grundls grundgesetz
Boris Grundl
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wirtschaft + weiterbildung
11/12_2016
Dies ist meine 50. Kolumne für Sie. Natürlich ver-
langt ein solch rundes Jubiläum ein starkes Thema.
Hoffentlich gelingt mir das. Was halten Sie vom
Thema „Disruption“?
Das englische „to disrupt“ bedeutet „stören, zer-
reißen, durchschlagen“, aber auch „einen Plan
durchkreuzen“. Disruptives Denken und Handeln
zerstört oder durchkreuzt etwas. Für mich allerdings
ist dieses Wort unklug gewählt, hat aber in seiner
martialischen Aggressivität Verbreitung und damit
seine Berechtigung gefunden. Doch was bedeutet
es? Disruptive Vorgänge stellen alles Bekannte radi-
kal auf den Kopf. Bisherige Erfolgsmodelle zerfallen
und mit ihnen die Unternehmen, die durch sie über-
holt werden. Doch die treffendste Bezeichnung für
mich ist „etwas neu erfinden.“
Neue Märkte lösen Disruption aus. Die Kondrat-
jew-Zyklen zeigen: Große Veränderungswellen
zerstören immer wieder das Alte. Baumwolle,
Elektrizität, Dampfmaschine, Stahl, Erdölnutzung
oder das Internet: Sie alle ließen keinen Stein auf
dem anderen. Und auch ihr Umfeld gebiert neue
Nutzungschancen. Das Internet und das Silicon
Valley beweisen immer wieder, mit welchem
Tempo umstürzlerische Neuerungen die Märkte
aufmischen. Beeindruckend. Und so pilgern viele
berühmte CEOs und Führungskräfte ins Tal der
Einsen und Nullen, um mit einer Tüte voll bahn
brechender Ideen wieder heimzureisen. Gegenüber
dieser disruptiven Kraft scheinen unsere Begriffe
„Querdenken, gegen den Strom schwimmen, Neu
erfindung oder Innovation“ zahnlose Tiger zu sein.
Natürlich löst das Internet einen gigantischen
Wandel aus. Doch gilt das immer und überall? Die
Disruption gilt vor allem für die Verlierer. Auf der
Seite der Zerstörer sind die Errungenschaften zwar
extreme Innovationen, kommen aber niemals kom-
plett aus dem Nichts. Auch ein I-Phone ist noch ein
Mix aus Telefon und Computer, und Uber ist definitiv
ein Unternehmen, das von der Personenbeförde-
rung lebt. Die alte Story wiederholt sich. Ein Mode-
wort wird von seinen „first movern“ vereinnahmt.
Das beeindruckt, zeugt von Klasse und Vorausden-
ken. Das Wort wird in Meetings und Kongressen
so lange penetriert, bis kollektive Bewunderung in
Ablehnung umschlägt. Alle sind genervt. Doch das
ist schade. Denn disruptives Denken hält viel Hilf-
reiches für jeden Menschen bereit.
Nutzen Sie Ihren disruptiven Geist immer wieder:
Stellen Sie Bestehendes infrage. Stellen Sie die
Daseinsberechtigung von Produkten und Märkten,
selbst Ihre eigene, immer wieder auf den Prüfstand.
Wo liegt der Kern Ihrer Wirkung? Worin besteht Ihre
Daseinsberechtigung heute und worin in 10 Jahren?
Folgen Sie Ihren Antworten konsequent und bleiben
Sie immer ein Vorreiter. Und lassen Sie
sich von Modewörtern nicht überrumpeln.
Weder zur Be- noch zur Entgeisterung.
Finden Sie die tiefere Bedeutung einer
Bewegung und ziehen Sie eigene Schlüsse
daraus. Disruption ist ernst zu nehmen.
Es ist atemberaubend, wie schnell sich heute
Märkte, Produkte, Unternehmen und Menschen
verändern müssen. Für „Bremser“ die Hölle, für
„Menschenentwickler“ der Himmel. Ruhen Sie sich
nicht auf Ihren Lorbeeren aus. Ziehen Sie täglich
eine Nullpunktlinie. Überschreiten Sie diese, ohne
der Vergangenheit Einlass zu gewähren. Dann sind
Sie wach, präsent und frisch im Kopf. So werden Sie
zum Gewinner der Disruption.
Paragraf 50
Stelle Bestehendes
infrage
Boris Grundl ist Managementtrainer und Inhaber der Grundl Leadership Akademie, die Unternehmen befähigt, ihrer Führungsverantwortung gerecht zu werden.
Grundl gilt bei Managern und Medien als „der Menschenentwickler“ (Süddeutsche Zeitung). Sein neues Buch heißt: „Mach mich glücklich. Wie Sie das bekommen,
was jeder haben will“ (Econ Verlag 2014, 246 Seiten, 18 Euro). Boris Grundl beweist, wie leicht und schnell das Verschieben von Verantwortung in eine
zerstörerische Sackgasse führt und die persönliche Weiterentwicklung und damit Glück verhindert.
Worin besteht Ihre Daseins-
berechtigung heute und worin besteht
sie in zehn Jahren?
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