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ORGANISATION
_KARRIEREPLANUNG
personalmagazin 02/18
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delt. Die große Softwareschmiede SAP
hat zu diesem Zweck ihr Performance
Management geändert. Wie Wolfgang
Fassnacht, HR Director Germany, auf
der Messe „Zukunft Personal 2017“ er-
klärte, wird das Erreichen von Zielver-
einbarungen nicht mehr nur einmal im
Jahr besprochen, sondern kontinuierlich
– zum Beispiel am Ende eines jeden Jour
fixe. Zusatzleistungen und Gehaltserhö-
hungen würden dann vom Vorgesetzten
festgelegt und von ihm mit seinen Beob-
achtungen begründet.
Häusling merkt dazu an, dass Leis
tungsbeurteilungen künftig auch von
einem Team für jedes einzelne Teammit-
glied kommen könnten. Dieses Team-
Feedback (und vielleicht auch noch ein
Kunden-Feedback) ersetze dann das
Vorgesetzten-Feedback, wenn der di-
rekte Vorgesetzte organisatorisch zu
weit weg sei.
Was bei SAP laut Fassnacht darüber
hinaus sehr gut ankommt, sind Beloh-
nungen, die sich an ein Team als Ganzes
richten. So bekomme unmittelbar nach
einem erfolgreichen Projektabschluss
das zuständige Team eine attraktive
Geldprämie, über deren Verwendung
gemeinsam entschieden werde.
Leistung und Beförderung trennen
Viele Organisationsberater sehen in
den Personalabteilungen wichtige Ka-
talysatoren, die gebraucht werden, um
die Umgestaltung eines traditionellen,
hierarchischen Unternehmens voran-
zutreiben. Die Personaler müssten sich
insbesondere darum kümmern, dass in
einer agilen Organisation nicht nur Ge-
schenke verteilt würden, sondern dass es
so etwas wie eine originäre agile Karrie-
re gebe. Die enge Verknüpfung von Leis-
tung, Leistungsbeurteilung, Beförderung
und Vergütung müsse aufgelöst werden
– auch wenn derzeit noch völlig unklar
sei, wie die Alternativen aussähen.
Was man unter einer eigenständigen
agilen Karriere verstehen kann, soll das
Beispiel von Maximilian M. zeigen. Da
er sich schon als Kind für Technik und
insbesondere für Autos interessierte,
studierte er Maschinenbau an der wohl
bedeutendsten deutschen Auto-Uni, der
Rheinisch-Westfälischen Technischen
Hochschule Aachen. Und weil er nach
dem Studium wieder in seiner baye-
rischen Heimatstadt arbeiten wollte,
setzte er alles daran, bei dem örtlichen
Autozulieferer in Lohn und Brot zu kom-
men. Das klappte ohne Schwierigkeiten.
Ein Beispiel für eine agile Karriere
Drei Jahre lang arbeitete M. einmal als
einfaches Mitglied eines Projektteams
und einmal als Projektleiter. Sehr er-
folgreich war er als Leiter von Projekten
immer dann, wenn die etwas mit seinem
Studienschwerpunkt „Autoelektronik“
zu tun hatten. Er konnte sogar schon vor
dem geschäftsführenden Gesellschafter,
dem Enkel des Gründers, eine Präsen-
tation halten. Dem Gründer sagt man
ein Gespür für junge Talente nach und
so wunderte sich niemand, dass M. zum
Projektleiter eines sehr, sehr wichtigen
Entwicklungsprojekts ernannt wurde.
Ab sofort muss er nun direkt nach ganz
oben berichten und befindet sich plötz-
lich auf Augenhöhe mit der zweiten Füh-
rungsebene, den Bereichsleitern, die
ihn mit allen nur denkbaren Informati-
onen versorgen. Sein disziplinarischer
Vorgesetzter befindet sich nach wie vor
auf der vierten und damit untersten Hie-
rarchiestufe eines Gruppenleiters.
Sollte M. erfolgreich sein, dann wäre
er maßgeblich an der Entstehung eines
neuen Produkts und am Aufbau einer
neuen Niederlassung im Ausland betei-
ligt. Ihm würde dann quasi das Image
eines Erlösers anhaften, denn beim The-
ma Elektronik mitspielen zu können, ist
für seinen Arbeitgeber die Überlebens-
garantie schlechthin. Wahrscheinlich
würde man M. dann eine Position auf
der Bereichsleiterebene anbieten, auch
wenn er bislang gar keine Führungser-
fahrung im klassischen Sinne sammeln
konnte. Der Personalchef des Unterneh-
mens sieht darin kein Problem. M. hat
schließlich während des Studiums ein
Start-up mitgegründet, ist geschickt im
Umgang mit Menschen und würde als
Überflieger und kreativer Querdenker
viel frischen Wind in die konservative
zweite Führungsebene bringen. Eine
Instant-Führungskräfteentwicklung
würde der Personalchef kurzfristig
maßschneidern. Das Einzige, was der
Personalabteilung Sorge bereiten wür-
de: Keiner weiß, wo man M. dann im
Gehaltsgefüge unterbringen solle und
welche Extraleistungen ihm dienstgrad-
mäßig zustünden.
Es könnte aber auch sein, das M. nach
seinem großen Erfolg freiwillig wieder
zu einem ganz normalen Projektleiter
mutiert, der sich darum kümmert, seine
vernachlässigte theoretische Fachkom-
petenz aufzupolieren. Oder M. würde
zeitlich begrenzt als Niederlassungs-
leiter ins Ausland gehen. Einige Jahre
später könnte er dann wieder ein großes
Projekt leiten oder sich als Nachfolger
des Abteilungsleiters für den tech-
nischen Einkauf ins Gespräch bringen.
Feste Rollen waren gestern
Der Berater Dominic Lindner, Nürnberg,
versteht unter einer agilen Karriere so
etwas wie einen „ständigen, gewollten
Rollenwechsel“: Ein Mitarbeiter hat
sich ein bestimmtes Know-how erarbei-
tet. Wenn das gebraucht wird, wird er
zeitlich begrenzt in ein wichtiges Pro-
jekt oder in das Managementteam an
der Spitze eines Unternehmens geholt.
Anschließend macht er eine Rolle rück-
wärts in seine alte Position als bloggen-
der Experte, nur um dann wieder gemäß
seiner Kompetenzen eine neue, tragen-
de Rolle zu übernehmen.
Lindner sieht viel Arbeit auf all jene
Personalabteilungen zukommen, von de-
nen man in Zukunft erwarten wird, agile
Karrieren zu entwerfen, in ein Gehalts-
system einzubinden und die Mitarbeiter
dafür zu begeistern.
GUDRUN PORATH
arbeitet als freie Jour-
nalistin in Göttingen.