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wirtschaft + weiterbildung
06_2018
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Um in einem Unternehmen von einer „richtigen“
Personalstrategie zu sprechen, braucht es wahrscheinlich
eine „kritische Masse“ an Beschäftigten, für die sich der
Aufwand überhaupt lohnt. So finden sich in der Best-Practice-
Datenbank der INQA vornehmlich „Insellösungen“, das heißt,
ein Handwerksbetrieb hat ein bestimmtes Problem, etwa
mit dem Krankenstand, und steuert mit einer Maßnahme im
Bereich Gesundheitsmanagement gegen. Wie hoch ist Ihrer
Einschätzung nach dagegen der Anteil mittelständischer
Unternehmen, die wirklich eine umfassende Personalstrategie
inklusive der Themen Führung, Diversity, Gesundheit,
Kompetenzentwicklung praktizieren?
Block:
Der Anteil ist eher gering und steigt, wie Sie richtig ver-
muten, mit der Unternehmensgröße stark an. Dennoch beo-
bachte ich auch bei kleineren Unternehmen ein gestiegenes
Interesse an Personalthemen, was sicherlich stark mit dem
Fachkräfte- und Nachfolgemangel in einigen Branchen zusam-
menhängt. Die Stärke des Mittelstands liegt meines Erachtens
auch weniger darin, eine ausgefeilte formalisierte Personalstra-
tegie zu haben. Das haben sicherlich die wenigsten und dazu
würde ich einem kleinen Handwerksbetrieb auch nicht unbe-
dingt raten. Der Mittelstand ist stark darin, die Probleme und
Bedürfnisse seiner Mitarbeiter genau zu kennen und im Einzel-
fall schnelle und flexible Lösungen zu finden. Dazu braucht es
jedoch eine Unternehmensführung, die sich mit Personalthe-
men auseinandersetzt und nah an den Bedürfnissen der Mit-
arbeiter dran ist. Das ist in vielen mittelständischen Unterneh-
men der Fall. Wenn dann auch noch die Unternehmensführung
mit dem Inhaber identisch ist, sind die Voraussetzungen für
eine gute und wirksame Personalstrategie günstig.
Wie kann ein mittelständischer Unternehmer vorgehen, der
seine Personalarbeit von jetzt an strategisch aufstellen will?
Block:
Im ersten Schritt gilt es, eine Unternehmensstrategie zu
entwickeln. Das klingt trivial. Aber ich stelle in Gesprächen mit
Mittelständlern oft fest, dass hier noch große Lücken bestehen
und man sich vor lauter Tagesgeschäft die Frage oft gar nicht
stellt, wie das Unternehmen in 20 Jahren aufgestellt sein soll.
Das Entwickeln einer solchen Unternehmensstrategie braucht
meines Erachtens nicht ein formalisierter komplizierter Pro-
zess zu sein. Es genügt, sich einfach einmal grundlegend zu
fragen, wie man das Unternehmen weiterentwickeln möchte
und welche Mitarbeiterkompetenzen und -fähigkeiten dafür
nötig sind. Im zweiten Schritt sollte dann ermittelt werden,
welche Kompetenzen und Fähigkeiten aktuell vorhanden sind
und wo eventuell noch Lücken bestehen. Diese gilt es dann
aufzufüllen, sei es über Weiterbildung, Neueinstellungen oder
andere Maßnahmen.
Seit einigen Jahren entstehen im Mittelstand Netzwerke und
Kooperationen, von denen auch das HR-Management
profitiert – beispielsweise wenn Industriebetriebe in einer
Region sich gegenseitig Fachkräfte ausleihen oder gemein-
same Entwicklungsprojekte oder Weiterbildungsmaßnahmen
starten. Ist das die Zukunft?
Block:
Das können im Einzelfall gute Ansätze sein. Es darf
jedoch nicht davon ablenken, dass sich jedes Unternehmen
selbst Gedanken machen muss, welches Personal es heute und
in Zukunft benötigt. Die Zusammenarbeit in Netzwerken und
Kooperationen kann sicher helfen, Kosten zu senken, die Min-
destgröße zu erreichen und für Fachkräfte als attraktiver wahr-
genommen zu werden. Es senkt auch das Risiko einer Fehlpla-
nung – für das Unternehmen und für die Fachkraft. Man darf
jedoch auch nicht vergessen, dass solche Kooperationen und
Netzwerke gepflegt werden müssen und allen Partnern Vorteile
bringen müssen. Das kann im Einzelfall bei diver-
gierenden Interessen auch mal schwierig sein und
zu hohen Transaktionskosten führen.
Es gibt viele Initiativen von Ministerien,
Kammern, Verbänden und Kommunen, die den
Mittelstand durch Information, Beratung und
Imagebildung unterstützen sollen. Das
Angebot an Best-Practice-Wettbewerben ist kaum noch zu
überschauen. Kommen diese Hilfen wirklich bei den
Unternehmen an? Anders gefragt: Was nützt mir eine schöne
Auszeichnung als Vorzeigemittelständler, wenn ich konkret
einen Nachfolger in der Geschäftsführung suche oder eine
Fachkraft, die meine Maschinen bedient?
Block:
Das stimmt zum Teil. Man sollte sicher kritisch prüfen,
an welchemWettbewerb man teilnimmt und welche Auszeich-
nung zu einem passt. Die Teilnahme an solchen Wettbewerben
und Auszeichnungen ist ja mit zeitlichem Aufwand verbunden
und führt damit auch zu Kosten. Andererseits muss man sich
als Mittelständler mitunter schon etwas einfallen lassen, um
gute Mitarbeiter beziehungsweise Nachfolger zu gewinnen,
und da kann eine wohlverdiente und authentische Auszeich-
nung schon ein hilfreiches Signal sein.
Viele Untersuchungen zeigen, dass Mitarbeiter, insbesondere
der Generation Y, ihren Arbeitgeber nicht ausschließlich nach
der Höhe des Gehalts auswählen, sondern auch „weiche“ Kri-
terien wie zum Beispiel das Thema „Work-Life-Balance“ oder
spannende Arbeitsinhalte eine wichtige Rolle spielen. Gerade
hier können Auszeichnungen durch Wettbewerbe et cetera
ein wichtiges Signal darstellen. Dieses sollte aber authentisch
sein und zum jeweiligen Unternehmen passen. Alles andere
ist nicht glaubwürdig – das wird auch von den Mitarbeitern
erkannt.
Welche Erwartungen haben Sie beim Thema
Mittelstandspolitik an die neue Bundesregierung?
Block:
Die Politik muss verstehen, dass der Mittelstand in
puncto Größe und Eigentümerstruktur sich von anderen Be-
reichen der Wirtschaft unterscheidet und deshalb mitunter
auch andere Bedürfnisse hat. Daraus sollte sich eine pragma-
„Die HR-Maßnahmen der Großunternehmen
auf den Mittelstand zu übertragen, wird nicht
funktionieren. Der Mittelstand muss seine
eigenen Wege gehen.“