Immobilienwirtschaft 4/2019 - page 32

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FINANZIERUNG, INVESTMENT & ENTWICKLUNG
I
NACHVERDICHTUNG
Ganz dicht?
P
latz ist in der kleinsten Lücke und zur
Not auch mitten auf der Verkehrs­
insel. In Freiburg wächst aktuell ein
achtgeschossiges Wohngebäude in die
Höhe – auf einer Fläche, die wohl niemals
jemand bebaut hätte, wenn der Bedarf an
neuemWohnraum nicht so groß wäre. 50
Wohnungen will das kommunale Unter­
nehmen Freiburger Stadtbau hier errich­
ten, auf der kleinen städtischen Grünflä­
che „Rennwegdreieck“, umgeben von drei
Straßen und einer Bahnlinie.
Alles könne schnell über die Bühne
gehen, hieß es zu Beginn der Planungen.
Die Eigentumsverhältnisse seien unpro­
blematisch, ein Bebauungsplanverfahren
nicht nötig. Doch das Grundstück stellt
sich wegen seines tortenstückförmigen
Zuschnitts als nicht ganz einfach heraus.
Die vorgesehene zweigeschossige Tief­
garage ist aus Platzgründen nicht reali­
sierbar. Um die notwendigen Stellplätze
dennoch nachzuweisen, weichen die Pla­
ner aus: auf die andere Straßenseite, wo
sich eine ähnlich kleine Baulücke befindet.
Dort wird nun ein Parkhaus für den Neu­
zum Hochlohnland Schweiz. Die Folge:
Selbst kleinere Städte im Umland haben
mittlerweile Miet- und Kaufpreisniveaus,
die deutschlandweit in der Spitzengruppe
liegen. Unternehmen finden keine Fach­
kräfte mehr, weil diese nicht wissen, wo
sie wohnen sollen.
Wohnungsmangel hat in Freiburg
Tradition. Die Universitätsstadt im Süd­
westen Deutschlands mit ihren aktuell
knapp 230.000 Einwohnern ist seit jeher
als Wohnort beliebt. Bereits in den 1990er
Jahren wurden zwei neue Stadtviertel
gebaut, die auf dem engen Wohnungs­
markt für Entspannung sorgten. Danach
wähnten sich die Stadtplaner sicher: Als
Anfang der 2000er Jahre der aktuelle Flä­
chennutzungsplan aufgestellt wurde, gin­
gen die Statistiker davon aus, dass Freiburg
sich schon bald auf Schrumpfungskurs
befinden werde. Deshalb setzte die Rat­
hausspitze allein auf Innenentwicklung.
Doch die damals prognostizierte Be­
völkerungsentwicklung stellte sich als
falsch heraus. Stadtverwaltung und Ge­
meinderat mussten umschwenken, da
bau errichtet. Und weil das der Stadtver­
waltung und der Bauherrin als Platzver­
schwendung erscheint, sollen weitere vier
Wohnetagen oben draufgesattelt werden.
Das Miet- und Kaufpreis-
niveau Freiburgs liegt
deutschlandweit in der
Spitzengruppe
Das Projekt ist ein Beispiel dafür, wie
händeringend Freiburg nach neuen Bau­
gebieten sucht. Denn die Stadt wächst und
wächst und ist in den vergangenen Jah­
ren zum Prototyp einer „Schwarmstadt“
geworden. Mieten und Immobilienpreise
gehen durch die Decke, Familien ziehen
ins Umland, der durchschnittliche Ar­
beitnehmer gibt einen Großteil seines
Einkommens fürs Wohnen aus, Besser­
verdiener verdrängen Geringverdiener.
Zunehmend verlagert sich das Problem
auch in den Speckgürtel – die gesamte Re­
gion ist attraktiv. Hinzu kommt die Nähe
Der künftige Stadtteil Dietenbach soll Platz für 15.000 Menschen
bieten und gehört zu den größten Entwicklungsflächen der Bundes-
republik. Die ersten Gebäude werden aber frühestens 2025 fertig.
Fotos: Stadt Freiburg / Projektgruppe Dietenbach, K9 Architekten, Latz + Partner, die-grille
Dietrich | Untertrifaller Architekten ZT GmbH, Bregenz (A), mit Ramboll Studio Dreiseitl Landschaftsarchitekten, Überlingen
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