wirtschaft und weiterbildung 6/2018 - page 14

menschen
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wirtschaft + weiterbildung
06_2018
INTERVIEW.
Dem Mittelstand geht es gut – vielleicht zu
gut? Volle Auftragsbücher könnten dafür sorgen, dass
strategische Themen wie die Digitalisierung und New
Work verschlafen werden. Ein Gespräch mit dem
Mittelstandsforscher Jörn Hendrich Block bringt Klarheit.
Die Mittelstandsforschung hat eine lange Tradition in
Deutschland. Erst kürzlich feierte das „Institut für
Mittelstandsforschung Bonn“ sein 60-jähriges Bestehen.
Es wurde im Jahr 1957 auf Initiative Ludwig Erhards von
der Bundesrepublik Deutschland und vom Land Nordrhein-
Westfalen als Stiftung des privaten Rechts gegründet. Welche
Schwerpunkte prägen aktuell die Mittelstandsforschung?
Jörn Hendrich Block:
Das lässt sich nur schwer zusammenfas-
sen, da es ja „die“ Mittelstandsforschung so nicht gibt. Seit
ihren Anfängen hat sich die Mittelstandsforschung sehr stark
in Teilbereiche ausdifferenziert, wie KMUs, Start-ups, Entre-
preneurship, Hidden Champions, Selbstständigkeit und Famili-
enunternehmen. In jedem dieser Teilgebiete gibt es wiederum
eigene Schwerpunkte.
Können Sie ein Beispiel herausgreifen?
Block:
Im Bereich Familienunternehmen, die ja einen Großteil
des Mittelstands in Deutschland ausmachen, gibt es aktuell
viel Forschung rund um das Thema Innovation und Wandel
in Familienunternehmen. Das Thema ist aus praktischer wie
aus wissenschaftlicher Perspektive gleichermaßen spannend,
da Familienunternehmen, wie andere Unternehmen auch,
aufgrund vielfältiger technologischer und gesellschaftlicher
Trends zum Wandel angehalten oder sogar gezwungen sind.
In wissenschaftlicher Hinsicht ist es spannend zu sehen, wie
Familienunternehmen, die oft viel Wert auf Tradition, Langfris­
Foto: Robert Kneschke / AdobeStock
Neues vom Mittel-
standsforscher
tigkeit und generationenübergreifendes Handeln legen, mit
diesem Wandel umgehen und die Herausforderungen meistern
– oder eben auch nicht. Im Bereich Selbstständigkeit und En-
trepreneurship liegt ein Schwerpunkt der Forschung auf neuen
Formen von Selbstständigkeit wie Teilzeitselbstständigkeit
oder Social Entrepreneurship. Beide Phänomene gewinnen
aufgrund einer veränderten Berufswelt und sich verändernden
Berufs- und Lebenszielen – Stichwort Generation Y – vermehrt
an Bedeutung und lassen sich mit der Forschung zu „klas-
sischem“ Unternehmertum beziehungsweise zur klassischen
Vollzeitselbstständigkeit nicht gut erklären.
Die Themen Digitalisierung und Industrie 4.0 fehlen in keinem
Tagungsprogramm zum Personalmanagement. In der Regel
sind es Konzerne, die die Diskussion anführen: Sie flankieren
technologische Innovationen mit HR-Maßnahmen, um
sicherzustellen, dass der Mensch der Technologie gewachsen
bleibt. Können mittelständische Unternehmen in diesem
Prozess Schritt halten?
Block:
Die Frage ist ja nicht, ob sie es können. Sie müssen es.
Andernfalls werden sie mittel- bis langfristig vom Markt ver-
schwinden beziehungsweise an Bedeutung verlieren. Auch die
vermeintlich sicheren Nischen – Stichwort Hidden Champions
– bieten da keinen Schutz. Die aktuell gute Konjunktur ist für
die Bewältigung eines solchen Wandels leider nicht nur förder-
lich, vielleicht ist sie sogar trügerisch. Ich beobachte, dass viele
Mittelstand.
Etwa 70.000 deutsche Unter-
nehmen werden dem sogenannten Mittel-
stand zugerechnet. Ein branchenübergrei-
fendes Kennzeichen der Mittelständler
sind leistungsorientierte Mitarbeiter, die
hohe Anforderungen an sich und ihre
Teamkollegen stellen.
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