Wirtschaft- und Weiterbildung 7-8/2018 - page 49

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wirtschaft + weiterbildung
07/08_2018
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blem, dass der Wille zur Problemlösung
fehlt. Der Einzelne kann nicht mehr
„über seinen Schatten springen“, dies ist
erst (wieder) möglich, wenn die Verlet-
zungen „behandelt“ wurden und „aus-
heilen“ konnten. Um dafür den Boden zu
bereiten, ist professionelle Konfliktmode-
ration ein praxisbewährter Weg.
In aller Regel wird der Konfliktmoderator
als Helfer erlebt und auch so behandelt.
Seine Bereitschaft zu helfen, dass „es
wieder besser wird” oder sich zumindest
„die Situation klärt”, damit man weiß,
wo man steht und (für sich) entscheiden
kann, wie es weitergehen soll, wird von
den Workshopteilnehmern in der Regel
mit Mitarbeit belohnt. Da der Konflikt-
moderator andererseits geradezu darauf
aus ist, verborgene Gefühle zutage zu för-
dern und emotionale Kratzer, Narben und
Wunden offenzulegen, kann es natürlich
auch zu „Gefühlsausbrüchen” kommen,
die sich in ganz unterschiedlicher Form
zeigen können. Der Konfliktmoderator
muss wissen, wie er mit schwierigen Si-
tuationen umgehen kann. Jemand ver-
weigert sich oder zieht den Moderations-
prozess ins Lächerliche. Ein Teilnehmer
hat einen Weinkrampf, rennt raus, macht
dem Moderator Vorwürfe oder droht
sogar.
Im Folgenden wird das professionelle
Verhalten eines Moderators skizziert, das
sich in folgenden Situationen bewährt hat
(das Wissen um ein mögliches Vorgehen
ersetzt nicht dessen Erlernen im Rahmen
einer soliden Ausbildung):
1. Angriff auf das „Setting”.
In der Kon-
fliktmoderation arbeitet man im offe-
nen Stuhlkreis. Wenn Aussagen kom-
men wie „Wo sind die Tische?” oder
„Ich brauche einen Tisch!” ist eine
mögliche Reaktion:
Der Moderator sagt in ruhigem Ton:
• „Wir arbeiten ohne Tische!”, „Wir be-
nötigen momentan keine Tische!”
• „Ich kann Ihnen nur dieses Vorgehen
anbieten. Ich arbeite so. Das ist meine
Arbeitsweise.“
• „Ich habe damit gute Erfahrungen ge-
macht.”
• „Ich schlage vor, Sie probieren es jetzt
einfach mal so – o. k.?”
2. Verweigerung.
Es kommt vor, dass Teil-
nehmer Angst haben, sich zu öffnen.
Dann kommen Aussagen, wie „Dazu
sage ich nichts!” oder „So ins Private
hinein gebe ich keine Auskunft!”.
Mögliche Reaktion:
• Zulassen; Nicht hinterfragen. Gege-
benenfalls kurz den Unterschied zwi-
schen persönlich und privat erläutern:
„Nein, über Privates müssen Sie selbst-
verständlich keine Auskunft geben.
Was Ihre ganz persönliche Sicht der
Dinge für unser Thema betrifft, das ist
natürlich schon wichtig.“
• Angebot machen: „Dann arbeite ich
jetzt erst mal mit Frau B und wenn Sie
dann doch was sagen möchten, tun Sie
das einfach.”
• Ausführliche Selbstklärung mit Partei B
machen (bis A sich wieder einklinkt)
bzw. nach einigem zeitlichen Abstand
erneut einbeziehen, „als wäre nichts
gewesen”.
3. Ins Lächerliche ziehen.
Unsicherheit
führt oft zu überheblichem Verhalten.
Da kann es sein, dass jemand sich über
den Moderator und/oder das Vorgehen
lächerlich macht.
Mögliche Reaktion:
• Annehmen, ernst nehmen: „Aha, so
sehen Sie das!“
• „Tja, ich habe nur diese Möglichkeit,
Ihnen zu helfen.” „Das können Sie jetzt
nutzen oder wir lassen es.“
• Notfalls: „hineingehen“: „Ich verstehe
nicht, was Sie mir jetzt eigentlich sagen
wollen!”/„Ich glaube ich habe Sie noch
nicht verstanden. Was ist es, was Sie
mir sagen wollen?”/„Ich möchte Ihr
Anliegen gerne verstehen, was ist es,
was Sie jetzt brauchen?” Die Strategie
ist, jemanden „nicht ernst nehmen,
sondern wörtlich”!
4. Ablehnung der Technik des „Doubelns“.
Das Doubeln ist eine Technik, bei der
der Konfliktmoderator etwas anstelle
eines Teilnehmers für diesen sagt, also
diesen „doubelt“. Mag sein, jemand
lehnt es mit den Worten „Mich muss
man nicht übersetzen“ ab, direkt ge-
gedoubelt zu werden, dann wäre eine
mögliche Reaktion:
• Einfühlsames Nachsetzen: „Ja, Sie
sprechen sehr verständlich, ich würde
trotzdem gerne einen Aspekt anspre-
chen, der uns weiterbringen könnte –
darf ich?“
• Die Ablehnung – spätestens bei der
zweiten Ablehnung – ohne Kommentar
hinnehmen und den Teilnehmer indi-
rekt Doubeln.
5. Die „Teamskizzen“
bringen keine re-
levanten Informationen, sodass auf
dieser „Datenbasis“ ein Klären der Si-
tuation nicht möglich ist. Die Themen-
sammlung am Anfang der Konfliktmo-
deration kann nur durch das Benennen
von Themenwünschen durch die Teil-
nehmer erfolgen. Was tun, wenn diese
sich noch bedeckt halten?
Mögliche Reaktion:
• Die Situation annehmen und arbeiten,
so gut es eben geht.
• Nach Abschluss der geplanten, ersten
Klärungsrunde die Situation anspre-
chen: „Haben Sie das Gefühl, dass alles
auf den Tisch kam, was auf den Tisch
gehört?“, „Konnten wir alles klären,
was zu klären war?“, „Wie viel Prozent
von dem, was es zu besprechen gilt,
haben wir jetzt bearbeitet?“
• Gegebenenfalls eine zweite Runde an-
leiten.
• Wenn der Widerstand anhält, die
Ängste annehmen und den Teilneh-
mern über ein „Wünsche wünschen“
eine weniger tiefe Klärung ermögli-
chen.
6. Weinkrampf eines Teilnehmers.
Je-
mand gestattet sich im Rahmen der The-
menbearbeitung nicht zu weinen, aber
das Weinen ist stärker. Es kommt zu
einem Weinkrampf.
Buchtipp.
Josef W. Seifert: „Konfliktmode-
ration – ein Leitfaden zur Konfliktklärung“,
Gabal Verlag, Offenbach 2018, 3. überar-
beitete Auflage, 155 Seiten, 19,90 Euro.
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