PERSONALquarterly 1/2017 - page 61

61
01/17 PERSONALquarterly
fehlt manchmal die Fantasie für diese Formate. Und es mangelt
ihnen an Standing und Mut.
Fortange:
So schwarz-weiß sehe ich das nicht. Aber die Personal-
funktion war noch nie der Hort der Innovation, was schade ist.
Denn 70 Prozent der beeinflussbaren Variablen für den Erfolg
sind Personalthemen.
Kabst:
Wir haben Kongruenzstudien gemacht, die eindeutig
zeigen, wie Erwartung und Erfolg zusammenspielen. HR-Busi-
ness- Partner sind dort erfolgreich, wo genau dieser Business-
Fokus von der Geschäftsführung erwartet wird. Agiert die
Personalabteilung unternehmerisch, aber das Management
verlangt das gar nicht, führt der Misfit zum Misserfolg. Erwar-
tet die Geschäftsführung unternehmerisches Denken und die
Personaler liefern nicht, habe ich auch ein Problem.
Fortange:
Ich wäre da etwas sturer, weil ich überzeugt bin, dass
Personaler unternehmerisch agieren müssen. Sie sollten an
dieser Veränderung dranbleiben. Geschäftsführer, die das an-
ders sehen, werden aussterben – und das zurecht.
PERSONALquarterly:
Wie lange wird es dauern, bis sich dieser
fundamentale Wandel durchsetzt?
Fortange:
Die Korrelation zwischen guter datengetriebener Per-
sonalarbeit und Unternehmenserfolg ist offensichtlich. Vor
fünf Jahren haben wir geschaut, wie hoch der Umsatz der ers­
ten zehn der Fortune 100 Unternehmen im Vergleich von vor
15 Jahren ist. Die Verschiebungen sind enorm. Die Führungs-
kräfte müssen sich ändern.
Kabst:
Disruption startet nicht in der Personalabteilung. Disrupti-
on hat etwas mit der Kultur imUnternehmen zu tun und die wird
von der Geschäftsführung geprägt. Sie ist es, die Innovations-
spielräume für Disruption zulassen muss. Das Unberechenbare,
das Unternehmerische kommt in Karriereplänen viel zu selten
vor. „Geh mal ins Ausland oder in eine andere Abteilung“, steht
da drin, nicht aber: „Experimentiere mit einem Spin-off.“
Fortange:
Von den 9.500 Führungskräften, die wir befragt ha-
ben, geht eine Mehrheit davon aus, dass ihr Unternehmen
2020 die aktuelle Position nicht halten kann, wenn es mit der
Digitalisierung nicht vorankommt.
Kabst:
Wir brauchen andere Formate der Personalarbeit. Statt
der Projekte, die Monate dauern, sollten konzentrierte For-
Wirtschaftswissenschaftler
Rüdiger Kabst,
Professor für Inter-
national Business an der Universität Paderborn, verantwortet
TecUP, das Technologietransfer- & Existenzgründungs-Center der
Universität, und favorisiert mutige Personalarbeit.
André Fortange,
Geschäftsführer CEB für Deutschland, Österreich
und die Schweiz, setzt für den Erkenntnisgewinn beim Talent
Management und in der HR-Strategie auf die Analyse von Best
Practices aus internationalen Netzwerken und CEB-Forschung.
mate wie unser Innovation Sprint genutzt werden, in denen
Menschen in 30 Stunden disruptive Geschäftsideen stemmen.
Fortange:
Diese Formate zeigen, welche Potenziale in den Unter-
nehmen schlummern. Die muss die Personalabteilung heben.
Die Administration kann man digitalisieren. Dann hat man
Kapazität – wenn es gelingt, glaubwürdig zu sein.
Kabst:
Eines unserer beliebtesten Formate ist die Fuckup-Night,
bei der ein Unternehmer von seinen Niederlagen berichtet, bevor
es geklappt hat. Fehlerkultur und Mut zu Experimenten sind
unabdingbar für eine zukunftsfähige Unternehmensführung.
Fortange:
Ich kenne ein globales Unternehmen, das vergibt ei-
nen Failure Award. So wird das Experimentieren gefördert.
PERSONALquarterly:
Sind wir da nicht dem Bauchgefühl wieder
viel näher als der evidenzbasierten Personalarbeit?
Kabst:
Wir sagen nicht: Traue nur deinen Zahlen. Wir sagen:
Kombiniere Bauchgefühl, Erfahrung, Kontext und Daten.
Fortange:
Wir nennen das skeptische Analyse. Sich allein auf
Daten zu verlassen, kann ebenso zu falschen Entscheidungen
führen, wie sich auf seine Erfahrung zu verlassen.
1...,51,52,53,54,55,56,57,58,59,60 62,63,64,65,66,67,68
Powered by FlippingBook