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wirtschaft + weiterbildung
07/08_2018
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strotzt, gönnen. Und als Selbstständiger,
dessen Schläfen schon graue Haare zie-
ren? Als solcher sollten Sie zumindest
darauf hinarbeiten, dass Sie eine Auszeit
von sechs Wochen pro Jahr haben – ge-
rade, weil Sie ansonsten vermutlich eine
50plus-Stunden-Woche haben. Denn ma-
chen wir uns nichts vor: Das Energie-Le-
vel von „Silber-Füchsen“ ist niedriger als
vor 20 oder 30 Jahren. Sie brauchen län-
gere Regenerationszeiten – selbst wenn
sie die Jungen leistungsmäßig, was die
Input-Output-Relation betrifft, noch lo-
cker in die Tasche stecken, aufgrund ihrer
Routine und Erfahrung.
Unternehmerurlaub in Preise
einkalkulieren
Sie sagen, Sie könnten sich vier bezie-
hungsweise sechs Wochen Urlaub pro
Jahr nicht leisten – wegen des Verdienst-
ausfalls? Dann befindet sich Ihr Unter-
nehmen entweder noch in der Aufbau-
phase oder Sie haben etwas falsch ge-
macht! Denn grundsätzlich sollten Ihre
Preise und Umsätze so kalkuliert sein,
dass Sie sich den verdienten Urlaub pro-
blemlos gönnen können. Wenn Sie Mitar-
beiter einstellen, kalkulieren Sie deren Ur-
laub doch auch ein. Warum tun Sie dies
für sich als Unternehmer nicht?
Schwerer wiegt das Argument vieler
Selbstständiger, insbesondere von Klein-
oder Einzelunternehmern: Ich kann nicht
zwei, drei Wochen am Stück in Urlaub
fahren, denn bei meinen Kunden gibt es
immer wieder Notfälle. Das ist zum Bei-
spiel bei einem Unternehmer so, der mit
seinen Mitarbeitern Aufzüge in Hochhäu-
ser einbaut und wartet. Wenn in einem
Hochhaus der Aufzug ausfällt, muss bin-
nen ein, zwei Stunden jemand da sein,
der ihn repariert. Ebenso verhält es sich
bei vielen IT-Dienstleistern. Wenn bei
deren Kunden das Computersystem nicht
funktioniert, ist nicht selten der gesamte
Betrieb lahmgelegt. Also muss auch hier
ein Notdienst existieren. Doch muss dies
stets der Firmeninhaber sein? Genügt es
nicht, wenn er in absoluten Notfällen
telefonisch erreichbar ist oder sich bei
Bedarf in das System aus der Ferne ein-
loggen kann? Kann ansonsten in Notfäl-
len nicht ein erfahrener Mitarbeiter als
Stellvertreter fungieren oder ein ande-
rer Dienstleister, mit dem der Anbieter
kooperiert – gemäß dem Motto: „Wenn
Du in Urlaub bist, vertrete ich Dich und
umgekehrt“? Als Unternehmer muss man
auch mal loslassen können.
Echte Notfälle bei Kunden sind
sehr, sehr selten
Für die meisten Selbstständigen gilt je-
doch: Bei ihren Kunden gibt es eigentlich
keine echten Notfälle! Wenn bei ihnen
etwas sehr eilig und dringlich ist, dann
liegt das meist an ihrer schlechten Pla-
nung. So ist dies zum Beispiel in meinem
Beratungs-Business: der Marketing-Un-
terstützung. Hier gilt: Wenn ein Unter-
nehmen im Marketing-Bereich jahrelang
schlief (und dies überlebte), dann kann
es auch noch zwei, drei Wochen länger
schlafen. Und wenn eine Webseite seit
Jahren ungepflegt ist, dann hat es auch
noch zwei, drei Wochen Zeit, bis diese
ein „Facelifting“ erfährt oder für Suchma-
schinen optimiert wird.
Hier kann der Apell nur lauten: „Unter-
nehmer, erzieht Eure Kunden.“ Macht
ihnen klar, dass Ihr zwar ihr Dienstleister,
doch nicht Ihr Sklave seid. Bezogen auf
den verdienten Urlaub hat sich in mei-
nem Betrieb zum Beispiel folgendes Vor-
gehen bewährt:
• Ich informiere meine Stamm- bezie-
hungsweise Schlüsselkunden bereits zu
Jahresbeginn darüber, wann ich im Ver-
lauf des Jahres (voraussichtlich) länger
als drei, vier Tage Urlaub mache (für ihre
Planung).
• Ich sende ihnen, da die meisten Kun-
den vergesslich sind, drei, vier Wochen
vor dem Urlaub nochmals eine Erinne-
rungsmail (für den Fall, dass sie noch
etwas Dringliches haben).
Doch wenn ich in Urlaub bin, dann bin
ich auch wirklich weg – also für meine
Kunden nicht erreichbar (jedoch im Be-
darfsfall für meine Mitarbeiter). Und
wenn Kunden dann doch (meist aufgrund
ihrer schlechten Planung) etwas Dringli-
ches haben? Dann müssen sie eben mit
einem Mitarbeiter von mir vorlieb neh-
men oder warten. Probleme hatte ich des-
halb noch nie!
Kunden möglichst selten
Handynummer geben
Grundsätzlich sollten Sie sich als Selbst-
ständiger sehr genau überlegen, wem
Sie Ihre Handynummer geben. Denn mit
dem Besitz der Handynummer ist meist
die Erwartung verknüpft: Mein Dienst-
leister ist rund um die Uhr erreichbar
beziehungsweise ruft rasch zurück – und
zwar 365 Tage im Jahr. Auch diesbezüg-
lich gilt: Sie sollten Ihre Kunden erziehen!
Wenn Sie ohnehin von Montag bis Freitag
im Schnitt 12 Stunden pro Tag sowie teils
samstags im Büro sitzen, dann haben
Ihre Kunden mehr als genug Zeit, Sie zu
erreichen. Dann müssen Sie ihnen nicht
auch noch Ihre (private) Handynummer
geben, damit sie Sie auch noch nachts im
Schlaf stören können. Ansonsten machen
Sie sich zum Sklaven Ihrer Kunden, von
denen manche zwar viel von einem wert-
schätzenden Umgang schwatzen – doch
nur, solange es um ihre Bedürfnisse geht.
Bei ihrem Umgang mit Dienstleistern ist
von Wertschätzung wenig zu spüren.
Wer auch mal „Nein“ sagt,
wird mehr gewertschätzt
Angst, dass Sie Kunden verlieren, weil
Sie zu Kundenanliegen auch mal „Nein“
sagen, müssen Sie nicht haben. Zwar
kann es sein, dass Sie – wenn Sie sich
zum Beispiel den „Luxus“ gönnen, zwei
Mal pro Jahr für zwei Wochen in Urlaub
zu fahren – von einem Kunden einen
Bernhard Kuntz
ist Geschäftsfüh-
rer der Profilbera-
ter GmbH, Darm-
stadt, die Trainer,
Berater und Coachs bei der Vermark-
tung ihrer Person und Organisation
unterstützt. Er ist Autor der Marketing-
und PR-Ratgeber „Die Katze im Sack
verkaufen“, „Fette Beute für Trainer
und Berater“ sowie „Warum kennt den
jeder?“.
Die Profilberater GmbH
Eichberg 1, 64285 Darmstadt
Tel. 06151 89659-0
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