Immobilienwirtschaft 6/2019 - page 43

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6.2019
Wohnungseigentumsrecht
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mers, könne er aus diesem rechtlichen
Gesichtspunkt Beseitigung und Wieder-
herstellung des vorherigen Zustands ver-
langen. Gleichzeitig könnte aber auch die
Gemeinschaft aufgrund der geborenen
Ausübungsbefugnis für Schadensersatz-
ansprüche Ersatz des Substanzschadens
gem. § 823 Abs. 1 BGB verlangen. Des-
halb müsse die Prozessführungsbefugnis
des einzelnen Eigentümers den Beseiti-
gungsanspruch aus dem Miteigentum an
dem Grundstück gem. § 1004 Abs. 1 BGB
insgesamt umfassen. In Ausnahmefällen
könne ein Vergemeinschaftungsbeschluss
aber als nichtig anzusehen sein. Etwa
dann, wenn
ein einzelner Eigentümer seinen Indivi-
dualanspruch bereits gerichtlich geltend
gemacht habe,
FAKTEN:
Eigentümer B lässt eigenmächtig
imBereich seines Sondereigentums Dach-
fenster einbauen. Die Eigentümer geneh-
migen dies. Der Beschluss wird später
rechtskräftig für ungültig erklärt. Danach
klagt Eigentümer K gegen B auf Beseiti-
gung der Fenster und Wiederherstellung.
Jetzt beschließen die Eigentümer, Rück-
bauansprüche der übrigen Eigentümer
gegen B an die Gemeinschaft zu ziehen.
Die Gemeinschaft ist bislang nicht gegen
B vorgegangen. K behauptet, die Verge-
meinschaftungsbeschlüsse seien nur zu
dem Zweck erfolgt, seine Individualpro-
zesse zu vereiteln. Sie seien daher rechts-
missbräuchlich. Der BGH gibt ihmRecht.
ENTSCHEIDUNG:
Bestehe die Prozessfüh-
rungsbefugnis des einzelnen Eigentü-
Urteil des Monats:
Schadensersatz – wer darf klagen, der Einzelne oder die Gemeinschaft?
Schadensersatzansprüche, die auf die Verletzung des gemeinschaftlichen Eigentums gestützt werden, kann ein einzel-
ner Eigentümer einklagen, soweit sie in Anspruchskonkurrenz zu Beseitigungsansprüchen aus dem Miteigentum an dem
Grundstück gemäß § 1004 Abs. 1 BGB stehen. In Ausnahmefällen kann ein Beschluss, mit dem Individualansprüche der
Eigentümer vergemeinschaftet werden, aber rechtsmissbräuchlich sein.
BGH, Urteil v. 26.10.2018, V ZR 328/17
FAKTEN:
K ist Eigentümer eines Eigentums, das dembetreutenWohnen dient. Er schließt
mit B auf unbestimmte Dauer einen formularmäßigen Betreuungsvertrag ab. K kann den
Vertrag während der ersten zwei Jahre nur bei Vorliegen eines wichtigen Grunds – da-
nachmit gesetzlicher Frist – kündigen. Imersten Jahr muss sich K zeitweise vollstationär
pflegen lassen. Er kündigt deshalb den Betreuungsvertragmit sofortigerWirkung. Später
verlangt er erfolgreich die Rückzahlung der weiterhin abgebuchten Beträge. Ein Vertrag,
durch den die Eigentümer zum Abschluss von Betreuungsverträgen mit einer Bindung
vonmehr als zwei Jahren verpflichtet werden sollen, wenn sie dieWohnung selbst nutzen,
und der den Eigentümern bzw. der Gemeinschaft keine angemessenen Spielräume für
eine interessengerechte Ausgestaltung der Verträge einräumt, sei rechtswidrig.
FAZIT:
Wiederholt eine Vereinbarung ganz oder teilweise dasWohnungseigentumsgesetz,
ist auszulegen, ob diese Bestimmung dynamischer Hinweis auf die jeweilige gesetzliche
Regelung ist oder Gegenstand einer selbstständigen Vereinbarung.
GEMEINSCHAFTSORDNUNG IM BE-
TREUTEN WOHNEN
Betreuungsvertrag: Kontrahie-
rungszwang ist unwirksam
Ein in einer Gemeinschaftsordnung
enthaltener Kontrahierungszwang,
durch den die Eigentümer zum
Abschluss eines Betreuungsvertrages
mit einer Bindung von mehr als
zwei Jahren verpflichtet werden
sollen, ist unwirksam.
BGH, Urteil v. 10.01.2019, III ZR 37/18
eine Rechtsverfolgung durch die Ge-
meinschaft nicht beabsichtigt sei und
die Beschlussfassung allein dazu dienen
solle, den laufenden Individualprozess
zu beenden.
FAZIT:
Nach diesem Urteil fällt es noch
schwerer zu ergründen, welche Rechte
aus welchen Gründen zwar allen Eigen-
tümern gemeinsam zustehen, aber nicht
individuell geltend gemacht werden kön-
nen. Vergemeinschaften die Eigentümer
ein Recht, sollte der Verwalter jedenfalls
die Gründe in der Niederschrift fest-
halten, die die Eigentümer dazu bewo-
gen haben. Dieses Vorgehen ermöglicht
es dann später, zu ermitteln, ob eine
Vergemeinschaftung rechtsmissbräuch-
lich war.
Aktuelle Urteile
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