Wirtschaft- und Weiterbildung 7-8/2018 - page 26

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wirtschaft + weiterbildung
07/08_2018
So geht Lernen mit Medien
Die Mediendidaktik erforscht das Lernen
und Lehren mit Medien. Seit es E-Lear-
ning gibt, müsste Mediendidaktik eigent-
lich die neue Leitwissenschaft der Wei-
terbildung sein. Aber leider beherrschen
zu viele Amateure die Branche. Prof. Dr.
Michael Kerres (Universität Duisburg/
Essen) gilt als der Gott der Mediendidak-
tik und die 5. Auflage seines Buchs „Me-
diendidaktik“ ist quasi die Bibel.
Mit ihr lassen sich überzogene Werbe-
versprechen von E-Learning-Anbietern
leicht entlarven. Gleichzeitig wird der
Leser in die Lage versetzt, eigene digitale
Lernangebote optimal zu erstellen. Kerres
bietet ein Online-Tool (Didaktik-Check),
mit dem man ein E-Learning-Konzept an-
hand von mehr als 100 Aspekten selbst
entwickeln beziehungsweise auf Sinnhaf-
tigkeit überprüfen kann. Ein Glossar lie-
fert zu allen ausgewählten Begriffen eine
kurze Definition. Wer sich ernsthaft und
jenseits aller Trends zum Beispiel mit der
Konzeption von Lernangeboten (Instruc-
tional Design) oder den „problemorien-
tierten Lehrmethoden“ beschäftigen will,
kommt an dem Buch nicht vorbei.
Gudrun Porath
freie Journalistin und
Haufe-E-Learning-Kolumnistin
Neues Führungskonzept
Die „Neue Autorität“ wird in der Be-
raterszene immer öfter als das „Füh-
rungskonzept der Zukunft“ diskutiert.
Geisbauer, ein erfahrener Vertreter des
Konzepts, erklärt in seinem Buch (Platz
drei in der Amazon-Bestsellerliste „Orga-
nisationspsychologie“) ausführlich, was
es damit auf sich hat: Autoritäre Führung
passt nicht mehr in die moderne Arbeits-
welt. Ganz ohne Führung geht es aber
auch nicht. Die Lösung heißt: „Neue Au-
torität“. Sie lässt sich nicht aus individu-
ellen Charakterstärken ableiten, sondern
aus der Art, wie Beziehungen gestaltet
werden. Die Beziehungsarbeit der Chefs
beschreibt Geisbauer durch sieben Ge-
gensatzpaare:
1.
Präsenz versus Distanz. Respekt entwi-
ckelt sich aus Nähe. Die Führungskraft
sagt: „Ich bin da und bleibe auch da
– bis eine gute Lösung gefunden ist.“
2.
Transparenz versus Abschottung.
Transparenz (bei Informationen) führt
zu gegenseitigem Vertrauen. Wenn alle
gleichzeitig mit relevanten Informatio-
nen ausgestattet sind, entsteht ein Re-
sonanzraum, der tragfähige Lösungen
im Team ermöglicht. Mauscheleien,
einsame Entscheidungen und Tabuzo-
nen bewirken das Gegenteil.
3.
Beharrlichkeit versus Dringlichkeit.
Über den konstruktiven Umgang mit
Zeit bekommen Führungskräfte von
den Mitarbeitern Autorität zugespro-
chen. Bei der „Neuen Autorität“ liegt
der Aufmerksamkeitsfokus auf län-
geren Zeiträumen und einer beharr-
lichen Zielorientierung.
4.
Entschiedenheit versus Dominanz. Die
Führungskraft achtet konsequent auf
die Einhaltung von Grenzen („Ich kann
und werde das nicht akzeptieren“).
Statt in einen Machtkampf einzustei-
gen, unterstreicht die Führungskraft le-
diglich, dass ein bestimmtes Verhalten
nicht toleriert wird. Führung leistet ge-
genüber destruktiven Mitarbeitern bei
Bedarf „gewaltfreien Widerstand“ (?),
verzichtet dabei aber auf Sanktionen.
5.
Selbstführung versus Kontrolle. Füh-
rungskräfte müssen sich selbst führen.
Dazu braucht es ein hohes Maß an Im-
pulskontrolle, an Reflexionen und an
Selbstbeherrschung.
6.
Deeskalation versus Eskalation. Kritik
kann als Lernchance wahrgenommen
werden oder als Kränkung. Führungs-
kräfte entscheiden durch ihr Verhalten,
ob Kritik in einen Konflikt mündet.
„Neue Autorität“ setzt auf eine lö-
sungsorientierte Kommunikation.
7.
Vernetzung versus Hierarchie. Füh-
rungskräfte arbeiten oft aus taktischen
Gründen gegeneinander. So bleibt eine
wichtige Ressource ungenutzt: der
Schulterschluss mit anderen Führungs-
kräften. Von kooperierenden Führungs-
kräften geht eine besondere Stärke aus.
Geisbauer liefert auch einen Leitfaden (12
Schritte), mit dem sich eine Führungskraft
ganz individuell der „Neuen Autorität“
annähern kann. Trainer können dem Buch
zudem eine Menge an Arbeitsmaterialien
entnehmen. Das Konzept der „Neuen
Autorität“ kommt aus der Pädagogik, um
Lehrern den Rücken zu stärken. Was sich
letztlich als Business-Variante etablieren
wird, sollte ein spannender Erfahrungs­
austausch ergeben. Stürzen wir uns in die
Arbeit: Die Prozesse in den Unternehmen
sind optimiert, jetzt bedeutet Organisati-
onsentwicklung, den „Aufbau von Bezie-
hungen“ zu unterstützen.
Dr. Barbara Heitger
Wien, Heitger Consulting, systemische
Beratung
Michael Kerres:
„Mediendidaktik – Konzeption und
Entwicklung digitaler Lernangebote“,
Walter de Gruyter Verlag, Berlin,
Boston 2018 (5. Auflage), 558 Seiten,
49,95 Euro
Wilhelm Geisbauer:
„Führen mit Neuer Autorität – Stärke
entwickeln für sich und das Team“,
Carl-Auer Verlag GmbH,
Heidelberg 2018, 166 Seiten,
19,95 Euro
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