Immobilienwirtschaft 10/2018 - page 78

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VERMARKTUNG & MANAGEMENT
I
MARKETING
Storytelling – die drei Zauberwörter
G
ute Makler verkaufen keine Immo-
bilien – sie lassen (ver-)kaufen. Wie?
Sie werfen langweilige Fakten über
Bord und lassen Wohnung, Haus oder
Ladenlokal sprechen. „Urlaubsfeeling
im großen Naturgarten“ oder „Weih-
nachten im charmanten Wohnzimmer“
sind sexy. „Quadratische Terrasse“ oder
„30-Quadratmeter-Raum mit Holzdie-
len“ nicht. Die Macht der inneren Bilder
bringt Emotionen zum Jubeln. Und Kun-
den zum Kaufen. Aber ein Gespräch setzt
mindestens zwei Seiten voraus. Daher
meinTipp: Bringen Sie IhrenKunden zum
(Mit-)Sprechen –mit drei Zauberwörtern.
Beispiel gefällig für die Kraft der Zau-
berworte? EinVater hat zwei Söhne. Beide
um die 20. Wie so oft: Die Jungs streiten
sich, wer am Nachmittag mit dem Cabrio
der Eltern fahren kann. Der Vater ist ge-
fordert: Wer darf heute – bei bestemWet-
ter – das Auto benutzen? Wie würden Sie
entscheiden? Heute der eine, morgen der
andere? Mit dieser Antwort gehören Sie
zwar zur Mehrheit, aber Sie wollen ja da-
rüber hinaus.
Der Vater hat’s drauf – ein Ver-
kaufsprofi eben. Und fragt nach: „Warum
möchtet ihr heute das Cabrio fahren?“ Der
Ältere gibt zu: „Ich wollte bei einer Freun-
din vorbei.“ Der Jüngere: „Um vier habe
können Ihre Kinder nahe an Wald und
Wiese aufwachsen …“ Aber Vorsicht:
Nicht gleich Ihr bestes Pferd im Stall vor-
führen. Neben der fesselnden Geschichte
muss auch das Timing stimmen!
Optimales Timing bekommen Sie
mit meinem zweiten Zauberwort: Wenn!
Folgendes Szenario: Sie betreuen einen
schönenAltbau amRande der Innenstadt.
Aus der Gründerzeit, frisch renoviert, ge-
genüber einer alten Fabrik. Das Beste: Sie
haben ber Beziehungen erfahren, dass das
Industriegelände vor dem Aus steht. Es
wird entkernt. Ein Park soll hier bis näch-
sten Sommer entstehen. Mit kleinem See,
Außengastronomie. Jede Menge Grün.
Und einer Kleingartenanlage. Perfekt!
Sie haben viele Interessenten für einen
solch topsanierten Altbau an der Hand.
Ein junges Paar will sich das Objekt an-
sehen. Die Finanzierung steht. Schließ-
lich kommt es bei der Besichtigung zum
Showdown. Sie sagt: „Die Wohnung wür-
den wir am liebsten gleich nehmen. Aber
das Umfeldmit den altenGewerbeflächen
ist ja scheußlich!“ ÜbereifrigeMakler pre-
schen jetzt vor. Wollen die frohe Botschaft
verkünden: „Das bleibt so nicht. Nächsten
Sommer wird hier alles grün sein.“ Doch
halt: Was sagte ich eben über das beste
Pferd?
Statt dem ersten Impuls nachzugeben,
halten Sie kurz inne. Zuerst ist Zauberwort
Nummer eins gefragt. Fragen Sie, warum
genau die Industriegebäude stören. „Wir
denken über Kinder nach und haben uns
mehr Platz in der Umgebung vorgestellt.
Das wäre uns sehr wichtig.“ Durch die
Warum-Frage verleiht das Paar seiner Ab-
sicht Nachdruck. Sie haben sechs Richtige
gezogen und können nunmit demzweiten
Zauberwort auftrumpfen.
Mit der Wenn-Frage entlocken Sie
Ihren Kunden die letzten Reserven.
„Liebe Frau Becker, wenn das Industrie-
gebiet bald abgerissen würde, was hieße
das für Sie?“ Frau Becker wird begeistert
ich Fußballtraining.“ Das Zauberwort
„Warum“ hat die Kids zum Sprechen ge-
bracht. Und bringt den Vater auf die beste
Lösung: Der Ältere bringt den Jüngeren
zum Training und hat danach das Auto
für sich. Erst durch dasWarumkonnte das
Problemoptimal gelöst werden. Die Jungs
sind glücklich, der Vater auch.
Sie sehen: Die Warum-Frage hat eine
besondere Magie. Auch im Verkaufs­
gespräch. Sie lässt Ihre Kunden zu Ihnen
sprechen! Sie erfahren ihre Absichten. Mit
diesem Wissen können Sie dann optimal
in den Storytelling-Modus schalten. Und
einen roten Faden für eine passgenaue Ge-
schichte finden.
Um den Nerv zu treffen,
müssen Sie die Motive
der Kunden kennen
Dass Sie keine Gebäude oder Ener-
giebilanzen verkaufen, ist klar. Nein, Sie
verkaufen ein Lebensmodell, eine emoti-
onale Welt. Träume und Hoffnungen. Ge-
schichten. Mal ehrlich: Wie oft denken Sie
daran? Nach den Motiven zu fragen? Da-
bei ist es so einfach wie effektiv! Also: Für
wirksames Storytelling, zufriedene Kun-
den und mehr Abschlüsse, vergessen Sie
nie das erste Zauberwort – Warum! Ma-
chen Sie sich meinetwegen einen Knoten
ins Taschentuch: Äußert Ihr Kunde einen
Wunsch – bohren Sie nach.
Nur wenn Sie die Motive kennen,
können Sie beim „Geschichtenerzählen“
auf den Kunden wirklich eingehen. Eine
Familie mit Kind oder zwei Hunden sucht
etwas anderes als ein Unternehmen, das
gerade expandiert. Komfort, Umfeld oder
Sicherheit sind mögliche Argumente. Auf
alle müssen Sie vorbereitet sein. Die El-
tern legen großen Wert auf Natur? Motiv
erkannt, Storytelling adaptiert. Stellen Sie
das Objekt nun entsprechend vor. „Hier
Roger Rankel
ist Marketingexperte
und Bestseller
autor.
Jährlich hält er nach
eigenen Angaben
150 Vorträge.
Mehr unter
AUTOR
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