titelthema
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wirtschaft + weiterbildung
06_2018
Ein System ist dann funktionell, wenn es
für sein Überleben sorgt. Ein System sorgt
in der Regel aus einer inneren Logik he
raus dafür, dass es immer weitergeht mit
dem System.
Rezept
Nr. 10
Wenn die System-Umwelt-Beziehung das
Überleben (den „Erfolg“) des Systems
bedroht, finde heraus, was leichter zu
ändern ist: die jeweilige Umwelt oder das
jeweilige System (seine Strukturen, Pro-
zessmuster, Kommunikationsmuster … ).
Wer passt sich wem mehr an?
Es gibt immer zwei Möglichkeiten der
Intervention. Ein Beispiel: Ein Unterneh
men (soziales System) kann durch Wei
terbildung in die Psyche der Mitarbeiter
(sie ist ein autopoietisches System) inves
tieren – verbunden mit der Hoffnung,
dass dann das Unternehmen besser
funktioniert. Ob dieser Einfluss wirklich
existiert, ist laut Simon zweifelhaft. Stu
dien zeigen, dass rund 20 Prozent der
Mitarbeiter ihr Verhalten ändern müs
sen, bevor sich in der Organisation selbst
etwas ändert. Eine direkte Intervention
in das soziale System durch Verände
rung der Kommunikationsabläufe könnte
schnelleren und größeren Erfolg zeigen.
Rezept
Nr. 11
Um die Rationalität eines sozialen Systems
zu erkennen, schaue, welche Probleme (für
wen/was genau) durch seine Existenz gelöst
werden. Es gilt: Soziale Systeme sind immer
problemdeterminiert. Sie bilden sich um ein
R
Problem, das sie lösen sollen. Das Problem,
das sie gerade lösen, ist nicht immer das,
was offiziell ausgeflaggt wird.
Probleme sind so etwas wie ein Kristalli
sationskern, um den herum sich soziale
Systeme bilden. Manche Organisationen
leben weiter, obwohl ihre Existenzgrund
lage (das zu lösende Problem) im Laufe
der Zeit weggefallen ist. Sie lösen jetzt
notgedrungen ein anderes Problem und
entwickeln andere Lösungsroutinen.
Rezept
Nr. 12
Entscheide Dich beziehungsweise kläre, wie
die Prioritäten zu setzen sind (Bewertung):
Geht es in einem sozialen System um das
Wohl und die Interessen von Personen?
Oder geht es um das Erreichen sachlicher
Ziele? Frage Dich: Welche Funktion (Frage
nach dem „Wozu?“) soll das System erfül-
len?
Soziale Systeme werden von Simon da
nach unterschieden, ob eine lose oder
feste Kopplung von Aktionen (Prozess
muster) vorliegt oder ob es sich zentral
um eine lose oder feste Kopplung von
Akteuren (Beziehungsmuster) handelt.
Im ersten Fall handelt es sich um „sach
orientierte Systeme“ (eher keine emotio
nale Bindung, Akteure sind austauschbar,
Muster und Spielregeln sind geordnet und
vorhersehbar). Im zweiten Fall handelt es
sich um „personenorientierte Systeme“
(emotionale Bindung zwischen Personen,
Akteure begrenzt austauschbar, Muster
und Spielregeln relativ flexibel).
Rezept
Nr. 13
Zur Einschätzung Deiner Handlungsmög-
lichkeiten gehört es, die Machtbeziehungen
innerhalb des Systems, mit dem Du inter-
agierst, einzuschätzen. Macht/Einfluss/
Wichtigkeit gewinnt, wer beziehungsweise
wessen Funktion nicht austauschbar ist.
Macht ist eine spezielle Form einer asym
metrischen Beziehung. Derjenige, der in
einer Beziehung weniger austauschbar
ist, ist der relativ mächtigere. Formale
Macht ist nur ein Aspekt. Sekretärinnen
oder IT-Leiter haben oft mehr Macht als
der Geschäftsführer. Macht ist immer nur
relativ zu sehen. Machtbeziehungen zu
analysieren, ist wichtig, wenn man als
Berater das Zustandekommen von Ent
scheidungen verstehen will. Das Thema
Macht kann bei der Betrachtung eines
Unternehmens nie ungestraft vernachläs
sigt werden. Im Umkehrschluss gilt: Ein
Unternehmen darf sich nie von einzelnen
Mitarbeitern abhängig machen.
Rezept
Nr. 14
Fokussiere Deine Aufmerksamkeit in perso-
nenorientierten Systemen auf die interper-
sonellen Beziehungen. Betrachte sachliche
Inhalte der Kommunikation und Konflikte
als Ausdruck des Aushandelns der Bezie-
hung der Beteiligten.
Aus der Theorie heraus intervenieren
Praxis.
Techniken vom „Zirkulären Fragen“ bis zur „Aufstellungsarbeit“
sollten nicht zufällig zum Einsatz kommen, sondern eine vielschichtige
theoretische Basis haben - vom Konstruktivismus über Musterbildung
und Auftragsklärung bis hin zu einer passenden Architektur.
Quelle: Simon, Weber and Friends
Interventionstechniken
„Anschlussfähige Irritation“
Interventionsgestaltung
„Design“ und „Architektur“
Interventionsprinzipien
„Anwalt der Ambivalenz“
Interventionsbasis
Kontext-/Auftragsklärung
Interventionsfokus
Musterbildung
Interventionstheorie
Systemisches Paradigma
Konstruktivismus
Buchtipp.
Fritz B. Simon: „Formen“,
Carl-Auer Verlag, Heidelberg, März
2018, 317 Seiten, 54 Euro