Immobilienwirtschaft 4/2019 - page 30

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FINANZIERUNG, INVESTMENT & ENTWICKLUNG
I
BAUSTOFFRECYCLING
Häuser aus Schutt
D
eutschlands Verbrauch an mine-
ralischen Ressourcen liegt zu 85
Prozent im Bausektor. Gleichzeitig
verursacht die Branche 58 Prozent des
gesamten deutschen Abfallaufkommens.
Die Verknappung von Stahl, Erdöl und
Wasser wird durch verschwenderisches
Bauen beschleunigt.
Im Gebäudebetrieb ist die Trendwen-
de beim Energieverbrauch längst erfolgt.
Dagegen wird der enorme Energie- und
Ressourcenverbrauch, der zur Herstellung
der Gebäude und Bauteile notwendig ist,
bisher kaum berücksichtigt. Es kommen
vor allem erdölbasierte Dämmstoffe zum
Einsatz, die mit Putz und Wand zu un-
lösbaren Verbindungen verklebt werden.
Am Ende des Nutzungszyklus müssen sie
dann als Sondermüll entsorgt werden.
Einen Systemfehler im Bauwesen
kritisiert Nils Nolting, Architekt und
Gründungspartner von Cityförster archi­
tecture +urbanism: „Es gibt teilweise ei-
nen Widerspruch zwischen den Zielen
menschengemachtes Rohstofflager mit 28
Milliarden TonnenMaterial bildet. Dieses
könnte nach Nutzungsende wieder dem
Recycling und damit auch dem Bau neuer
Gebäude zugeführt werden.
Verschiedene Arten des
Recyclings werden beim
Bau eines Wohnhauses
in Hannover getestet
Ein flächendeckendes Recycling des
gesamten Immobilienbestandes klingt
zwar noch nach einer Zukunftsvision.
Der Ansatz wird jedoch in zahlreichen
Prototypen und kleinen experimentellen
Häusern bereits getestet. Derzeit entsteht
beispielsweise auf dem Kronsberg in
Hannover ein Recyclinghaus mit Pilot-
charakter, entworfen und umgesetzt von
Cityförster architecture + urbanism. Das
Familienunternehmen Gundlach Bau
der Energieeinsparverordnung (EnEV)
und den Resultaten, die aus ihren Vorga-
ben entstehen. Nach Maßgabe der EnEV
muss die Verbrauchsenergie von Gebäu-
den immer geringer werden. Gleichzeitig
wird das Bauen hierdurch immer mate-
rialintensiver und komplexer. Die EnEV
berücksichtigt den Energieaufwand, der
zur Herstellung der Bauteile erforder-
lich ist – die so genannte Graue Energie
– überhaupt nicht.“ In der Folge werden
Gebäude mit geringem Verbrauch im Be-
trieb realisiert. Deren Energieverbrauch
über den gesamten Lebenszyklus ist aber
mitunter sogar deutlich höher als bei nicht
EnEV-gerechten, aber ressourcensparend
erstellten Gebäuden.
Allerdings zeichnet sich ein Umden-
ken im Bauen ab: Zunehmend wird der
Gebäudebestand als gigantischesMaterial­
lager oder „urbaneMine“ verstanden. Das
Bundesumweltamt ermittelte 2010, dass
der gesamte Gebäudebestand zusammen
mit den Infrastrukturen ein bedeutendes
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