training und coaching
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wirtschaft + weiterbildung
05_2017
Können Online-MBAs
KONTROVERSE.
Unsere Autorin Bärbel Schwertfeger hat sich sechs Fragen ausgedacht,
die sich um den Sinn des Online-Lernens beim MBA drehen. Zwei namhafte Vertreter sehr
angesehener europäischer Business Schools antworten pro und kontra.
wort zu formulieren. Somit steigt auch
die Qualität der geführten Diskussion.
Lassen sich persönliche Kontakte
wirklich durch Online-Kommunikation
ersetzen?
An der IE Business School bieten wir nur
sogenannte „blended“ Programme an. Sie
kombinieren Präsenzunterricht mit dem
Onlineunterricht. Dieses Modell erlaubt
es den Studenten, sich zunächst in der
realen Welt kennenzulernen und diese
persönlichen Beziehungen später auch
online weiterzuführen. Wir kennen die-
ses Phänomen wohl alle aus unserem Pri-
vatleben. Es gibt keine Probleme dabei,
eine Person persönlich kennenzulernen
und diese Bekanntschaft später online
zum Beispiel über Facebook zu pflegen.
Es ist jedoch um einiges schwieriger, eine
Beziehung mit einer unbekannten Per-
son über Facebook aufzubauen. Unsere
Erfahrung hat zudem gezeigt, dass der
Zusammenhalt der Studenten, die vor
allem online kommunizieren, unterein-
ander teilweise stärker ausgeprägt ist als
bei Präsenzstudenten.
Im Klassenzimmer hat der Professor alle
Teilnehmer im Blick und kann persönlich
auf sie eingehen. Wie soll das online
funktionieren?
Insbesondere in Videokonferenzen mit
zahlreichen Teilnehmern ist dies sehr
schwierig umzusetzen. Aus diesem
Grund haben wir bereits vor Jahren die
maximale Anzahl an Studenten im vir-
tuellen Hörsaal auf unter 40 Studenten
beschränkt. Dennoch wollten wir die
Interaktion insbesondere zwischen den
Professoren und den Studenten verbes-
sern. Aus diesem Grund haben wir den
sogenannten Wow Room entwickelt. Der
Wow Room besteht aus einer 15 mal drei
Meter großen Videowand und ermöglicht
somit dem Professor, alle Studenten auf
einmal im Blick zu haben – ganz wie in
einem traditionellen Hörsaal.
Welche Rolle spielen Moocs beim Online-
Unterricht?
Moocs sind eine exzellente Möglichkeit,
um das Konzept des „Flipping the class-
room“ zu implementieren, also sich das
notwendige Wissen zuerst online anzu-
eignen. Moocs sind in der Regel darauf
fokussiert, in effizienter Weise Theorie
zu vermitteln. Ihre Nutzung erlaubt es
somit, den Unterricht von unnötigen Vor-
trägen über die Theorie zu entlasten und
die gewonnene Zeit für Workshops oder
Falldiskussionen zu nutzen.
Ihre Prognose: Wie wird der MBA-Markt
in zehn Jahren aussehen? Werden die
Online-MBAs dominieren?
Meine Prognose für die Online-MBAs
ist, dass ihre Bedeutung in den nächsten
zehn Jahren signifikant zunehmen wird.
Diese Entwicklung können wir bereits in
den USA beobachten. Und der Trend wird
sich auch in Europa und später auch in
Asien fortsetzen. Ich denke jedoch nicht,
dass sie den MBA-Markt dominieren wer-
den. Es gibt noch immer eine große An-
zahl von Studenten, die nicht nur einen
MBA „studieren“, sondern auch „erle-
ben“ wollen. Für sie ist das Studium im
Ausland oder auch einfach „eine Auszeit
nehmen“ ein wichtiger Faktor in der Ent-
scheidung, einem MBA nachzugehen.
Prof. Dr. Martin Boehm.
Dean der IE Busi-
ness School in Madrid
Beim MBA spielt das Lernen der Teilneh-
mer voneinander eine wichtige Rolle.
Wie gut funktioniert das online?
Wir an der IE Business School nutzen
zwei Formate für die Interaktion online:
Videokonferenzen und Foren. Die Video-
konferenzen bieten den Vorteil einer In-
teraktion ähnlich wie in der realen Welt.
Die Foren bieten ein höheres Maß an
Flexibilität, da nicht alle Teilnehmer des
Kurses immer zur gleichen Zeit verbun-
den sein müssen. Unsere Erfahrung zeigt,
dass diese Formen der Online-Interaktion
teilweise der Interaktion in der realen
Welt sogar überlegen sind. Online-Foren
bieten zum Beispiel die Möglichkeit, viel
tiefer in die Thematik einer Falldiskussion
einzusteigen. Studenten haben Zeit zu re-
cherchieren, um eine qualifiziertere Ant-
Pro