PERSONALquarterly 1/2017 - page 60

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_HERAUSGEBERGESPRÄCH
PERSONALquarterly 01/17
PERSONALquarterly:
Warum sind Personalmanager so schwer zu
überreden, ihre Arbeit datenbasiert zu gestalten?
André Fortange:
Die Krux ist nicht, dass Personaler nicht genug
Daten sammeln oder ihre Analyseinstrumente nicht nutzen.
Sie liegt darin, dass lediglich 18 Prozent der Führungskräfte
den Daten vertrauen, die sie von ihren HRlern erhalten. Das
ergab unsere Befragung von 9.500 Führungskräften.
PERSONALquarterly:
Warum dieses Misstrauen?
Rüdiger Kabst:
Anders als Controller und Finanzer sind sie we-
niger geübt im Umgang mit Zahlen. Schwerwiegender aber
scheint es, dass Personaler nicht nah genug am Business sind.
Sie wissen nicht, was fürs Business relevant ist. Ihnen fehlen
Legitimität und Ansehen.
André Fortange:
Wenn wir Unternehmen, die sehr weit sind in
HR-Analytics, vergleichen mit denen, die zu den unteren zehn
Prozent bei diesem Thema gehören, finden wir drei Faktoren:
Kompetenz, Vertrauen und Relevanz. Nur 15 Prozent der be-
fragten Führungskräfte haben ihre Entscheidung aufgrund der
Daten aus dem Personalbereich schon einmal verändert. In sehr
guten Unternehmen fragen HRler die Geschäftsbereiche, was sie
brauchen. Nach den Antworten wird die Kompetenz aufgebaut.
PERSONALquarterly:
Mit welchen Daten und welchen Auswer-
tungen könnten Personalmanager punkten?
Kabst:
Um geschäftsrelevante Antworten geben zu können, wird
man in schlummernde Daten greifen, aber auch neue erheben
müssen. Am besten über Experimente. Da steht HR bisher nicht
an vorderster Front. Ein Beispiel: Technische und IT-Unterneh-
men haben ein Defizit in der Rekrutierung weiblicher Mitar-
beiter für die mittlere Führungsebene. Wir haben in mehreren
Unternehmen bewiesen, dass wir durch einfache Verände-
rungen der Attribute und Bilder in Stellenausschreibungen für
Trainees die Zahl von guten Frauen und guten Männern unter
den Bewerbern signifikant erhöhen können.
Fortange:
Erfolgreiche Firmen überarbeiten nicht nur ihre Stel-
lenausschreibungen sondern den gesamten Bewerbungsprozess.
Wenn wir unsere Kunden befragen, dann achten die auf Früh-
fluktuation im ersten halben oder ganzen Jahr. Danach kann
man die Rekrutierungsleistung nicht mehr messen, weil zu viele
Faktoren das Ergebnis beeinflussen. HRler erwerben Vertrauen,
wenn sie schlank und effektiv die richtigen Kandidaten finden.
PERSONALquarterly:
Steht der altmodisch-wabernde Begriff Ver-
trauen so viel höher als die fundierte Datenanalyse?
Fortange:
Wir sprechen von Geschäftsrelevanz. Man braucht
keine 300 Kennzahlen, sondern die, die das Geschäft beein-
flussen. Von den zehn Kennzahlen, die das obere Viertel der
erfolgreichen Talentprofis im Vergleich zum unteren Viertel
nutzen, sind nur zwei unterschiedlich. Entscheidend ist, dass
sie die richtigen Daten für die Analyse bringen.
Kabst:
Smart Data bringt Relevanz. Personalmanager sollten
nur über die Daten berichten, die Relevanz haben. In der Per-
sonalfunktion sind die Mitarbeiter – anders als in der Pro-
duktion – nicht gewohnt für die Verbesserung permanent an
den Schrauben zu drehen. Verbesserungen gelten zu sehr als
Eingeständnis von Fehlern. Dabei sind sie eine Chance für den
Fortschritt.
Fortange:
Da würde ich gerne einhaken. Unternehmen, die beim
Erfolg ganz oben stehen, geben sich nicht mit kontinuierlichen
Verbesserungen ab, sie fordern zehnfache Verbesserung. Das
Talentthema ist auf der Agenda der Geschäftsführer. Wenn die
kein Vertrauen in die Personaler haben, geht Talent Manage-
ment schnell weg aus dem Personal. Deshalb müssen Perso-
naler ihre Funktion analytisch und evidenzbasiert ausfüllen.
Sonst werden sie in die rein administrative Rolle gedrängt.
PERSONALquarterly:
Wenn die Legitimation der Personalmanager
noch weiter zurückgeht, sind die Personaler dann noch zu retten?
Fortange:
Erfolg lautet die Begründung, warum sich Firmen inten-
siv mit Talent Management beschäftigen. Die Firmen, die analy-
tische Funktionen im Personalbereich am besten nutzen, haben
nicht nur zwölf Prozent bessere Talentergebnisse in den Dimen-
sionen Rekrutierung, Entwicklung und Nachfolgeplanung, sie
machen bis zu vier Prozent mehr Profit. Auf eine Milliarde Um-
satz können sie rund 13 Millionen Kosten einsparen.
Kabst:
Personaler müssen fragen: Wo sind die Schmerzen der Ge-
schäftsführung? Da landen wir bei Innovationsthemen. Unsere
Intrapreneurial Sprints, Hackathons und Innovation Workshops
werden zumeist über die Geschäftsführung initiiert. Personalern
Managementforscher Rüdiger Kabst und CEB-Experte André Fortange sind sich einig:
Jede HR-Entscheidungsfindung muss auf Daten basieren, die den Erfolg befördern.
Vertrauen durch Geschäftsrelevanz
Ruth Lemmer
, Freie Wirtschaftsjournalistin, Düsseldorf
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