training und coaching
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wirtschaft + weiterbildung
09_2017
Das ist für mich ein klares Auswahlkri-
terium. Dazu muss dieser aber zunächst
einmal die Herausforderungen des Unter-
nehmens genau kennen, sei es auf dem
Markt oder intern. Das lässt sich nicht in
zwei Gesprächen mit der Einkaufsabtei-
lung abklären. Da braucht es schon einen
intensiven Dialog.
Man sollte daher darauf achten, wie stark
man als individueller Kunde wahrgenom-
men wird oder ob nur ein bereits beste-
hendes Angebot etwas aufgepeppt wird.
Denn das Ziel ist doch eine möglichst
große Wirkung des Programms. Dazu
gehört aber auch die Konzentration auf
einige wenige kritische Erfolgsfaktoren.
Damit tun sich gerade deutsche Unter-
nehmen oftmals schwer.
Inwiefern?
Möhrle:
Die haben manchmal ein äußerst
komplexes Leadership-Modell, in dem auf
vielen Seiten in epischer Länge unzählige
Kompetenzen beschrieben werden. Aber
für ein effektives Programm muss ich
mich auf drei bis vier kritische Erfolgs-
faktoren fokussieren. Wichtig ist auch die
Einbindung der Topmanager. Die kom-
men in der Regel allenfalls mal zu einem
Kaminabend. Aber das genügt nicht. Sie
müssen mehr Rollenvorbild sein oder als
Mentor oder Sponsor von Projekten ein-
gebunden werden.
Welche Rolle spielen die Professoren bei
der Executive Education?
Möhrle:
Die Professoren einer guten Busi-
ness School haben einen starken Praxis-
bezug in ihrer Forschung und meist auch
selbst umfangreiche Erfahrungen in Un-
ternehmen, sei es als Berater, Manager
oder Gründer. Sie beschäftigen sich mit
den wichtigen Megatrends und können
erklären, wie sich diese auf ein Unter-
nehmen auswirken können. Wer daher
kritisch über seine Position und Zukunft
reflektieren will, kann daher aus der Zu-
sammenarbeit mit einer guten Business
School enorm profitieren. Das können
nicht-akademische Anbieter in der Regel
nicht leisten.
Inwieweit sollten die Professoren bereits
bei der Vorbereitung eines firmen-
internen Kurses einbezogen werden?
Möhrle:
Das macht jede Schule etwas an-
ders. Am IMD sucht man sich zum Bei-
spiel stets einen Lead-Professor, der sich
intensiv mit dem Kunden beschäftigt und
sich dann dazu die passenden Kollegen
sucht. Ich halte die frühe Einbeziehung
der Professoren aber für ein wichtiges
Qualitätskriterium. Einen Professor nur
mal zu einem Vortrag in den Kurs zu schi-
cken, genügt definitiv nicht.
Immer häufiger werden auch Coachs in
Managementprogramme einbezogen.
Sind die Business Schools dafür
überhaupt gerüstet?
Möhrle:
Viele Schulen haben ihr Kom-
petenzspektrum in den letzten Jahren
erweitert und auch einen Coach-Pool
aufgebaut. Oder sie haben sich Experten
aus der Praxis dazu geholt. Die FT/IE
Corporate Learning Alliance bindet sogar
Redakteure der Financial Times ein, die
oft sehr gute Branchenkenntnisse haben.
Je mehr Ohren und Augen von Externen
in den Prozess involviert sind, desto mehr
erfahre ich auch über mein Unterneh-
men. Aber das wird leider häufig nicht
abgerufen.
Das Ganze klingt aber auch sehr teuer.
Möhrle:
Billig ist es sicher nicht. Ein ein-
wöchiger Kurs mit 20 bis 30 Managern
an einer Topschule kann schon 150.000
Euro oder auch deutlich mehr kosten.
Wenn ein Unternehmen mehrere Durch-
gänge eines Kurses garantiert, sollten die
Design-Kosten im Gesamtpreis abgedeckt
sein. Ansonsten wird das meist extra in
Rechnung gestellt. Dabei muss das De-
sign aber auch leben und immer wie-
der überarbeitet und angepasst werden.
Dafür sollten dann keine Extrakosten
mehr anfallen.
Sie sind bei der European Foundation
for Management Development – kurz
EFMD – in Brüssel zuständig für die
„Clip“-Akkreditierung. Was verbirgt sich
dahinter?
Möhrle:
„Clip“ steht für Corporate Lear-
ning Improvement Process und basiert
auf den Grundlagen der EQUIS-Akkre-
ditierung, die die EFMD an Business
Schools vergibt und die – neben der
AACSB – die wichtigste internationale
Akkreditierung für MBA-Schulen ist.
„Clip“ ist ein umfassender strategischer
Entwicklungsprozess, der sich über meh-
rere Monate zieht und in dem analysiert
wird, wie die Lernfunktion oder Perso-
nalentwicklung in einem Unternehmen
aufgestellt ist und wo es noch Verbesse-
rungsmöglichkeiten gibt. Das ist sozusa-
gen ein strategischer Qualitätsmanage-
ment-Prozess.
Wie läuft das ab?
Möhrle:
Initiiert wird „Clip“ in der Regel
vom Chief Learning Officer oder dem Lei-
ter der Personalentwicklung. Das Ganze
macht nur Sinn, wenn der Weiterbil-
dungsbereich einen angemessenen Um-
fang, einen gewissen Reifegrad und eine
internationale Ausrichtung hat. Wenn
ein Unternehmen die Voraussetzungen
erfüllt, muss es in den Spiegel schauen
und ein Selbst-Assessment erarbeiten, bei
dem es sich mit unseren 35 Standards ab-
gleichen muss. Unser Modell besteht aus
zwei grundlegenden Aspekten: der Pro-
fessionalität im Lernprozess (zum Bei-
spiel: Wie gut sind meine Angebote auf
die Zielgruppen abgestimmt? Wird der
Lernprozess effektiv gemanagt? Welche
internen Ressourcen habe ich und wie ist
das Reporting?).
Beim zweiten Aspekt geht es um den Stra-
tegiebezug und um Innovationen (Gibt es
einen intensiven starken Dialog mit dem
Topmanagement? Wie schnell und agil
kann die Lern- und Entwicklungsabtei-
lung neue Themen umsetzen?). Schon die
Erstellung des Selbst-Assessments wird in
vielen Unternehmen als sehr hilfreicher
Teamentwicklungsprozess erlebt. Und
der Prozess wird von uns auch begleitet.
Liegt der Report des Self-Assessments
vor, gibt es ein dreitägiges Peer Review
von vier externen Lernexperten, darunter
sind drei Chief Learning Officer aus inter-
R
„Wer kritisch über seine Position und seine Zukunft
reflektieren will, kann aus der Zusammenarbeit mit
einer guten Business School enorm profitieren.“