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0.2018
welcome. 2007 erwarb eine irische Investorengruppe die Insol-
venzforderungen samt Grundschulden, tat auch wieder nichts
und verkaufte 2015 mit sattem (sehr sattem) Gewinn an Trock-
land. Die wollen nun wirklich dort bauen und haben damit den
Senat fast 30 Jahre nach dem Mauerfall völlig überrascht.
Das ist nur durch einenMangel an geschichtlicher Verantwor-
tung für diesen Ort oder allgemeine Überforderung zu erklären.
Dabei erkennen gerade ausländische Besucher hier die Wunde
einer Stadt, in der sich die Panzer feindlicher Imperien gegen-
überstanden, in einer politischen Eiszeit, die Menschen auf der
ganzen Welt noch heute erschaudern lässt.
Stand der Verhandlungen heute: Im Keller soll für etwa eine
Million Euro Miete im Jahr ein Museum des Kalten Krieges ent-
stehen, darüber ein Hotel sowie eine Mischung aus Geschäften,
Büros, Wohnungen – davon 30 Prozent Sozialwohnungen. Also
für alle etwas. Geht so Stadtplanung? Mit Beruhigungspillen für
alle? Lavierendes Krisenmanagement zwischen den Fronten ohne
eigene Ideen? Wer kann sich da beschweren? Doch kaum liegt
das Konzept auf dem Tisch, regt sich Protest. Weniger amMuse-
umsprojekt, das kommt später. Es ist die Bebauung der Brachen
durch den Investor, die jetzt Widerstand weckt. Die Interessen
der Öffentlichkeit werden Renditen geopfert, so der Vorwurf der
Kritiker. An der Öffentlichkeit vorbei soll das Land Berlin bereits
einen „Letter of Intent“ mit dem Investor unterzeichnet haben.
Vor drei Monaten lobte das Land noch schnell einen städte-
baulichen Wettbewerb aus, der die Grundlage für einen Archi-
tektur-Wettbewerb bilden soll. Sieben Architekturbüros wurden
eingeladen, Entwürfe für die Bebauung der Brachen zu machen.
Eine völlige Überraschung ist dabei die kürzlich erteilte Auf-
lage des Denkmalschutzes, die noch vorhandenen Brandwän-
de der Nachbargebäude als markante Zeichen des historischen
Ortes nicht zu bebauen. Ein einzigartiges Vorgehen. Dadurch ist
eine kompakte, halbwegs niedrige Blockrandbebauung, wie sie
im Planwerk Innere Stadt und in der Erhaltungssatzung Fried-
richstadt seit Jahrzehnten gefordert wurde, nicht mehr möglich.
Das könnte ein faszinierender Ausgangspunkt für bedeutende
Entwürfe sein, wenn die darauf geplanten Bauvolumen entspre-
chend reduziert würden. Das geschieht aber nicht. Umdie bereits
zugesicherte Baumasse zu erreichen und um Schadenersatzzah-
lungen zu vermeiden. Nun kann sich die Senatsverwaltung auch
zwei 60Meter hohe Türme vorstellen. Auch ohne Hochhausrah-
menplan. Das ist mal eine pragmatische Lösung: Brandwände für
Höhe. Aber souveräne, vorausschauende Lenker des Verfahrens
würden andere Entscheidungen treffen.
Zu beurteilen, welcher Entwurf letztendlich diese Fragen am
besten beantwortet, ist Sache einer noch zu benennenden Jury
– und der Bürgerinnen und Bürger, die aufgefordert waren, ihre
Meinung einzubringen. Die konnten die Entwürfe ganze drei Tage
in Augenschein nehmen – mitten in den Sommerferien. So wird
die als „ergebnisoffener Dialog“ gepriesene Bürgerbeteiligung
zum reinen Partizitainment. In so einem Wirrwarr aus Partiku-
larinteressen, Wünschen und Zwängen arbeiten Architekten und
Stadtplaner häufig. Aber können sie all diesen Anforderungen
und diesem Ort damit überhaupt gerecht werden?
Ein 60-Meter-Turm wirft große Abstandsflächen, die kaum
auf den vorhandenen Grundstücken abgetragen werden können.
Kann damit überhaupt das Baurecht eingehalten werden? Ist dies
wirklich ein besonders geeigneter Ort für Sozialwohnungen,
also lauter Balkonen in Kieskratzputz? Sind die Brandwände der
Nachbarhäuser wirklich so bestimmend für diesenOrt? Droht da
nicht eine derartige Vorfestlegung das Gesamtensemble kaputt zu
machen? Ist die Bedeutung dieses Erinnerungsortes für die Welt
nicht deutlich vorrangig zu bewerten? Überstrahlt diese Funktion
nicht die anderen Nutzungen und Anforderungen?
Das Ringen mit den Umständen sowie unkoordiniertes und
ausschließlich reagierendes Verhalten drohen hier einen ma-
gischen Ort zu ruinieren. Auch Thomas Morus ist geköpft wor-
den. Checkpoint Charlie und Morus zeigen, wie gut wir daran
täten, das Wie und Wer und Was der heutigen Stadtproduktion
und -gesellschaft zu hinterfragen. Und, wie Thomas Morus für
seine Zeit, auch für uns heute Vorstellungen und Strategien für
eine bessere Stadtgesellschaft zu entwickeln.
Bebauung des Checkpoint Charlie: Das Ringen mit den Umständen sowie
ein rein reagierendes Verhalten drohen einen magischen Ort zu ruinieren.
Wir müssen Strategien für eine bessere Stadtgesellschaft entwickeln.
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ZUR PERSON
Eike Becker
leitet seit Dezember 1999 zusammen mit Helge Schmidt das Büro Eike Becker_Architekten in Berlin.
Internationale Projekte und Preise bestätigen seitdem den Rang unter den erfolgreichen Architekturbüros in Europa. Eike Becker_Architekten arbeiten
an den Schnittstellen von Architektur und Stadtplanung mit innovativen Materialien und sozialer Verantwortung.