wirtschaft und weiterbildung 5/2016 - page 45

wirtschaft + weiterbildung
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Buchtipp.
Sabine Prohaska: „Lösungs­
orientiertes Selbstcoaching: Ihrem Ziel
näher kommen – Schritt für Schritt“, Jun-
fermann Verlag, Paderborn, März 2016,
112 Seiten, 14,90 Euro (auch als Kindle-
Ausgabe erhältlich für 12,99 Euro).
• Was wäre für mich eine attraktive Lö­
sung? Und:
• Wie würde der Zielzustand konkret
ausschauen?
Und dann kommt es darauf an, die pas­
senden Lösungen zu entwerfen. Diesen
Annahmen liegt ein konstruktivistischer
Denkansatz zugrunde; also die Annahme,
dass wir die Welt, so wie wir sie erleben,
weitgehend selbst erschaffen („konstru­
ieren“) – durch die Art, wie wir Dinge
sehen und bewerten. Das gilt auch für un­
sere Probleme. Hierfür ein Beispiel: Ange­
nommen, Sie hätten in den letzten Jahren
bereits mehrfach Ihren Job gewechselt.
Dann könnten Sie, bestärkt durch Be­
kannte, zur Überzeugung gelangen: Ich
habe ein Problem – nämlich einen Job
durchzuziehen. Doch muss das so sein?
Nein! Vielleicht gehört es zu Ihrem Kon­
zept eines erfüllten Lebens, beruflich re­
gelmäßig etwas Neues auszuprobieren?
Wo ist dann das Problem? Sie sehen, wir
konstruieren viele Probleme selbst, durch
die Art, wie wir Situationen und Kons­
tellationen bewerten. Das ist auch eine
zentrale Ursache dafür, warum uns man­
che Probleme unlösbar erscheinen. Das
heißt, wenn wir lernen, die Probleme neu
zu sehen und zu bewerten, werden sie
vielleicht lösbar.
Doch was bedeutet (Neu- und Um-)Ler­
nen? Neurologisch betrachtet ist Lernen
ein ganz handfester Prozess, bei dem sich
in unserem Gehirn neue Nervenverbin­
dungen bilden und diese durch entspre­
chende Impulse immer stärker werden.
Am Anfang ist die neue Nervenbahn nur
ein kaum sichtbarer Trampelpfad, aus
dem nach einigen Wochen oder Monaten,
weil wir das neue Verhalten regelmäßig
zeigen, allmählich eine Landstraße und
irgendwann vielleicht sogar eine Auto­
bahn wird.
Beim Aufbau neuer Kompetenzen und
Verhaltensmuster müssen wir mit Rück­
fällen und Phasen des scheinbaren Still­
stands rechnen – denn Lernprozesse
verlaufen nicht linear. Sie verlaufen oft
scheinbar sprunghaft. Hierfür ein Bei­
spiel. Angenommen, Sie sind ein Tennis­
spieler und wollen einen neuen Schlag
einstudieren. Also üben sie den ganzen
Nachmittag, ohne große Fortschritte.
Frustriert fahren Sie nach Hause. Doch
eine Woche später stehen Sie erneut auf
dem Platz, und plötzlich gelingt Ihnen
auf Anhieb der neue Schlag. Der Grund
hierfür ist: Sie haben zwar nicht bewusst
geübt, doch Ihr Gehirn arbeitete weiter.
Es hat neue neuronale Verbindungen ge­
knüpft, die für den Schlag nötigen Bewe­
gungsabläufe immer wieder durchgespielt
und mit ähnlichen Bewegungsmustern
in Verbindung gebracht, sodass Ihnen
plötzlich, scheinbar aus dem Nichts, der
Schlag gelang.
Ähnliche Prozesse werden Sie beim
Selbstcoaching registrieren – zum Bei­
spiel, wenn Sie strukturiert und regel­
mäßig über ein Problem nachdenken.
Dann passiert oft wochenlang scheinbar
nichts. Doch dann plötzlich, scheinbar
aus heiterem Himmel, haben Sie – zum
Beispiel beim Kochen – den berühmten
Geistesblitz. Das heißt, Sie haben die Pro­
blemlösung vor Augen. Denn während
Sie scheinbar nur mit anderen Dingen be­
schäftigt waren, blieb Ihr Gehirn am Ball.
Es baute neue neuronale Verbindungen
auf, und plötzlich kennen Sie die Lösung.
Beim Selbstcoaching erteilen wir unserem
Gehirn sozusagen den Auftrag, eine neue
Aufgabe zu lösen oder eine bekannte
anders als bisher zu lösen. Zugleich ver­
sorgen wir unser Gehirn, indem wir die
entsprechenden Fragen stellen und ad­
äquate Übungen durchführen, mit den er­
forderlichen Reizen, um neue neuronale
Verbindungen aufzubauen – und zwar so
lange, bis wir die Problemlösung kennen
und das gewünschte Verhalten zeigen.
Sich die angestrebte Zukunft
bildhaft vorstellen
Um dieses Ziel zu erreichen, ist es wich­
tig, sich die angestrebte Lösung und das
angestrebte Leben regelmäßig bildhaft
vorzustellen – also die Zukunft gedank­
lich vorwegzunehmen. Spitzensportler
kennen die Kraft der sogenannten Imagi­
nation. Sie wissen, dass sie ein sehr wirk­
sames Instrument ist, um sich einem Ziel
Schritt für Schritt zu nähern. Denn unser
Gehirn strebt nach einem kohärenten
Zustand, bei dem unsere Lebensrealität
mit dem Zielbild übereinstimmt. Deshalb
befähigt es uns irgendwann, die äußeren
Umstände dem inneren Bild anzuglei­
chen. Henry Ford wird folgende Aussage
zugeschrieben: „Egal, ob du glaubst, du
kannst es, oder ob du glaubst, du kannst
es nicht, du hast immer recht!“ Sie ver­
weist auf den von der psychologischen
Forschung belegten Sachverhalt, dass un­
sere Erwartung einen großen Einfluss auf
das Ergebnis hat – positiv und negativ.
Deshalb ist es wichtig, sich beim Selbst­
coaching regelmäßig intensiv und kon­
zentriert in den gewünschten Zielzustand
zu versetzen. Das fällt vielen Menschen
schwer. Sie denken, kaum haben sie ein
positives Zielbild entworfen: „Ja, aber das
geht nicht, weil ...“. Dann verlieren die
Zielbilder ihre Energie.
Zielbilder funktionieren nur, wenn man
die eigenen Wünsche zulässt und in eine
(Noch-)Phantasiewelt eintaucht. Wie
stark unsere Gedanken unser Empfin­
den und Befinden beeinflussen, das kön­
nen Sie selbst ausprobieren. Stellen Sie
sich bildhaft vor, Sie würden herzhaft in
eine Zitrone beißen, und achten Sie dar­
auf, wie Ihr Körper reagiert. Vermutlich
verzieht sich Ihr Mund allein durch die
Vorstellung des sauren Geschmacks einer
Zitrone. Und das nur aufgrund einiger
weniger gedachter Worte. Wie groß muss
dann erst die Wirkung sein, wenn wir
uns nicht nur regelmäßig unser künftiges
Leben bildhaft vorstellen, sondern auch
Schritte in die gewünschte Richtung tun?
Probieren Sie es doch einfach mal aus.
Sabine Prohaska
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