wirtschaft und weiterbildung 4/2016 - page 37

wirtschaft + weiterbildung
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indem Sie zu jeder Sache die Lösung
vorgeben und bis ins kleinste Detail dar-
legen, wie die Arbeit ausgeführt werden
soll. Schließlich ist jeder daran gewöhnt,
von Ihnen als Führungskraft klare Ansa-
gen zu bekommen. Zweifel sind nicht er-
laubt, weil sie Ihrem Ruf schaden.
Es gibt zwei wichtige Vorteile, die den
Verzicht auf Fragen legitimieren: Erstens
sparen Sie Zeit, denn jede Frage, die Sie
stellen, braucht eine Antwort. Manchmal
müssen die Leute auch erst einmal eine
Weile nachdenken, Fakten recherchieren
und sich besprechen, bevor sie Ihnen
eine vernünftige Antwort geben können.
Diesen Aufwand sparen Sie, wenn Sie
gleich eine ganz klare Ansage machen.
Zweitens verhindern Sie, dass Ihre Mit-
arbeiter nachdenken und selbstständig
werden. Mit der Zeit werden auch die-
jenigen Menschen, die am Anfang ihrer
beruflichen Laufbahn den Wunsch nach
aktiver Mitarbeit und selbstständigem
Denken haben, abgeschliffen. Sie degene-
rieren zu reinen Befehlsempfängern, die
erwarten, dass Sie ihnen jeden Handgriff
vorschreiben. Genau so brauchen Sie Ihre
Mitarbeiter, wenn Sie überlastet sein und
scheitern wollen.
Es ist natürlich völlig klar, dass Sie selbst,
auch wenn Sie so tun, niemals für alle
Probleme und Fragen die richtige Antwort
haben können. Aber darum geht es ja gar
nicht. Im Gegenteil. Durch Ihr direktives
Verhalten sichern Sie, dass Ihre eigene
Inkompetenz, die relativ zur Komplexi-
tät der Aufgabenstellungen immer größer
wird, so richtig zur Wirkung kommt und
den größtmöglichen Schaden anrichtet.
Je weiter oben in der Hierarchie Sie sit-
zen, desto gefährlicher wird dieser Stil für
das Unternehmen. Und Sie erreichen da-
durch nicht nur das Ziel des persönlichen
Scheiterns, sondern schädigen auch noch
das Unternehmen. Prima!
5.
Schonen Sie niemals Ihre Kräfte,
sondern geben Sie mehr als Sie
können.
Erfahrene Menschen wissen, dass nichts
perfekt ist. Es geht immer noch besser.
Und Menschen sind schon gar nicht per-
fekt. Systemtheoretiker können sogar
ausrechnen, dass in komplexen Systemen
– Unternehmen, Familien, kurz in allen
Formen des menschlichen Zusammenle-
bens und Zusammenarbeitens – immer
etwas von der Norm, vom Plan abwei-
chen muss, und Perfektion überhaupt
nicht möglich ist. Deshalb eignet sich
das Ziel Perfektion so hervorragend für
das Vorhaben des Scheiterns. Wenn Sie
etwas zum obersten Ziel ihres Handelns
machen, was überhaupt nicht erreichbar
ist, dann scheitern Sie garantiert!
Wie sich alles noch deutlich
verschlimmern lässt
Sie können diese Garantie zum Scheitern
sogar noch steigern, indem Sie Perfek-
tion nicht nur bei den Ergebnissen Ihrer
Arbeit anstreben, sondern selbst perfekt
sein wollen. Das geht nämlich überhaupt
nicht, weshalb es ja so wunderbar geeig-
net ist, sich so richtig unter Druck zu set-
zen. Und Sie können dem Ganzen noch
die Krone aufsetzen, indem Sie Perfekti-
onismus zu Ihrem Lebensziel machen.
Dann wird es so richtig schön zwanghaft.
Und lassen Sie sich bloß nicht von irgend-
jemandem einreden, hin und wieder ein-
mal zu entspannen. Nein, auch die Frei-
zeitaktivitäten kann man perfektionieren.
Das geht vom exakt geplanten Urlaub mit
eng getakteten Aktivitäten über Mara-
thonehrgeiz bis dahin, den Nachbarn in
allem, was er tut und hat, übertrumpfen
zu wollen. Perfektion als Lebensziel! Ein
prima Konzept, um sich auf Dauer so
richtig fertig zu machen.
Fazit.
Scheitern ist möglich! Sie müssen
nur konsequent dieser Anleitung folgen.
Dann wird es gelingen. Mehr noch, Sie
scheitern dadurch nicht nur persönlich
und schaffen den Burn-out, Sie können
auch Ihren Mitmenschen, dem Unterneh-
men, in dem Sie Verantwortung tragen,
und Ihrer Familie nachhaltig schaden.
Befolgen Sie einfach meine Hinweise. Sie
können diese auch gern schöpferisch wei-
terentwickeln, denn nach oben ist immer
Luft.
Stefan Fourier
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