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01/17 PERSONALquarterly
fehlt manchmal die Fantasie für diese Formate. Und es mangelt
ihnen an Standing und Mut.
Fortange:
So schwarz-weiß sehe ich das nicht. Aber die Personal-
funktion war noch nie der Hort der Innovation, was schade ist.
Denn 70 Prozent der beeinflussbaren Variablen für den Erfolg
sind Personalthemen.
Kabst:
Wir haben Kongruenzstudien gemacht, die eindeutig
zeigen, wie Erwartung und Erfolg zusammenspielen. HR-Busi-
ness- Partner sind dort erfolgreich, wo genau dieser Business-
Fokus von der Geschäftsführung erwartet wird. Agiert die
Personalabteilung unternehmerisch, aber das Management
verlangt das gar nicht, führt der Misfit zum Misserfolg. Erwar-
tet die Geschäftsführung unternehmerisches Denken und die
Personaler liefern nicht, habe ich auch ein Problem.
Fortange:
Ich wäre da etwas sturer, weil ich überzeugt bin, dass
Personaler unternehmerisch agieren müssen. Sie sollten an
dieser Veränderung dranbleiben. Geschäftsführer, die das an-
ders sehen, werden aussterben – und das zurecht.
PERSONALquarterly:
Wie lange wird es dauern, bis sich dieser
fundamentale Wandel durchsetzt?
Fortange:
Die Korrelation zwischen guter datengetriebener Per-
sonalarbeit und Unternehmenserfolg ist offensichtlich. Vor
fünf Jahren haben wir geschaut, wie hoch der Umsatz der ers
ten zehn der Fortune 100 Unternehmen im Vergleich von vor
15 Jahren ist. Die Verschiebungen sind enorm. Die Führungs-
kräfte müssen sich ändern.
Kabst:
Disruption startet nicht in der Personalabteilung. Disrupti-
on hat etwas mit der Kultur imUnternehmen zu tun und die wird
von der Geschäftsführung geprägt. Sie ist es, die Innovations-
spielräume für Disruption zulassen muss. Das Unberechenbare,
das Unternehmerische kommt in Karriereplänen viel zu selten
vor. „Geh mal ins Ausland oder in eine andere Abteilung“, steht
da drin, nicht aber: „Experimentiere mit einem Spin-off.“
Fortange:
Von den 9.500 Führungskräften, die wir befragt ha-
ben, geht eine Mehrheit davon aus, dass ihr Unternehmen
2020 die aktuelle Position nicht halten kann, wenn es mit der
Digitalisierung nicht vorankommt.
Kabst:
Wir brauchen andere Formate der Personalarbeit. Statt
der Projekte, die Monate dauern, sollten konzentrierte For-
Wirtschaftswissenschaftler
Rüdiger Kabst,
Professor für Inter-
national Business an der Universität Paderborn, verantwortet
TecUP, das Technologietransfer- & Existenzgründungs-Center der
Universität, und favorisiert mutige Personalarbeit.
André Fortange,
Geschäftsführer CEB für Deutschland, Österreich
und die Schweiz, setzt für den Erkenntnisgewinn beim Talent
Management und in der HR-Strategie auf die Analyse von Best
Practices aus internationalen Netzwerken und CEB-Forschung.
mate wie unser Innovation Sprint genutzt werden, in denen
Menschen in 30 Stunden disruptive Geschäftsideen stemmen.
Fortange:
Diese Formate zeigen, welche Potenziale in den Unter-
nehmen schlummern. Die muss die Personalabteilung heben.
Die Administration kann man digitalisieren. Dann hat man
Kapazität – wenn es gelingt, glaubwürdig zu sein.
Kabst:
Eines unserer beliebtesten Formate ist die Fuckup-Night,
bei der ein Unternehmer von seinen Niederlagen berichtet, bevor
es geklappt hat. Fehlerkultur und Mut zu Experimenten sind
unabdingbar für eine zukunftsfähige Unternehmensführung.
Fortange:
Ich kenne ein globales Unternehmen, das vergibt ei-
nen Failure Award. So wird das Experimentieren gefördert.
PERSONALquarterly:
Sind wir da nicht dem Bauchgefühl wieder
viel näher als der evidenzbasierten Personalarbeit?
Kabst:
Wir sagen nicht: Traue nur deinen Zahlen. Wir sagen:
Kombiniere Bauchgefühl, Erfahrung, Kontext und Daten.
Fortange:
Wir nennen das skeptische Analyse. Sich allein auf
Daten zu verlassen, kann ebenso zu falschen Entscheidungen
führen, wie sich auf seine Erfahrung zu verlassen.