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FINANZIERUNG, INVESTMENT & ENTWICKLUNG
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NACHVERDICHTUNG
burg schon vor Abschluss des offiziellen
Perspektivplanverfahrens präsentiert hat.
Diese seien einfach und schnell zu bebau
en, war die erste Einschätzung, etwa weil
sie sich imstädtischen Eigentumbefinden.
Doch von den fünf Arealen sind nur noch
zwei übrig – und eine Fläche davon wohl
nur noch in verkleinerter Form, weil ein
in der Nachbarschaft angesiedelter Betrieb
eineWohnbebauung ausschließt. Zwei Po
tenzialflächen sind schwierig zu erschlie
ßen und politisch umstritten. Gegen die
Bebauung der fünften hat es massivenWi
derstand in der Bevölkerung gegeben, weil
ein Waldstück abgeholzt werden müsste.
Mehr als 11.000 Unterschriften haben die
Bebauungsgegner gesammelt. Das ist ein
weiteres Problem in Freiburg: Fast überall,
wo gebaut werden soll, gibt es Protest.
Vergleichsweise geräuschlos gehen al
lerdings die Planungen für die Entwick
lungsfläche Kleineschholz im zentral
gelegenen Stadtteil Stühlinger über die
Bühne – obwohl dafür, genausowie für ein
bereits fertiggestelltes neues Quartier in
unmittelbarer Nachbarschaft, insgesamt
mehrere hundert Kleingärten wegfallen.
1.000 Wohnungen sind in Kleineschholz
geplant. Um noch mehr Platz zu schaffen,
soll sogar eine Straße, die mitten durch
das Gelände verläuft, zurückgebaut wer
den. Das wäre in der Stadt ein bislang
einmaliger Vorgang. Eine weitere Be
sonderheit: Freiburgs Oberbürgermeis
ter Martin Horn, der seit Mitte 2018 im
Amt ist, hat angekündigt, das Gebiet
„ohne gewinnbringende Investoren“ re
alisieren zu wollen – und damit die ört
liche Bauwirtschaft brüskiert. Allein auf
Genossenschaften, Baugruppen oder das
kommunale Wohnungsunternehmen zu
setzen, sei illusorisch, regen sich Freiburgs
Projektentwickler und Investoren auf.
In neuen Baugebieten
sind 50 Prozent geför-
derte Mietwohnungen
vorgesehen
Die Frage, wer zu welchen Konditi
onen baut, spielt auch bei anderen Flächen
eine große Rolle. Denn der Freiburger
Gemeinderat hat 2015 einen bundesweit
wohl einmaligen Beschluss gefasst: In
neuen Baugebieten sollen 50 Prozent ge
förderteMietwohnungen entstehen. Auch
das sorgt bei den örtlichen Investoren für
viel Kritik und Unverständnis.
Wenn Flächen knapp sind, geht es
auch darum, bereits bebaute Areale besser
auszunutzen. Die Technische Universität
Darmstadt hat im Februar eine Studie im
Auftrag des Pestel-Instituts präsentiert,
wonach in Deutschland 2,3 bis 2,7 Milli
onen Wohnungen durch das Aufstocken
von niedrigerenWohngebäuden oder von
eingeschossigen Supermärkten entstehen
könnten – auch solche Ansätze gibt es in
Freiburg. Beim Thema Dachausbau wird
aus Südbaden zudem ins benachbarte
Basel geschielt. Dort haben die Jung
sozialisten eineKampagne namens „Basels
Dächer“ ins Leben gerufen. Die Idee: Häu
ser mit vorgefertigten Komplettmodulen
aus Holz aufstocken und dadurch neuen
Wohnraum schaffen, ohne freie Flächen
zu versiegeln. Auch die Stadt Freiburg will
für Dachaufstockungen und -ausbauten
ein spezielles Programm einrichten. Nur:
Die Potenziale seien begrenzt, meint die
Stadtverwaltung, weil niemand private Ei
gentümer zu einem solchen Schritt zwin
gen könne. Und günstigerWohnraum, der
in der Stadt so dringend benötigt wird,
entstehe dadurch ebenfalls nicht.
Ein weiterer Ansatz, der bundesweit
für Aufsehen sorgt, ist ein Kooperations
modell der Stadt Freiburg mit Umland
gemeinden, die strategisch günstig entlang
der Bahnstrecken liegen. Die Idee: Es gibt
Kommunen im Umkreis der Stadt, die
selbst keine großen Baugebiete mehr aus
weisen dürfen, weil sie nicht mehr durch
ihre eigene Bevölkerung wachsen. Diese
Gemeinden sollen Wohnbauflächenkon
tingente aus Freiburg übernehmen, für
die es in der Stadt selbst keine geeigneten
Flächen mehr gibt. Das Pilotprojekt läuft
seit 2016, bislang aber mit bescheidenem
Erfolg. Mit Vörstetten hat bloß eine ein
zige Gemeinde hat ein Gebiet ausgeguckt,
wo das Pilotprojekt umgesetzt werden soll.
Entstehen werden dort gerade einmal 42
Wohnungen.
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Jelka Louisa Beule, Freiburg
Von einer Verkehrsinsel zum Baugrund: Auf dem tortenstückförmigen „Rennwegdreieck“
wird derzeit ein achtstöckiges Wohnhaus errichtet – ein Extrembeispiel für Nachverdichtung.
Die Bebauung des Gebiets Zinklern –
hier ein Entwurf von 2013 – verzögert sich.
Fotos: Bachelard Wagner Architekten; Bürogemeinschaft FRL.Z. Büro Eith Murken Vogelsang mit Henne Korn, Stadtwerke Zürich und BIB Ingenieure