personalmagazin 3/2019 - page 64

New Work ist in aller Munde. Ange­
trieben durch die immer schneller vo­
ranschreitende Digitalisierung, Flexi­
bilisierung und den gesellschaftlichen
Wandel verändert sich unsere Arbeits­
welt nachhaltig – und wirft grundsätz­
liche Fragen dazu auf, wie wir heute,
morgen und in Zukunft arbeiten werden
(und wollen).
Digitalisierung, Flexibili­
sierung, gesellschaftlicher
Wandel
Die zunehmende Digitalisierung ermög­
licht es uns, an jedem Ort der Welt zu
arbeiten; viel mehr als ein Notebook und
Zugang zum Internet braucht ein Wis­
sensarbeiter nicht. Reale und virtuelle
Welten verschwimmen und ermöglichen
die Zusammenarbeit von Teams selbst
über Landes- und Kontinentgrenzen hin­
weg. Doch auch vor Ort verändert die
Digitalisierung unsere Arbeitswelt und
ermöglicht ein nie da gewesenes Maß an
Mobilität: Daten werden nicht mehr lokal
gespeichert, sondern in der Cloud. Pro­
jektkoordination, Teamwork und Kom­
munikation werden immer häufiger in
digitale Räume verschoben. Und nicht
zuletzt bringt die Digitalisierung neue Ge­
schäftsmodelle hervor und schafft Berufs­
bilder, die bis vor wenigen Jahren noch
nicht existierten. Selbst kleinste Unter­
nehmen können internationale Märkte
für sich erschließen. Doch auch die inter­
nationale Konkurrenz ist stets nur einen
Mausklick entfernt.
Außerdem durchdringt eine nie da ge­
wesene Flexibilisierung unsere Arbeits­
welt: Gewohnte Hierarchien, Organi­
sations- und Arbeitsstrukturen werden
durchlässiger oder lösen sich ganz auf.
Agiles Arbeiten ersetzt starre Projekt­
pläne, Job Sharing und flexible Arbeits­
zeitmodelle sowie das Arbeiten im Home
Office oder an dritten Orten wie Cowor­
king Spaces, Cafés oder Lounges erfor­
dern gänzlich neue Entscheidungs- und
Kommunikationsstrukturen.
Ein dritter wichtiger Aspekt von New
Work ist der gesellschaftliche Wandel.
Demografische Entwicklungen haben zu
einem massiven Fachkräftemangel ge­
führt. Dieser War for Talent zwingt Unter­
nehmen, ihre Rolle als Arbeitgeber zu
reflektieren und so zu verändern, dass
sie auf der Suche nach passenden Mit­
noch zeitgemäß? Wo und wie wollen die
viel umworbenen Wissensarbeiter heute
und in Zukunft arbeiten? Was ist ihnen
wichtig?
Dass der Arbeitsplatz nicht mehr nur
Ausführungsort der Erwerbsarbeit, son­
dern auch „sozialer Ort“ ist, zeigt auch
der Boom der Coworking Spaces. Statt
alleine zu Hause zu arbeiten, finden un­
zählige Freiberufler und flexible Wissens­
arbeiter dort einen sogenannten „dritten
Ort“, an dem sie selbstständig und flexi­
bel, aber eben auch im Austausch und in
Kooperation mit anderen arbeiten und
gemeinsam Ideen generieren können.
Wohlfühlen am Arbeitsplatz
und Bedürfnis nach Sicherheit
Eine im Oktober 2018 veröffentlichte Stu­
die des Infas Instituts (im Auftrag der
„Zeit“) offenbarte, dass das Wohlfühlen
am Arbeitsplatz für mehr als 80 Prozent
der erwerbsfähigen Deutschen wichtig
ist; zufrieden mit der Umsetzung die­
ses Themas an ihrem Arbeitsplatz sind
circa 60 Prozent – es gibt also durchaus
Entwicklungspotenzial. Überraschendes
Ergebnis war, dass ausgerechnet in der
Gruppe der 25- bis 34-jährigen Erwerbs­
tätigen die Arbeitsplatzsicherheit und die
Zukunftssicherheit des Berufs als wich­
tigste Faktoren bewertet werden, ebenso
wie die Unterstützung bei der Weiterent­
wicklung durch Vorgesetzte.
Sicherheit ist also auch für Millennials
essenziell, die gemeinhin eher als sprung­
haft und über die Maßen flexibel gelten.
Die Herausforderung für Unternehmen
besteht demnach darin, ihren Mitarbei­
tern eine Mischung aus Flexibilität und
Verankerung zu bieten. „Wir sind Teil von
Megatrends, bleiben aber Menschen mit
Urbedürfnissen“, brachte der Architekt
Peter Ippolito dieses Sicherheitsbedürfnis
im Rahmen der Zeit-Konferenz „Work &
Style“ im Oktober 2018 auf den Punkt.
Der Gründer und Partner des Stuttgarter
Studios „Ippolito Fleitz Group“ betonte,
dass Werte wie Haltung und Verlässlich­
keit auch für die Generationen Y und
Z wichtig seien – und dass Flexibilität
ohne Werte ebenso wenig funktioniere
wie Wandel ohne Identität. Ohne den si­
cheren Anker Arbeitsplatz stellt sich bei
vielen Mitarbeitern schnell ein Gefühl
der Verunsicherung ein, auch Entgren­
zung und Entfremdung sind angesichts
der allgemeinen Beschleunigung im Ar­
arbeitern auch auf einem Bewerbermarkt
langfristig wettbewerbsfähig bleiben. Den
„Job fürs Leben“ wird es kaum noch ge­
ben, vielmehr die stete Suche nach dem
Traumjob und dem idealen Arbeitgeber.
Hinzu kommt, dass Teams zunehmend
internationaler und auch interdisziplinär
gemischt sind, was ganz neue Ansprüche
an Führungskräfte und Unternehmens­
strukturen stellt.
Die Arbeitswelt von morgen
Büroumgebung und Unternehmens­
kultur bedingen sich gegenseitig. Nach­
haltige Veränderungen im Hinblick auf
die Unternehmenskultur, die Entschei­
dungs- und Kommunikationskultur eines
Unternehmens sollten sich auch in der
Gestaltung von Büroumgebungen wider­
spiegeln.
Doch damit stellt sich bereits die
nächste Frage: Ist das klassische Büro
in Zeiten zunehmender Flexibilisierung
und Entgrenzung von Arbeit überhaupt
„Wir sind Teil
von Megatrends,
bleiben aber
Menschen mit
Urbedürfnissen.
Verlässlichkeit
ist auch für die
Generationen Y
und Z wichtig.“
Peter Ippolito, Zeit-Konferenz
„Work & Style“ im Oktober 2018
Foto Seite 62-63: Paul Biris / gettyimages.de; Foto Seite 65: WINI
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HR-Management
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