümer, deren
emotionale Bindung an das Unternehmen
in der Regel nur begrenzt ist. Wenn die
Rendite nicht stimmt, so können sie sich
in Sekundenschnelle durch einen Knopf-
druck an ihrem Computer von ihrem
Eigentum trennen. Deswegen muss das
Management alle drei Monate Bericht
erstatten, der dann kurzfristig über den
Börsenwert des Unternehmens bestimmt.
Wenn Sie es dagegen als Management auf
der Seite der Eigentümer mit einer Fami-
lie zu tun haben, so können sie sich auf
konkrete Personen einstellen. Die mögen
ihre Macken oder Marotten haben, sie
sind aber allemal besser berechenbar in
ihrem Verhalten als der Kapitalmarkt. Das
ist aber nicht alles ...
Was sind andere Faktoren? Sie würden
es ja wahrscheinlich Erfolgsfaktoren
nennen ...
Simon:
Im Familienunternehmen besteht
die außergewöhnliche Situation, dass
dort zwei Typen sozialer Systeme, die
einer gegensätzlichen Entscheidungslo-
gik folgen, eine gemeinsame Geschichte
durchlaufen. Die Personenorientierung
der Familie steht der Sachorientierung
des Unternehmens gegenüber. Keine der
beiden Rationalitäten kann daher, da
beide Systeme miteinander „verheiratet“
sind, ungestraft weggedacht werden. Das
heißt, mit anderen Worten, der Konflikt
zwischen beiden Rationalitäten, die Pa-
radoxie, ist auf Dauer gestellt. Hierin, das
dürfte das Überraschende für die meisten
Leute sein, liegt das Erfolgsgeheimnis
langlebiger Familienunternehmen. Der
Konflikt lässt sich nicht ein für allemal
entscheiden, sondern er muss von Situa-
tion zu Situation immer wieder aufs Neue
entschieden werden. Mal müssen die Ei-
gentümer in ihren Ansprüchen zuguns-
ten des Unternehmens zurückstecken,
um es „enkelfähig“, das heißt langfristig
für kommende Generationen zu erhal-
ten, und mal muss das Unternehmen auf
profitable Geschäfte verzichten, wenn sie
den Werten der Familie zuwiderlaufen
würden, wie beispielweise Rüstungsge-
schäfte oder Ähnliches.
Sie sprechen jetzt nur von den Chancen
von Familienunternehmen, doch es
vergeht ja kaum eine Woche, in der nicht
von den Konflikten in Familien-
unternehmen zu lesen ist.
Simon:
Das stimmt zweifellos. Familien-
unternehmen sind der Unternehmensty-
pus mit den größten Chancen, aber auch
mit den größten Risiken. Denn die Kul-
tur der Familie, die Personen und deren
Beziehungen im Blick hat, kann positiv
wie negativ die Kultur des Unternehmens
beeinflussen. Von der Vetternwirtschaft,
bei der Posten mit inkompetenten Fami-
lienmitgliedern besetzt werden, bis hin
Fotos: Pichler
„Eine Unternehmerfamilie mag ihre Macken haben,
aber sie ist für die Geschäftsführung eines
Mittelständlers allemal besser berechenbar als
der Kapitalmarkt.“
Fritz B. Simon.
Der Pionier der
systemischen Organisationsbe-
ratung steht für den dritten Teil
seines W+W-Interviews bereit.