wirtschaft und weiterbildung 1/2016 - page 35

wirtschaft + weiterbildung
01_2016
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Umgang mit Komplexität: Was sollten Sie tun?
Komplex denken und handeln:
Wir mussen lernen, mit
Komplexität auf komplexe Probleme zu reagieren. Die gän-
gige Vorgehensweise läuft meist nach einem bestimmten
Schema ab. Erstens: Problem benennen, zweitens: Schuldi-
gen finden (und damit die Ursache haben) und drittens: ihn
mit der Behebung des Problems beauftragen. Stellen wir
dann fest, dass das Problem fur einen Menschen zu groß
ist, vermehren wir die Kräfte. Die Lösung ist also: mehr
vom Gleichen. Dieser lineare Ansatz wirkt jedoch nicht
in komplexen Kontexten. Wir mussen zunächst die Kom-
plexität der Aufgabe kennen und verstehen. Wer sind die
Beteiligten, was ist das System, welche Wechselwirkungen
machen die Dynamik aus und so weiter. Damit wir komplex
antworten können, brauchen wir Kooperation. Nur so ent-
stehen neue Ideen, Innovation und Evolution. Die erste Auf-
gabe des Managements besteht also darin, das passende
Umfeld fur Kooperation zu schaffen.
Mustererkennung:
Wir mussen lernen, Muster zu erken-
nen. Das funktioniert uber das Betrachten von Gruppen
und ihren Interaktionen. Solange wir nur die einzelnen Mit-
arbeiter, Kollegen oder Vorgesetzten betrachten, blenden
wir das System aus. Muster entstehen durch Verbindungen
und auch Nicht-Verbindungen der Menschen. Einfache
Visualisierungen können helfen, die Vernetzungsmuster
sichtbar zu machen. Sie mussen dann noch in Relation zu
den Aufgaben gesetzt werden, denn es geht immer noch
darum, Ziele zu erreichen. Die „richtige“ Vernetzung ist eine
der wichtigsten Managementaufgaben.
Ebenenwechsel:
Wir mussen lernen, holistisch zu denken
und zu managen. Mit der reinen Betrachtung von Einzelele-
menten verlieren wir den Blick fur das Big Picture. Wenn wir
aber nur auf das Ganze schauen, werden wir Komplexität
genauso wenig meistern. Wir brauchen beide Betrachtungs-
ebenen gleichzeitig. Der stete Wechsel zwischen den Ebe-
nen zeigt, welche Aspekte und Einzelelemente uberhaupt
relevant sind fur das System. Es ist nicht das eine oder das
andere, es ist beides und die Beziehung zwischen ihnen.
Leitplanken setzen und vorleben:
Wir mussen lernen, Men-
schen so zu organisieren, dass sie komplexes Verhalten
zeigen. Trainieren wir unsere Mitarbeiter auf reines Scha-
blonendenken hin, werden wir auf Dauer keine Lösungen
fur die komplexen Aufgaben finden. Eines ist mir an die-
ser Stelle wichtig: Es gibt keine Mitarbeiter, mit denen „so
etwas nicht geht“. Es ist die Aufgabe des Managements, fur
das passende Umfeld zu sorgen und es den Mitarbeitern
zu ermöglichen, ihr Potenzial zu entfalten und wachsen zu
durfen. Das geht niemals ohne Vertrauen und Offenheit als
Basis der Zusammenarbeit.
„Mal angenommen …“:
Wir mussen lernen, mit Hypothe-
sen zu arbeiten. Der Unterschied zwischen Hypothese und
Wahrheit liegt in der Robustheit. Eine Hypothese ist eine
Annahme uber etwas, die jederzeit angepasst, verworfen
oder korrigiert werden kann. Eine Wahrheit ist die (subjek-
tive) Beschreibung, wie etwas ist, inklusive Ursache und
Wirkung. Im Management wird immer noch viel mehr mit
Wahrheiten („So ist das eben“) gearbeitet als mit Hypothe-
sen („Wir nehmen an, dass es so ist“). Komplexe Systeme
lassen sich weder vorhersagen noch vollständig erfassen.
Es ist also sinnvoll, das flexible Arbeiten mit Hypothesen zu
stärken, um ein möglichst gutes Bild zukunftiger Entwick-
lungen zu erarbeiten.
Unterschiedlichkeit:
Wir mussen mehrperspektivisch und
divers managen. Die „eine“ richtige Sichtweise auf die
Welt/das Problem/die Situation gibt es nicht. Komplexe
Sachverhalte lassen sich (meist retrospektiv) nur uber
verschiedene Perspektiven der Betrachtung erschließen.
Dabei sollten die Perspektiven in Bezug auf Kompetenz,
Fachgebiet und Sichtweise möglichst unterschiedlich sein.
Diverse Teams – im wahrsten Sinne des Wortes – sind die
Grundvoraussetzung, um komplexe Antworten zu gene-
rieren. Allein die Besetzung mit möglichst unterschiedli-
chen Typen und Fähigkeiten reicht nicht aus. Als Manager
mussen Sie die Diversität auch zulassen, was Diskurs und
Unterschiedlichkeit bedeutet.
„Wie könnte es sein?“:
Wir mussen uben, in Szenarien
zu denken. Wird das kommende Geschäftsjahr, die Pro-
duktentwicklung oder das Projekt geplant, dann wird damit
auch die Zukunft beschrieben. Man hält sie dann fur die
Wahrheit. Die möglichen Stolpersteine auf dem Weg dahin
werden im Risikomanagement bearbeitet und gemanagt.
Die Zukunft lässt sich nicht voraussagen und ist auch keine
Konstante. Um diesen Tatsachen Rechnung zu tragen, soll-
ten wir anfangen, Szenarioarbeit zu betreiben. Wie noch
könnte die Zukunft aussehen? Welche Aspekte könnten
in der (geplanten) Zukunft noch relevant sein? Was könnte
irrelevant geworden sein? Wie sähe die „schlimmste“, wie
die „schönste“ Zukunft aus? Über diese Gedankenspiele
erweitert sich das Repertoire an Lösungsideen fur die
diversen Szenarien. Damit steigt die Anzahl der Handlungs-
alternativen, die fur den Fall sich ändernder Bedingungen
zumindest schon einmal vorgedacht sind.
Stephanie Borgert
Dos and Don‘ts II.
Muster erkennen, Ebenen wechseln, Leitplanken setzen und vorleben: Diese und
andere Denk- und Handlungsweisen können Ihnen helfen, besser mit Komplexität umzugehen.
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