wirtschaft und weiterbildung 6/2018 - page 20

titelthema
20
wirtschaft + weiterbildung
06_2018
04.
George Spencer-Brown
(1923-2016),
Mathematiker
und Autor von „Law of Form“
05.
Niklas Luhmann (1927-1998),
Soziologe, Begründer der
soziologischen Systemtheorie
06.
Humberto Maturana (1928),
Biologe, mit Francisco Varela
„Autopoiesis“ eingeführt
R
lautet: Nimm eine Konkretisierung vor.
Simon: „Allein mit diesen zwei Frage­
arten schafft es jeder Talkmaster, interes­
sante Gespräche anzustoßen.“
Rezept
Nr. 2
Entscheide Dich für den Grad der „Körnig-
keit“ deiner Unterscheidungen: Welche Ele-
mente willst Du als nicht weiter analysierte,
elementare Bausteine zusammengesetzter
Einheiten betrachten? Sei Dir klar, dass
die Eigenschaften/Verhaltensweisen der
Bausteine immer auf ihrer Außenseite beo-
bachtbar sind.
Simon meint damit, dass ein Berater sich
entscheiden müsse, was für ihn die nicht
weiter zerlegbaren „Atome“ eines Sys­
tems sein sollten. Manchmal macht es
Sinn, soziale Systeme zu analysieren und
dabei den Menschen an sich nicht wei­
ter unter die Lupe zu nehmen. Wenn das
Individuum als „letzte Einheit“ eines Sys­
tems definiert wurde, dann ist klar, dass
man sich in der folgenden Analyse nicht
mehr für die Psychodynamik des Einzel­
nen interessiert.
Rezept
Nr. 3
Versuche (so gut es geht) eine Differenzie-
rung zwischen der Beschreibung beobach-
teter Phänomene, ihrer Erklärung und ihrer
Bewertung vorzunehmen. Beginne immer
bei der konkreten Beschreibung der Phäno-
mene, weil hier am leichtesten ein Konsens
zu finden ist. In einem zweiten Schritt kläre
dann unterschiedliche denkbare Erklä-
rungen und Bewertungen.
Üblicherweise wird beschreiben, erklären
und bewerten in der Umgangssprache
nicht getrennt. Aus systemischer Sicht
sind das aber „die“ drei Elemente der
Wirklichkeitskonstruktion, die von Profis
unbedingt auseinandergehalten werden
müssen. Wenn ein Berater Interventi­
onsmöglichkeiten schaffen will, um im
Weltbild des Klienten eine Veränderung
einzuleiten, dann ist es laut Simon extrem
praktisch, diese drei Ebenen zu trennen.
Rezept
Nr. 4
Konstruiere alternative Kausalitäten oder
Hypothesen für die beobachteten Phäno-
mene. Suche nach alternativen Bewer-
tungen: Was ist positiv, was ist negativ
am Status quo beziehungsweise an einem
erstrebten alternativen Zustand?
Der Berater kann schlicht sagen „Schau
woanders hin“. Wenn jemand ein Pro­
blem beschreibt, kann er leicht etwas
(Positives) übersehen. Der zweite Weg
besteht darin, dass der Berater neue Hy­
pothesen anbietet. Für alle Phänomene
gibt es mehr als eine Erklärung. Simon:
Simons Thema ist die Wechselbeziehung
zwischen folgenden Systemen:
• dem Organismus (also dem Körper
eines Menschen) mit den biologischen
Prozessen, die in ihm ablaufen
• der Psyche beziehungsweise dem Be­
wusstsein eines Menschen und der
individuellen Psychodynamik (Gedan­
ken, Gefühle, Wahrnehmungen), die
innerpsychisch abläuft
• dem sozialen System (zum Beispiel
einem Unternehmen) mit seinen Spiel­
regeln und Kommunikations- sowie
Entscheidungsmustern.
Alle drei Systeme sind autopoietische
Systeme. Sie haben klare Grenzen nach
außen, erhalten sich selbst und können
nicht von außen im Sinne einer Ursache-
Wirkungs-Beziehung beeinflusst werden.
Aber Berater sind nicht deshalb noch
lange nicht ohnmächtig. Simon hat 20
„Rezepte“ für sie:
Rezept
Nr. 1
Wenn Du hörst, wie Worte verwendet wer-
den, denke nie, Du wüsstest, was der Spre-
cher damit meint.
Berater und Coachs sollten ihren Klienten
(durch Fragen) signalisieren, dass sie an
ihnen interessiert sind. Sie sollten sich
aber nicht einreden, sie würden sie ver­
stehen. Jeder Mensch trifft Unterschei­
dungen und kreiert dadurch Einheiten.
Wenn der Klient erklärt, „erfolgreicher“
werden zu wollen, so könnte der Berater
nach der Innenseite der Unterscheidung
fragen („Woran würden Sie das merken,
dass Sie erfolgreicher sind?“). Oder er
könnte nach der Außenseite fragen und
sich dafür interessieren, was im Zustand
des Erfolgs nicht mehr der Fall wäre
(„Was wäre weg, wenn Sie mehr Erfolg
hätten?“). Die Forderung an den Berater
Foto: Pichler
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