wirtschaft und weiterbildung 11-12/2016 - page 56

messen und kongresse
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wirtschaft + weiterbildung
11/12_2016
hilfreich waren: Runterschalten, loslas-
sen, auf seine Familie und sein Netzwerk
zurückfallen und sich auf das Wichtigste
fokussieren: die eigene Gesundheit. Die
Speaker-Community reagierte durchaus
gemischt auf Sängers Vortrag, schlug er
doch teilweise sehr ernste Töne an und
berichtete auch von „Hyänentum“ in den
eigenen Reihen, sprich, von Kollegen, die
während seiner Krankheit versuchten,
ihm Kunden abspenstig zu machen.
Inhaltlich schloss Manuela Jacob-Nied-
balla an. In ihrer Keynote vertrat sie die
These, dass der schlimmste Stress immer
hausgemacht sei. Das Phänomen „Stress“
bezeichnete sie generell als „Mythos“. Es
liege immer bei uns, wie wir und ob wir
mit dem Stress richtig umgingen. Denn:
Unser Stress-Empfinden sei ein rein sub-
jektives Gefühl und nicht davon abhän-
gig, wie viel wir auf der Agenda hätten,
sondern davon, wie wir sie uns einteil-
ten. „Ein realistischer Zeitplan hilft uns
dabei, die eigenen Ziele in einem eben-
falls realistischen Rahmen zu halten
und verhindert so, dass wir uns selbst
stressen.“ Das heute so gängige Ideal des
Multitasking lehnte sie durchweg ab und
forderte alle Zuhörer auf, sich davon um-
gehend zu verabschieden. „Ungestörtes
Arbeiten“ lautet ihre Devise. Denn schon
nach 30 Minuten am Stück ungestört zu
arbeiten führe dazu, dass unser Stress-
empfinden merklich und nachweislich
sinke.
Der Präsident der „Global Speakers Fede-
ration“ Nabil Doss stellte in seiner Rede
„Set Your Message in Motion!“ die Frage,
wie Vortragende in einer Zeit der ultra-
kurzen Aufmerksamkeitsspannen Men-
schen emotional erreichen, als Zuhörer
binden und geradezu „fesseln“ könnten.
Er empfiehlt den „Trailer Code“. Aus sei-
ner Arbeit an kurzen Werbefilmen (Trai-
lern) für Hollyoods Kinoproduktionen
hat Doss ein Rezept für Keynote Speaker
abgeleitet. Zu Beginn und während einer
Rede sollten sie kurze Filmchen auf die
Bühne projizieren lassen. In den Film­
clips muss es darum gehen, wichtige Bot-
schaften des Redners emotional zu verpa-
cken – zum Beispiel indem Worte, Bilder
und Musik so kombiniert werden, dass
die „emotionale Kraft“ einer Botschaft
verstärkt wird. Ein Clip sollte die Aussa-
gen des Redners mit Leben erfüllen und
„eine durchgehende Erzähllinie haben“,
aber nicht alles erzählen. Das Gehirn der
Zuhörer fülle die Lücken schon von ganz
alleine. Die Videoclips müssten aber nach
allen Regeln der Kunst von Profis gestal-
tet werden. „Ansonsten läuft man Gefahr,
nach acht Sekunden die Aufmerksamkeit
des Publikums zu verlieren.“
Wie man den „biografischen
Rucksack“ ablegt
Walter Kohl, Sohn des ehemaligen Bun-
deskanzlers Helmut Kohl, eröffnete den
zweiten Convention-Tag mit einer „lei-
sen“, sehr persönlichen und nachdenk-
lich stimmenden Performance. Er nahm
das Publikum mit auf eine Reise in seine
Vergangenheit und teilte freimütig mit
den Zuhörern, wie sehr er unter seiner
Rolle als „Sohn des Kanzlers“ und vor
allem unter dem Freitod seiner Mutter ge-
litten hatte. Einen solchen „biografischen
Rucksack“ lege man nicht so leicht ab,
Worst-Case-Szenarien sind bei nieman-
dem beliebt, aber für selbstständige Kon-
gressredner sind sie sehr wichtig, um
langfristig zu überleben. Vertriebs- und
Motivationsexperte Martin Sänger stellte
die unbequeme Frage: „Was geht, wenn
nichts mehr geht?“ Er konfrontierte das
Publikum mit einer sehr persönlichen
Geschichte – der seines Herzinfarkts. Von
hundert auf null in ein paar Tagen, Stun-
den oder Minuten. Wie damit umgehen?
Wie wieder auf die Beine kommen? Wie
mit wirtschaftlichen Sorgen und Exis-
tenzängsten umgehen? Und wie langsam,
aber sicher wieder zu seiner ganz eigenen
Performance zurückfinden? Sänger stellte
all die wichtigen und richtigen Fragen
und verriet die Antworten, die für ihn
„Deutscher Rednerpreis
2016“ für Helmut Markwort
GSA CONVENTION 2016.
Das diesjährige Motto der Jahresversammlung der German
Speakers Association (GSA) hieß „Performance 2016 – Seriously Speaking“. Viele
Redner setzten sich damit auseinander, was Bühnenprofis tun müssen, um eine hohe
Professionalität zu erreichen. Der Rednerpreis der GSA ging in diesem Jahr an den
Journalisten und ehemaligen Focus-Chefredakteur Helmut Markwort.
Walter Kohl.
Der Sohn des Alt-Bundes-
kanzlers hatte es schwer, seinen inneren
Frieden zu finden. Jetzt redet er über
„aktive Lebensgestaltung“.
Foto: Studio Hellhörig / Jochen Wieland
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