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FINANZIERUNG, INVESTMENT & ENTWICKLUNG
I
NACHVERDICHTUNG
Ganz dicht?
P
latz ist in der kleinsten Lücke und zur
Not auch mitten auf der Verkehrs
insel. In Freiburg wächst aktuell ein
achtgeschossiges Wohngebäude in die
Höhe – auf einer Fläche, die wohl niemals
jemand bebaut hätte, wenn der Bedarf an
neuemWohnraum nicht so groß wäre. 50
Wohnungen will das kommunale Unter
nehmen Freiburger Stadtbau hier errich
ten, auf der kleinen städtischen Grünflä
che „Rennwegdreieck“, umgeben von drei
Straßen und einer Bahnlinie.
Alles könne schnell über die Bühne
gehen, hieß es zu Beginn der Planungen.
Die Eigentumsverhältnisse seien unpro
blematisch, ein Bebauungsplanverfahren
nicht nötig. Doch das Grundstück stellt
sich wegen seines tortenstückförmigen
Zuschnitts als nicht ganz einfach heraus.
Die vorgesehene zweigeschossige Tief
garage ist aus Platzgründen nicht reali
sierbar. Um die notwendigen Stellplätze
dennoch nachzuweisen, weichen die Pla
ner aus: auf die andere Straßenseite, wo
sich eine ähnlich kleine Baulücke befindet.
Dort wird nun ein Parkhaus für den Neu
zum Hochlohnland Schweiz. Die Folge:
Selbst kleinere Städte im Umland haben
mittlerweile Miet- und Kaufpreisniveaus,
die deutschlandweit in der Spitzengruppe
liegen. Unternehmen finden keine Fach
kräfte mehr, weil diese nicht wissen, wo
sie wohnen sollen.
Wohnungsmangel hat in Freiburg
Tradition. Die Universitätsstadt im Süd
westen Deutschlands mit ihren aktuell
knapp 230.000 Einwohnern ist seit jeher
als Wohnort beliebt. Bereits in den 1990er
Jahren wurden zwei neue Stadtviertel
gebaut, die auf dem engen Wohnungs
markt für Entspannung sorgten. Danach
wähnten sich die Stadtplaner sicher: Als
Anfang der 2000er Jahre der aktuelle Flä
chennutzungsplan aufgestellt wurde, gin
gen die Statistiker davon aus, dass Freiburg
sich schon bald auf Schrumpfungskurs
befinden werde. Deshalb setzte die Rat
hausspitze allein auf Innenentwicklung.
Doch die damals prognostizierte Be
völkerungsentwicklung stellte sich als
falsch heraus. Stadtverwaltung und Ge
meinderat mussten umschwenken, da
bau errichtet. Und weil das der Stadtver
waltung und der Bauherrin als Platzver
schwendung erscheint, sollen weitere vier
Wohnetagen oben draufgesattelt werden.
Das Miet- und Kaufpreis-
niveau Freiburgs liegt
deutschlandweit in der
Spitzengruppe
Das Projekt ist ein Beispiel dafür, wie
händeringend Freiburg nach neuen Bau
gebieten sucht. Denn die Stadt wächst und
wächst und ist in den vergangenen Jah
ren zum Prototyp einer „Schwarmstadt“
geworden. Mieten und Immobilienpreise
gehen durch die Decke, Familien ziehen
ins Umland, der durchschnittliche Ar
beitnehmer gibt einen Großteil seines
Einkommens fürs Wohnen aus, Besser
verdiener verdrängen Geringverdiener.
Zunehmend verlagert sich das Problem
auch in den Speckgürtel – die gesamte Re
gion ist attraktiv. Hinzu kommt die Nähe
Der künftige Stadtteil Dietenbach soll Platz für 15.000 Menschen
bieten und gehört zu den größten Entwicklungsflächen der Bundes-
republik. Die ersten Gebäude werden aber frühestens 2025 fertig.
Fotos: Stadt Freiburg / Projektgruppe Dietenbach, K9 Architekten, Latz + Partner, die-grille
Dietrich | Untertrifaller Architekten ZT GmbH, Bregenz (A), mit Ramboll Studio Dreiseitl Landschaftsarchitekten, Überlingen