Immobilienwirtschaft 6/2019 - page 37

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6.2019
lin Congress Center am Alexanderplatz
stehen wird, ist die Debatte um Mieten-
deckel, verschärfte Mietpreisbremse und
Co. Ehrlicherweise ließe sich die politische
Diskussionmit einem raschen Blick in die
gängigen Kurzkommentare zum Grund-
gesetz abtun. Ein starrer Deckel oder die
willkürliche – und damit klar marktwirt-
schaftsfeindliche –Obergrenze fürMieten
wäre verfassungswidrig. Und doch haben
in den vergangenen Wochen auf Bundes-
und Landesebene Politiker einen solchen
Deckel gefordert und erste Gesetzentwür-
fe vorgelegt. Es wäre ein Armutszeugnis,
wenn die Bundesregierung denMenschen
in unserem Land diese Maßnahmen als
tatsächlichen Lösungsweg gegen steigende
Wohnkosten vorsetzen würde.
Aber wohlklingende Namen mit
„Bremse“ und „Deckel“ allein machen
bei Weitem noch kein gutes Gesetz. Wir
werden also auch darüber diskutieren, wie
wir denMenschen diese offenkundige Au-
genwischerei klarmachen können – und
dabei meine ich nicht nur dasMantra, dass
Regulierungen die Nachfrage nachWohn-
raum in denMetropolen nicht entspannen
werden, sondern das „große Ganze“.
Denn für den IVD steht fest: Der
starke Drang in die Ballungsgebiete steht
nicht für sich allein, sondern umfasst zu-
gleich Fragen nach Mobilität, modernen
Formen der Arbeit und neuen Vorstel-
lungen des individuellen Lebensalltags der
Menschen.Wer diese Fragen ausklammert
und allein auf die „Wohnungsknappheit“
abstellt, wird weder die Wohnungsfrage
lösen noch den Menschen langfristige
Perspektiven bieten können.
W
ann könnte ein besserer Zeitpunkt
für das größte Branchentreffen der
Immobilienwirtschaft sein als jetzt
– die Europawahl ist überstanden, und im
politischen Berlinwird nicht nur das Kabi-
nett umgebildet, es fliegen zudemdie poli-
tischenGeister vergangener Zeiten umher.
Die einen fordern die Enteignung
größerer Wohnungsunternehmen, die
anderen gar von jeglichem Eigentum ab
der zweiten Wohnung. Die einen wollen
die Mietpreisbremse verschärfen, die
anderen jegliche Mieten gleich deckeln.
Die einen wollen den Eigenbedarf am
Eigentum stutzen, die anderen gleich
ganz abschaffen. Wenn sich in dieser Ge-
mengelage Anfang Juni mehrere tausend
Immobilienentscheider zum Deutschen
Immobilien Tag (DIT) des Immobilien-
verbands Deutschland IVD treffen, dann
ist klar: Sie kommen nach Berlin, weil es
viel zu diskutieren und debattieren gibt.
Was aber sind die wichtigsten Schwer-
punkte des laufenden Jahres und der halb-
zeitigen Regierungskoalition? Immerhin,
das Baukindergeld läuft, der Wohngipfel
im Bundeskanzleramt liegt neun Monate
zurück, die Prüfung von Ausnahme­
tatbeständen von der Grunderwerbsteuer
– etwa beim selbst genutzten Ersterwerb
– ist (mal wieder) in weite Ferne gerückt,
und die Preise legen mancherorts kurze
Verschnaufpausen ein.
Als erster wichtiger Schwerpunkt
wäre das Bestellerprinzip zu nennen.
Zugegeben, etwas ruhiger ist es um die
Vorschläge der SPD geworden, die Mak-
lercourtage komplett auf den Verkäufer
abzuwälzen.
Wohnungsknappheit im
Kontext von Arbeit, All-
tag und Mobilität sehen
Und doch gibt es unter manchen Ge-
werbemaklern die Vorstellung, dass dies
richtig wäre. Warum eigentlich? Meinen
diese Kollegen tatsächlich, sie könnten in
Zukunft nochmit Suchaufträgen arbeiten?
Der Referentenentwurf aus dem Bundes-
ministerium für Justiz und Verbraucher-
schutz (BMJV) ist so gestrickt, dass genau
das für Kaufinteressenten von Wohnim-
mobilien nicht mehr geht, wegen der so
genannten Ausschließlichkeitsregel.
Auch das Baugebot darf nicht uner-
wähnt bleiben. Der gedankliche Konnex
zwischen einem unbebauten Grundstück
und der raffgierigenGrundstücksspekula-
tion mag für manche auf der Hand liegen.
Aber ein Großteil dieser Baugrundstücke
soll der familiären Selbstnutzung die-
nen. Wie wäre es stattdessen mit einem
flächendeckenden Baulückenkataster?
Damit ließe sich viel mehr Bauland iden-
tifizieren, als wenn man mit Nadelstichen
gegen private Eigentümer vorgeht.
Was aber auf jeden Fall imMittelpunkt
der Diskussionen am6. und 7. Juni imBer-
Enteignungen, Mietpreisbremse, Eigenbedarf: In der Wohnungspolitik werden aktuell
viele Themen kontrovers diskutiert. Jede Menge Gesprächsstoff wird es deshalb auch
beim Deutschen Immobilientag des IVD geben, der am 6. Juni in Berlin stattfindet.
Wann, wenn nicht jetzt?
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Jürgen Michael Schick, Berlin
Jürgen Michael
Schick,
Jahrgang 1970,
ist seit 2015
Präsident des
Immobilienver-
bands Deutsch-
land IVD
AUTOR
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