wirtschaft und weiterbildung 5/2016 - page 52

training und coaching
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wirtschaft + weiterbildung
05_2016
Fallstudien gelten vor allem deshalb als
MBA-Methode der Wahl, weil die
Studenten sich so mit realen Situationen
in Unternehmen beschäftigen können.
Was ist Ihre Alternative?
Menges:
Man muss sich anschauen, wie
Menschen am besten lernen und wie man
Führungsverhalten nachhaltig prägt. Die
„Führung erleben,
statt nur drüber zu reden“
MBA.
Erst erleben, dann die Theorie lernen – an der WHU Otto Beisheim School
of Management wird Führungskompetenz anders vermittelt als üblich. WHU-Professor
Dr. Jochen Menges, Inhaber des Lehrstuhls für Führung und Personalmanagement,
erklärt den neuen Ansatz.
Hintergrund.
An der WHU müssen MBA-Vollzeit-Studenten
in ihrer ersten Studienwoche täglich eine Herausforderung
eines Spendenprojekts im Team meistern. Ablauf:
·
9.00 Uhr.
Information über die Herausforderung des
Tages. Es schließt sich ein einstündiger Workshop zur auf-
gabenbezogenen Wissensvermittlung an. Die Studenten
bestimmen den Team-Leader für den Tag und planen.
·
11.00 Uhr.
Die Studierenden haben fünf Stunden Zeit, um
ihren Plan umzusetzen. Während der Challenge werden die
Studierenden von Mentoren begleitet. Das sind Alumni aus
dem vorherigen MBA-Jahrgang.
·
16.00 Uhr.
Treffen im Plenum. Jedes Team muss in drei
Minuten seine Ergebnisse präsentieren. Danach haben
die Studierenden eine halbe Stunde Zeit zur Reflexion. In
dieser Zeit überlegt jeder für sich mithilfe strukturierter
Arbeitsblätter, wie effektiv das Team geführt wurde, was
gut lief an dem Tag, was schlecht lief und was morgen bes-
ser laufen muss. Während dieser halben Stunde bespre-
chen die Professoren mit den Mentoren, wie die Teams
den Tag gestemmt haben. Dann gehen die Mentoren zu
ihren Teams und besprechen mit allen gemeinsam, was
gut oder schlecht lief und warum.
·
17.30 Uhr.
Im Plenum gibt es Feedback für alle Teams. Es
wird der „Tagessieger“ bestimmt. Am Ende der Woche wird
das Team mit der besten Leistung gekürt.
Wie die „Challenge“ geht
Bearbeitung von Fallstudien ist dabei nur
eine Methode. Sie ist sehr nützlich, um
Situationen zu analysieren und Strategien
und Maßnahmen zu entwickeln, aber sie
spart die emotionale Seite von Führung
oft aus. Sie vernachlässigt, wie wichtig
das eigene Erleben und die Anknüpfung
an eigene Führungserfahrungen ist. Mit
Fallstudien erlernen Studierende, wie sie
sich als Führungskräfte verhalten könn-
ten und sollten – aber ob sie sich dann
auch in der Wirklichkeit daran halten, ist
eine andere Frage.
Aber die Studenten im Vollzeit-MBA sind
oft erst Ende 20 und haben noch keine
eigene Führungserfahrung.
Menges:
Viele machen das MBA-Studium
ja gerade deswegen, weil sie sich damit
auf eine Führungsrolle vorbereiten wol-
len. Deshalb haben wir an der WHU im
April ein neues Format eingeführt, das
jedem Studierenden erlaubt, bereits in
der ersten Woche des Programms die
Führung eines Teams zu übernehmen
und dabei wertvolle Führungserfahrun-
gen zu sammeln.
Konkret haben wir die sogenannte „Fu-
ture Leaders Fundraising Challenge“ zu-
sammen mit der weltweit größten unab-
hängigen Kinderrechtsorganisation Save
the Children organisiert. Dabei müssen
die Studierenden bereits in ihrer ersten
Studienwoche fünf reale Herausforderun-
gen (eine pro Tag) im Team meistern. Sie
müssen ein eigenes Produkt – von der
Idee bis hin zum Prototyp – entwickeln,
ein Online-Marketingkonzept ausarbei-
ten und implementieren, eine Strategie
für die Dauerspenden-Akquise von deut-
schen Mittelständlern entwickeln, mit
Unternehmen über eine Spendenhöhe
verhandeln, und das Produkt – das wir
im Rahmen der Woche für die Studieren-
den basierend auf deren Prototyp produ-
zieren lassen – auf der Straße anbieten
und so Spenden einwerben. Alle Aufga-
ben werden im Team und unter enormem
Zeitdruck erledigt.
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