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            SPEZIAL
          
        
        
          _AUSLANDSENTSENDUNG
        
        
          personalmagazin  02/18
        
        
          der Personalabteilung gesteuert. Hinzu
        
        
          kommen Experten für die Besteuerung,
        
        
          Sozialversicherung und die organisatori-
        
        
          schen Abläufe der „Global Mobility“. Vor
        
        
          der Einführung einer „Business Travel
        
        
          Compliance“ schrecken aber auch solche
        
        
          Unternehmen zurück. Die Mitarbeiter-
        
        
          einsätze sind oft kurzfristig, es gibt kei-
        
        
          ne langen Vorläufe und oft wissen Unter-
        
        
          nehmen schlicht nicht, wer wann und zu
        
        
          welchem Zeitpunkt im Außeneinsatz ist.
        
        
          Das Problem beginnt also bereits bei der
        
        
          zentralen Buchungserfassung für Reisen
        
        
          oder der Registrierung von Autofahrten.
        
        
          Dem Risikoprofil der Mitarbeiterent-
        
        
          sendung werden aber auch vorhandene
        
        
          Unternehmensstrukturen nicht gerecht.
        
        
          Zahlreiche Organisationen haben zuletzt
        
        
          das Personalwesen mit der Einführung
        
        
          von Shared Services massiv umgebaut.
        
        
          Diese kümmern sich um Lohnbuchhal-
        
        
          tung, Reisekostenabrechnung oder So-
        
        
          zialabgaben. Um zu skalieren, müssen
        
        
          zahlreiche Routinefälle abgewickelt wer-
        
        
          den. Die unterschiedlichen Bedingungen
        
        
          bei Auslandsentsendungen und die oft
        
        
          individuelle Ausgestaltung des Mitarbei-
        
        
          tereinsatzes sind jedoch in der Systema-
        
        
          tik der kostengünstigen Abwicklung von
        
        
          Massenvorfällen organisatorisch nicht
        
        
          darzustellen. Compliance-Aufgaben im
        
        
          Reisemanagement brauchen daher eine
        
        
          andere Heimat in der Organisation.
        
        
          Nicht zuletzt ist auch die Verantwor-
        
        
          tung in der internen Aufsicht schwierig.
        
        
          Der General Counsel eines Unterneh-
        
        
          mens hat Compliance bei der Entsendung
        
        
          nicht auf der Agenda. In sein Feld fallen
        
        
          eher gesellschafts- und wirtschaftsrecht-
        
        
          liche Angelegenheiten oder Compliance
        
        
          mit Blick auf die Vermeidung von Korrup-
        
        
          tion, Geldwäsche oder Untreue. Aspekte
        
        
          des Arbeits- und Immigrationsrechts
        
        
          sowie der entsprechenden Sozial- und
        
        
          Steuerpflichten fehlen hier in aller Regel.
        
        
          Drakonische Strafen drohen
        
        
          Travel Compliance, sprich die Wahrneh-
        
        
          mung undAdressierung vonRisiken auch
        
        
          bei der kurzfristigen Mitarbeiterentsen-
        
        
          dung ins Ausland, braucht aber die volle
        
        
          Aufmerksamkeit des Managements. Un-
        
        
          ternehmen sollten dringend Strukturen
        
        
          schaffen und Verantwortlichkeiten defi-
        
        
          nieren. Selbst „Super-Entsender“ wie Un-
        
        
          ternehmensberatungen müssen sich hier
        
        
          besser aufstellen. Schließlich handelt es
        
        
          sich bei den Anforderungen der Entsen-
        
        
          dungsländer keinesfalls um Papiertiger,
        
        
          es drohen empfindliche Strafen.
        
        
          Grundsätzlich handelt es sich bei den
        
        
          Verstößen um Ordnungswidrigkeiten,
        
        
          die im Regelfall bußgeldbewährt sind.
        
        
          Es können aber auch „Blacklistings“ dro-
        
        
          hen, also der Ausschluss bei der Vergabe
        
        
          öffentlicher Aufträge. Dabei ist die Voll-
        
        
          zugsschärfe zwischen den EU-Staaten
        
        
          höchst unterschiedlich. Österreich ist
        
        
          beispielsweise sehr aktiv: Verstöße wur-
        
        
          den bereits mit Bußgeldern zwischen
        
        
          400.000 und 900.000 Euro geahndet. Bei
        
        
          der Missachtung der geltenden Mindest-
        
        
          lohnbestimmungen oder bei illegaler Be-
        
        
          schäftigung gab es sogar schon Strafen
        
        
          zwischen zwei und vier Millionen Euro.
        
        
          Auch die Schweiz ist mit ähnlichen
        
        
          Regeln im Zuge der EU-Assoziierung für
        
        
          einen scharfen Vollzug bekannt. Dort
        
        
          drohen drakonische Strafen, wie etwa im
        
        
          Fall eines international tätigen Technolo-
        
        
          giekonzerns: Eine Sachbearbeiterin der
        
        
          Entsendestelle wurde von einer Behörde
        
        
          der Schweiz gerügt, weil ein dorthin ent-
        
        
          sandter Mitarbeiter nicht rechtzeitig auf
        
        
          eine E-Mail reagierte. Flankiert wurde
        
        
          diesmit einer Strafandrohung von 40.000
        
        
          Franken gegenüber der Sachbearbeiterin.
        
        
          Pragmatische Wege einschlagen
        
        
          Die Ignoranz der Unternehmen trifft hier
        
        
          also auf einen Aktionismus der Regierun-
        
        
          gen und Behörden. Um diese gefährliche
        
        
          Gemengelage in den Griff zu bekommen,
        
        
          sollten Organisationen
        
        
          • sich zunächst bewusst machen, in wel-
        
        
          chen Märkten sie aktiv sind,
        
        
          • klären, welche Mitarbeiter in welchem
        
        
          Maße dorthin entsendet werden und
        
        
          • analysieren, welche Vorschriften in
        
        
          diesen Fällen gelten.
        
        
          Sicherlich ist ein solches Vorgehen nicht
        
        
          trivial, schon in der EU gibt es unter-
        
        
          schiedliche gesetzliche Bedingungen. Ein
        
        
          gesamtheitlicher Blick ermöglicht aber
        
        
          Schwerpunkte, auf die sich Unternehmen
        
        
          konzentrieren können. So spielt etwa die
        
        
          Entgelt-Compliance meist eine größere
        
        
          Rolle als die anteilige Berechnung von
        
        
          Urlaubsansprüchen. Auch Aufsichtsbe-
        
        
          hörden schauen mehr auf Lohndumping.
        
        
          Wichtig ist also ein Gesamtkonzept mit
        
        
          Fokus auf die neuralgischen Felder, statt
        
        
          eines übermäßig detaillierten Werks,
        
        
          das in der Praxis unanwendbar ist.
        
        
          Erleichterung durch neue Regeln?
        
        
          Wo viel Schatten ist, gibt es auch Licht:
        
        
          Mit der in Kraft getretenen Intra-Corpo-
        
        
          rate-Transferee-Richtlinie (ICT) bieten
        
        
          sich bei der kurzfristigen Entsendung
        
        
          von drittstaatsangehörigen Mitarbeitern
        
        
          innerhalb der EU einige Erleichterun-
        
        
          gen. Sofern der betreffende Arbeitneh-
        
        
          mer einen gültigen Aufenthaltstitel, also
        
        
          die neue ICT-Karte, besitzt und die auf-
        
        
          nehmende Niederlassung in der EU der-
        
        
          selben Unternehmensgruppe angehört,
        
        
          kann der Mitarbeiter von dieser Nie-
        
        
          derlassung zur anderen in der EU ohne
        
        
          gesonderte Arbeitserlaubnis entsendet
        
        
          werden. Dies gilt für Weiterentsendun-
        
        
          gen bis zu 90 Tagen. Die zuständigen
        
        
          Behörden sind lediglich zu informieren.
        
        
          Es bleibt zu hoffen, dass sich der Trend
        
        
          zur Flexibilisierung fortsetzt. Jedenfalls
        
        
          sollten Unternehmen die „Business Tra-
        
        
          vel Compliance“ beherzt angehen.
        
        
          
            DR. AXEL BOYSEN
          
        
        
          ist
        
        
          Managing Partner der Kanzlei
        
        
          Fragomen in Frankfurt.
        
        
          Die Ignoranz der Un-
        
        
          ternehmen trifft oft auf
        
        
          einen Aktionismus der
        
        
          Behörden. Diese ge-
        
        
          fährliche Gemengelage
        
        
          sollten Organisationen
        
        
          in den Griff bekommen.
        
        
          Bei Fragen wenden Sie sich bitte an