personalmagazin 3/2019 - page 70

schauen ganz einfach, was die anderen
machen. Je mehr Unternehmen einen
bestimmten Test einsetzen, desto siche-
rer sind sich die Neukunden, dass es sich
um einen guten Test handeln muss. Auf
diesem Weg der Scheinvalidierung setzt
sich nach und nach eine Lawine in Gang:
Je mehr Unternehmen das Verfahren
nutzen, desto größer wird die Überzeu-
gungskraft der Masse und desto größer ist
wiederum die Wahrscheinlichkeit, dass
andere Unternehmen es ihnen gleichtun.
Ist erst einmal eine kritische Kunden-
masse erreicht, spielt die Qualität des
Verfahrens keine Rolle mehr.
Strategie 4: Mit Selbsttest
überzeugen
Anbieter von Persönlichkeitsfragebögen
fordern ihre Kunden gern auf, einen
Selbsttest durchzuführen. Hierzu bear-
beiten die Kunden einen Fragebogen und
bekommen anschließend eine individu-
elle Ergebnisrückmeldung in Form von
Textbausteinen. Findet sich der Kunde in
den Testergebnissen wieder, so ist er ver-
sucht zu glauben, dass dies eindeutig für
die Qualität des Testverfahrens spricht.
Dies ist leider ein Irrtum.
Wo der Irrtum liegt, wird schnell offen-
kundig, wenn wir uns vor Augen führen,
was hier abläuft. Nehmen wir einmal an,
der Kunde beantwortet 100 Fragen, mit
denen zehn Persönlichkeitsmerkmale er-
fasst werden. Im Zuge der Auswertung
berechnet der Anbieter Mittelwerte über
die Fragen, die zu einem Persönlichkeits-
merkmal gehören. Die Ergebnisse werden
anschließend in Form von Textbaustei-
nen zusammengefasst.
Dass sich der Kunde in diesen Tex-
ten
wiederfindet,
ist
keineswegs
überraschend. Im Gegenteil, es wäre
verwunderlich, wenn er völlig Neues
über sich erfahren würde, denn nahe-
zu 100 Prozent der Informationen, die
ihm gespiegelt werden, stammen al-
lein von ihm. Mehr noch, selbst wenn
der Anbieter überhaupt keine Daten er-
hoben hätte, wäre es ein Leichtes, ein
Feedback zu formulieren, in dem sich
jeder Mensch wiederfindet. Diesen Ef-
fekt kennt man in der Psychologie seit
den 1940er-Jahren unter dem Namen
„Forer-Effekt“. Er entsteht, wenn ein
Feedbacktext sehr viele positive und zum
Teil auch widersprüchliche Aussagen
beinhaltet. Hier ein paar Beispiele:
Testverfahrens beurteilen möchte, ist
zwingend darauf angewiesen, dass der
Anbieter die Kennwerte offenlegt und
darüber hinaus Auskunft über Stichpro-
bengrößen oder die Zusammensetzung
von Normstichproben gibt.
Manche kommerziellen Anbieter ver-
suchen, ihren Kunden diese Daten vorzu-
enthalten. Gerne schieben sie den Schutz
des eigenen Testverfahrens als Grund für
das Geheimhalten vor, denn angeblich
dürfen sie die Informationen nicht he­
rausgeben, da sonst ihr eigenes Verfahren
von Nachahmern übernommen werden
könnte. Diese Argumentation ist unge-
fähr so plausibel wie die eines Computer-
händlers, der seinen Kunden keine An-
gaben zu wichtigen technischen Daten,
zur Festplatte oder zum Prozessor gibt.
Sie haben viele gute Absichten, die sie
nicht alle verwirklichen können.
Sie sind ein friedliebender Mensch, so-
lange man sie nicht reizt.
Sie haben gern mit Menschen zu tun,
genießen es aber auch, hin und wieder
für sich allein zu sein.
Selbsttests verraten nichts über die Quali-
tät eines Testverfahrens. Sie helfen jedoch
dabei, dass sich der Kunde in einer trüge-
rischen Sicherheit wähnt.
Strategie 5: Statistische
Kennwerte geheim halten
Die Qualität eines Testverfahrens beweist
sich in empirischen Studien, in denen
verschiedene statistische Kennwerte er-
hoben werden. Wer die Qualität eines
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HR-Management
Foto: Vanessa McKeown
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