wirtschaft und weiterbildung 11-12/2016 - page 50

training und coaching
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wirtschaft + weiterbildung
11/12_2016
lösungsorientiert“. Wie sonst? Oder: „Ich
gehe wertschätzend mit meinen Klienten
um“. Wie sonst? Nur ganz selten wird
transparent gemacht, was dies bedeutet
oder in welchen Verhaltensmustern sich
dies zeigt – zum Beispiel anhand von
Praxisbeispielen. Mich würde als poten-
zieller Klient beispielsweise interessieren,
wie sich der Coach verhält, wenn schein-
bar nichts mehr geht. Ergreift er dann die
Initiative und sagt: „Also, ich sehe die Lö-
sungsmöglichkeiten A, B und C. Welche
präferieren Sie?“ Oder beschränkt er sich
als Anhänger der reinen Lehre auf das zir-
kuläre Fragen? Und wie verhält er sich,
wenn ein Mitarbeiter, dem seine Firma
ein Coaching bezahlt, sich hartnäckig
weigert, gewisse jobbedingte Notwen-
digkeiten einzusehen? Geht er dann auch
mal in die Konfrontation und sagt „Das
gehört aber zu Ihrem Job“? Solche Dinge
kann man auf einer Webseite sehr nar-
rativ beschreiben, und so dafür sorgen,
dass beim Besucher ein plastisches Bild
von der Arbeitsweise und vom Selbstver-
ständnis des Coachs entsteht.
Die meisten Coachs haben kein großes
Marketingbudget …
Kuntz:
Die Erfolgsbasis ist, sehr genau zu
definieren, wer die eigenen Zielkunden
sind und wer nicht, um die Verschwen-
dung des Marketingbudgets zu vermei-
den. Ein Beispiel: Das Coaching-Geschäft
ist in der Regel ein regionales. Denn kaum
eine Person oder Organisation lässt einen
Coach für ein ein-, zweistündiges oder
gar halbtägiges Coaching zum Beispiel
von München nach Hamburg einfliegen.
Das wäre schlicht zu teuer. Also sollte
auch das Marketing darauf abzielen, in
der Region die nötige Bekanntheit aufzu-
bauen. Zum Beispiel, indem der Coach
gezielt Beziehungen zu Organisationen
aufbaut, die wichtige Multiplikatoren
sind. Oder indem er seine Webseite statt
allgemein auf „Führungskräfte-Coach“
auf „Führungskräfte-Coach Hamburg“
optimiert. Außerdem muss der Coach in
seiner Außendarstellung immer wieder
glasklar kommunizieren, wofür er der
Spezialist ist und wofür nicht – zum Bei-
spiel für das Coachen von Personen, die
sich beruflich verändern möchten, oder
für das Coachen von GmbH-Geschäfts-
führern, die vor schwierigen Investitions-
entscheidungen stehen. Je klarer das Pro-
fil eines Coachs ist, umso höher ist seine
Anziehungskraft bei seiner Zielgruppe.
Denn warum sollten sich potenzielle
Kunden für einen Coach entscheiden,
wenn dieser sich nicht erkennbar von
seinen Mitbewerbern abhebt? Unabhän-
gig davon brauchen Newcomer, die sich
im Coachingmarkt etablieren möchten,
jedoch einen langen Atem.
Warum?
Kuntz:
Wegen der vielen Mitbewerber und
weil die von ihnen akquirierten Aufträge
stets zeitlich befristet sind und ein eher
kleines Umsatzvolumen haben. Deshalb
müssen sie eigentlich permanent neue
Aufträge an Land ziehen, um eine sta-
bile Auslastung zu haben. Entsprechend
viel Zeit – und Geld – müssen Coachs in
ihr Marketing investieren, sofern sie bei
ihren Zielkunden noch keine sehr hohe
Bekanntheit haben. Ich wage die Behaup-
tung: 80 Prozent der sogenannten Coachs
wird es nie gelingen, rein als Coachs so
viel Geld zu verdienen, dass sie eine Fa-
milie gut ernähren können. Ihnen fehlt
die erforderliche Biografie und zuweilen
auch der unternehmerische Biss, um zum
Beispiel bei Unternehmen hohe Tages-
oder Stundensätze durchzusetzen und
gleichzeitig ausreichend Aufträge an Land
zu ziehen.
Warum so pessimistisch?
Kuntz:
Gehen wir einmal davon aus, ein
Coach müsste circa 70.000 Euro im Jahr
umsetzen, um nicht nur seine Familie zu
ernähren, sondern auch seine Bürokosten
zu begleichen sowie als Selbstständiger
für Krankheit und Alter vorzusorgen. Da
kann sich jeder Newcomer ausgehend
von seinen Honorarsätzen fragen: Wie
viele Coaching-Aufträge müsste ich pro
Jahr an Land ziehen und wie viele Coa-
ching-Sitzungen müsste ich durchführen,
um 70.000 Euro Umsatz zu erzielen. Die
nächste Frage ist dann: Ist dies mittelfris-
tig realistisch? Bei vielen dürfte die Ant-
wort „nein“ lauten.
Was folgern Sie daraus?
Kuntz:
Entweder müssen besagte Coachs
sich eine andere berufliche Perspektive
aufbauen oder ihr Leistungsspektrum er-
weitern – zum Beispiel, indem sie auch
Beratungs- und Trainingsleistungen an-
bieten, die zu ihrer beruflichen Biogra-
fie und fachlichen Expertise passen. Es
gehört meines Erachtens auch zum Job
eines Marketingberaters, angehenden
Coachs reinen Wein einzuschenken,
wenn sie Gefahr laufen, aufs falsche
Pferd zu setzen und sich mit hoher Wahr-
scheinlichkeit finanziell ruinieren – ins-
besondere dann, wenn diese eine Familie
haben, die anschließend unter ihrem un-
realistischen Vorhaben leidet.
Vor welchen Herausforderungen steht
derzeit die Coaching-Branche?
Kuntz:
Das Einzige, was aus meiner Warte
im Coaching- und Beratungsmarkt stabil
bleibt, ist der Bedarf an individueller Un-
terstützung aufgrund der erhöhten Ver-
änderungsdynamik unserer Umwelt. Wie
die Leistung heißt, mit der dieser Bedarf
befriedigt wird, ist den Kunden „piep-
egal“. Hauptsache, es gibt die gewünschte
Wirkung.
Viele Coachs werden sich unter anderem
aus Kosten- und Effizienzgründen fragen
müssen, wie sie Präsenz-Coachings mit
Online-Coachings sinnvoll miteinander
verknüpfen können – ähnlich wie dies im
Weiterbildungsbereich in Form der Blen-
ded-Learning-Konzepte bereits geschehen
ist. Denn wenn es um das Coachen der
Mitarbeiter auf der mittleren oder unte-
ren Führungsebene geht, werden die Un-
ternehmen immer weniger bereit sein,
150 oder gar noch mehr Euro für eine
Coaching-Stunde zu bezahlen. Zudem
werden die Coachs sich darauf einstellen
müssen, dass insbesondere die größeren
Unternehmen zunehmend auf firmenin-
terne Coachs setzen – genauso wie sie
schon bei Change-Prozessen auf interne
Berater setzen.
Andrej Winter
R
„Coachs werden es lernen müssen, Präsenz-
Coachings mit Online-Coachings zu kombinieren.“
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