Immobilienwirtschaft 4/2019 - page 40

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FINANZIERUNG, INVESTMENT & ENTWICKLUNG
I
KOLUMNE
die Botschaften. „You can walk through this gate as far as your
God-given abilities can take you!“ Hat das nicht Bill Clinton am
Brandenburger Tor gerufen? Ein Rat, der auch heute noch in
meiner Generation leicht Zustimmung findet. Und den viele in
der vor Selbstbewusstsein strotzenden Immobilienbranche ver-
innerlicht haben. In Cannes wurde das gerade wieder vorgeführt.
Die Yachten der Tycoone sind mittlerweile so groß, dass sie nicht
mehr in den Hafen passen und draußen vor Anker gehen. Prak-
tisch ist das nicht, wenn man miteinander reden will. Und wie
viel Diesel die in die Luft pusten, mag man sich auch nicht gerne
vorstellen. Trumpismus in Reinkultur.
Also kein guter Rat für die nächste Generation. Egoismen
undVereinzelung behindern denAustausch und das konstruktive
Miteinander. Undwie steht es wenigstens mit „hart arbeiten“? Die
Jungen am Tisch wissen, dass sie mit harter Arbeit allein nicht
reich werden. Dazu muss schon noch der beherzte Umgang mit
Besitz und „other people’s money“ kommen.
Vor einer Woche habe ich auf der Durchreise in Genf einen
kleinen Umweg gemacht und stehe nach über 30 Jahren wieder
vor demMaison Clarté in der Rue Saint-Laurent. Das Wohnhaus
von Le Corbusier von 1932 habe ich als Schüler zum ersten Mal
gesehen. Ich plagte mich damals gerade mit Zweifeln über meine
vor mir liegende Berufswahl: Medizin? Biologie? Oder doch Jour-
nalismus? Bei meinem ziellosen Gang durch die Stadt stieß ich
D
ie Tische sind bereits gedeckt. Das noch leere Restaurant an
der Köpenicker Straße inKreuzberg bildet am frühenAbend
einen ruhigenKontrast zumeinemhektischen Tag. Ich treffe
eine Gruppe junger Führungskräfte des Urban Land Instituts.
Eine gemeinnützige Forschungs- und Bildungsorganisation, die
in vielen Ländern aktiv ist und sich mit ihren Mitgliedern aus
Experten der Immobilienwirtschaft, der Wissenschaften, der
Planung sowie der öffentlichen Hand für die Verbesserung der
gebauten Umwelt einsetzt. Eine Generationenaufgabe.
Wir essen lecker zusammen, ich erzähle ein wenig, aber
im Wesentlichen geht es um das, was meine Gesprächspartner
bewegt. Zu meiner Freude begleiten mich heute meine Kinder.
Aaron, sechzehn, ist gerade wieder von seinem Jahr in Florida
zurückgekommen, Talita, fünfzehn, wird in diesem Sommer
fahren. Heute gehört ein Auslandsaufenthalt für viele zur Schul-
bildung dazu. Für meine Generation war dieser Schritt damals
noch ungewöhnlich. Ich selbst habe das als Befreiung erlebt. Das
Land schien für Teenager gemacht zu sein. Voller Leichtigkeit,
immer spielerisch im Wettbewerb und so viel humorvoller als
Good old Germany. Ich kammit übergroßem Selbstbewusstsein
nach Deutschland zurück. Aber auch sehr widerwillig. Gerne
wäre ich dort geblieben. In Amerika hatte ich eine völlig ande-
re Perspektive kennengelernt. „Glaube an dich selbst“ und „Du
kannst reich und berühmt werden, wenn du hart arbeitest!“ waren
Über Generationen
Foto: Dirk Weiß
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