Wirtschaft- und Weiterbildung 7-8/2018 - page 28

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wirtschaft + weiterbildung
07/08_2018
titelthema
kussionen geht es immer nur um die Ge­
sundheitskosten und nicht um die wahre
Ursache, nämlich die schlechten Arbeits­
bedingungen wie zu lange Arbeitszeiten,
zu wenig Kontrolle im Job und Probleme
bei der Vereinbarkeit von Job und Fami­
lie.
Und das wollen Sie mit Ihrem Buch
ändern?
Pfeffer:
Ich hoffe zumindest, dass ich
damit Diskussionen auslöse und die
menschliche Gesundheit stärker in den
Fokus rückt. Es gibt zwar unzählige Bü­
cher, die den Zusammenhang von guter
Führung und Profit thematisieren, aber
keines, dass kohärent und konsequent
den Zusammenhang von Gesundheit und
Profit analysiert.
Also geht es wieder ausschließlich um
Profit?
Pfeffer:
Der enorme Kostendruck auf­
grund der steigenden Gesundheitskosten
lässt sich nur verringern, wenn man die
Arbeitsbedingungen verbessert. Mana­
ger müssen einfach begreifen, dass Un­
ternehmen daher mehr Verantwortung
für die Gesundheit ihrer Mitarbeiter
haben als der Hausarzt. Die Folgen sind
schon heute dramatisch. In den letzten
zwei Jahren ist die durchschnittliche Le­
benserwartung der Amerikaner erstmals
gesunken. Und die Ungleichheit steigt.
In Ihrem Buch stehen wirklich sehr
schockierende Zahlen. Laut Schätzungen
könnten schlechte Arbeitsbedingungen
in den USA für den Tod von 120.000
Menschen pro Jahr verantwortlich sein
– was den Arbeitsplatz zur fünftgrößten
Todesursache machen würde. Welche
Faktoren sind denn besonders
belastend?
Prof. Dr. Jeffrey Pfeffer:
Laut unseren
Schätzungen steht das Fehlen einer Kran­
kenversicherung mit 50.000 Todesfällen
an erster Stelle, gefolgt von Arbeitslosig­
keit mit 35.000 Fällen und allgemeiner
Jobunsicherheit mit 29.000 Fällen. Bei
den zusätzlichen Gesundheitskosten pro
Jahr verteilt sich das anders. Da stehen
hohe Jobanforderungen mit 46 Milliarden
Dollar an erster Stelle, die fehlende Kran­
kenversicherung liegt bei 40 Milliarden
Dollar.
Dennoch sind auch viele amerikanische
Arbeitnehmer vehement gegen eine
Krankenversicherung. Können Sie das
erklären?
Pfeffer:
Das verstehe ich ehrlich gesagt
auch nicht. Sie verbinden eine Kranken­
versicherung irgendwie mit Sozialismus
und das passt nicht zu den amerikani­
schen Werten.
Aber letztlich zahlen doch auch die
Unternehmen drauf ...
Pfeffer:
Wir befinden uns in einer Situa­
tion, in der beide Seiten nur verlieren. Die
Arbeitgeber durch kranke und weniger
leistungsfähige Mitarbeiter und steigende
Kosten und die Mitarbeiter durch ihre
ruinierte Gesundheit. Aber in den Dis­
Ein normaler Arbeitsplatz
als Todesursache!
BUCHTIPP.
In seinem neuen Buch analysiert Professor Jeffrey Pfeffer die gesundheitli-
chen Folgen von zu viel Stress am Arbeitsplatz und erklärt, warum selbst High Potentials
im Job ihre Gesundheit ruinieren. Pfeffer ist Professor für Organizational Behavior an der
Graduate School of Business der Stanford University, wo er seit 1979 lehrt. Er gilt als
ausgesprochener Querdenker unter den weltweit führenden Management-Vordenkern.
Foto: Stanford University
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