Immobilienwirtschaft 10/2018 - page 59

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Der Boom in der Bauwirtschaft hat viele positive Effekte. Für öffentliche Auftraggeber stellt
er jedoch eine besondere Herausforderung dar. Nicht selten müssen Vergabeverfahren auf-
gehoben werden, weil keine Angebote eingehen oder diese preislich nicht annehmbar sind.
bietet, als den Bau durch den bestimm-
ten Grundstückseigentümer errichten zu
lassen. Natürlich muss bei einem Ankauf
oder einer Anmietung durch den öffentli-
chenAuftraggeber klar dieWirtschaftlich-
keit des Vorhabens nachgewiesen werden.
Es zeigt sich, dass auch im aktuellen
vergaberechtlichen Rahmen Mechanis-
men existieren, welche die Kooperation
zwischen Auftraggeber und Auftragneh-
mer stärken und zu einer langfristigen
Zusammenarbeit motivieren. Dies funk-
tioniert dann, wenn der Rechtsrahmen
klar beachtet, die Risikoverteilung aus-
gewogen, Transparenz und angemessene
Steuerungsmechanismen für den öffentli-
chen Auftraggeber vorhanden sind, damit
dieser seine öffentlich-rechtlichen Ver-
pflichtungen erfüllen kann. Die Erfahrung
zeigt, dass diese von Unternehmen auch
akzeptiert werden, wenn sie mit klaren
Aussagen zur Vorgehensweise verknüpft
werden und eine projektangemessene
Strukturierung des Vorhabens erfolgt.
den kommunalen Mietwohnungsbau ge-
nutzt werden kann. Flächenüberbauung
oder Aufstockung sind in Ballungszentren
ein Mittel, der Grundstücksknappheit zu
begegnen. Dies liegt in besonderem Inte-
resse des Auftraggebers. PrivateUnterneh-
men haben dabei die Chance, sich an be-
stimmten Standorten weiter zu etablieren.
Vorgaben des Auftrag-
gebers verpflichten zur
Ausschreibung
Selbstverständlich ist der öffentliche
Auftraggeber auch in diesen Konstellati-
onen an den öffentlich-rechtlichenRechts-
rahmen und das Vergaberecht gebunden.
Sofern derWohnraumnach denVorgaben
des Auftraggebers errichtet werden soll,
stellt dies in der Regel eine Beschaffung
dar, die zur Ausschreibung verpflichtet.
Ausnahmen sind dann denkbar, wenn
etwa die bereits vorgefundene Grund-
stückssituation keine andere Möglichkeit
Insbesondere dürfen sich zu Lasten des
öffentlichen Auftraggebers keine Kosten-
steigerungen auswirken, die durch vom
Auftragnehmer verschuldete Bauzeitver-
zögerungen, Ausschreibungsfehler oder
Ähnliches zustande kommen. Weder
der Garantierte Maximalpreis darf sich
bei solchen Kostensteigerungen erhöhen
noch die konkrete Abrechnungssumme.
Letzteres kann durch Mitwirkungsrechte
des öffentlichen Auftraggebers bei der
Vergabe eingegrenzt werden. Das kann
allerdings die Forderung des Auftragneh-
mers nach einer Risikoübernahme durch
den öffentlichen Auftraggeber bewirken.
Ein solches Vorgehen erfordert absolute
Kostentransparenz, am besten in einem
„Open-Book-Verfahren“.
Im Wohnungsbau können Konzepte
zur Bekämpfung der Wohnungsnot ziel-
führend sein, die unter verstärkter Ein-
bindung privater Bauherren erfolgen.
Beispielhaft hierfür steht die Aufstockung
von privat genutzten Grundstücks- und
Gewerbeflächen mit Wohnbebauung, die
dann durch öffentliche Auftraggeber für
Foto: Bastian Kienitz/shutterstock.com
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Dr. Barbara Buhr, München
Es dürfen sich zu Lasten
des öffentlichen Auftrag-
gebers keine Kosten-
steigerungen auswirken,
die durch vom Auftrag-
nehmer verschuldete
Bauzeitverzögerungen,
Ausschreibungsfehler
oder Ähnliches zustande
kommen.
Öffentliche Auftraggeber haben es angesichts des Booms in der Bauwirtschaft derzeit schwer
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