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EXPO REAL
2018
I
BAUPROJEKTE
Handreichungen für den
öffentlich-privaten Baukosmos
A
uch öffentliche Bauprojekte müssen
umgesetzt werden. Die Bekämpfung
der Wohnungsnot sowie Investiti-
onen in Infrastruktur und Bildung sind
für staatliche Bauherren vorrangig zu be-
wältigen. Daher besteht gerade jetzt ein
besonderes Bedürfnis für öffentliche Auf-
traggeber, nach neuen Wegen zu suchen,
um auch in Zeiten starker Baukonjunktur
eine ausreichende Anzahl an Wettbewer-
bern sowie qualitativ hochwertige und
wirtschaftliche Angebote in öffentlichen
Ausschreibungen zu erhalten. Auch wenn
öffentliche Auftraggeber bei der Erfüllung
ihrer Aufgaben den vergaberechtlich vor-
geschriebenen Weg nicht verlassen dür-
fen, so ermöglicht bereits der bestehende
Rechtsrahmen eine flexible Verfahrens-
und Vertragsgestaltung. Dies spiegelt sich
in einer projektangemessenen, partner-
schaftlichen Vorgehensweise wider.
Generalübernehmer-Modelle (GÜ),
bei denen Planung und Bau gesamthaft
vergeben werden, sowie Generalunter-
nehmer-Modelle (GU), die eine schlüs-
selfertige Übergabe des Objekts vorsehen,
können besondere Anreize für Bauunter-
nehmen setzen, als öffentlicher Auftrag-
geber weiterhin ein attraktiver Partner zu
sein. Sofern Planung und Bau oder der
schlüsselfertige Bau aus einer Hand kom-
traggeber als auch den Generalüberneh-
mer an den Einsparungen beteiligt. Die
Einsparungen werden aus der Differenz
zwischenGarantiertemMaximalpreis und
der tatsächlichenAbrechnungssumme für
alle Leistungen ermittelt. Somit besteht für
beide Seiten einAnreiz, denMaximalpreis
zu unterschreiten. Ausschreibungsrisiken
aus den Einzelvergaben werden hierdurch
angemessen verteilt. Indem der GÜ/GU
die Einzelvergaben steuert, ist er in der
Lage, Effizienzen zu heben, weil er zum
Beispiel dabei nicht an das Vergaberecht
gebunden ist und seine Organisation und
Marktkenntnisse nutzen kann. Er profi-
tiert von den jeweiligen Einsparungen.
Dies gilt auch für den öffentlichen Auf-
traggeber, der zugleich – schon aus kom-
munalhaushaltswirtschaftlichenGründen
– Kostensicherheit undWirtschaftlichkeit
des Einkaufs nachweisen muss. Dies wird
durch die Angabe des Garantierten Maxi-
malpreises gewährleistet, der Gegenstand
der preislichen Bewertung imRahmen der
Zuschlagskriterien ist. Damit wird auch
dem Wettbewerbsgrundsatz im Vergabe-
verfahren Genüge getan; die Preise zwi-
schen denAnbietern bleiben vergleichbar.
Ähnlich funktionieren „Cost-plus-
Fee“-Verträge, bei denen eine Abrechnung
auf Selbstkostenbasis erfolgt. Umauchhier
Vergaberechtskonformität herzustellen,
muss in diesem Vertragsmodell beson-
ders darauf geachtet werden, vergleichbare
Angebote einzuholen, umden Effekt einer
wirtschaftlichen Beschaffung zu erzielen.
Cost-plus-Fee-Verträge sollten daher mit
bestimmten Budgets oder Kostenober-
grenzen gekoppelt werden.
Der öffentliche Auftraggeber sollte
zudem darauf achten, fixe GU-/GÜ-Zu-
schläge zu vereinbaren und Szenarien zur
Risikoverteilung zu regeln, die imVerhält-
nis GU/GÜundNachunternehmer entste-
hen und auf das Verhältnis zwischen dem
öffentlichen Auftraggeber und seinem
Auftragnehmer durchschlagen können.
men, kann der Unternehmer seine Spiel-
räume nutzen. Er hat die Planungshoheit
über die Baustelle in zeitlicher, logistischer
und kapazitätsmäßiger Hinsicht. Dies er-
möglicht ihm schließlich einen flexiblen
Ressourceneinsatz, der unternehmerische
Entscheidungen erleichtert.
Bauunternehmen zeigen
aktuell weniger Bereit-
schaft, Pauschalfest-
preise zu akzeptieren
Für den öffentlichen Auftraggeber
besteht der Vorteil, Risiken auf der Leis
tungsseite umfassender übertragen zu
können. GÜ- und GU-Modelle gehen in
der Regel mit einer funktionalen Leis
tungsbeschreibung einher. Diese ermög-
licht es dem öffentlichen Auftraggeber, zu
einem Pauschalfestpreis sämtliche Leis-
tungen zu fordern, die notwendig sind, um
das Vorhaben abnahmefähig zu erstellen.
Auf unvollständige Vergabeunterlagen,
Planungen und Leistungsbeschreibungen
kann sich der Unternehmer nicht beru-
fen. Dies grenzt das Nachtragsrisiko zu
Gunsten des öffentlichen Auftraggebers
erheblich ein.
Allerdings ist zu konstatieren, dass
auch Bauunternehmen, die im Markt als
GÜ/GU aktiv sind, in der aktuellen Situ-
ation weniger Bereitschaft zeigen, Pau-
schalfestpreise zu akzeptieren, da sie selbst
wiederum einem schwer kalkulierbaren
Ausschreibungsrisiko bei der Ausschrei-
bung der Nachunternehmerleistungen
entgegensehen. Demkannwiederumetwa
mit Vereinbarungen über einen Garan-
tierten Maximalpreis Rechnung getragen
werden. Diese zeichnen sich durch eine
garantierte preisliche Obergrenze sowie
einen Verteilungsschlüssel aus, der bei
Unterschreitung des Garantierten Maxi-
malpreises sowohl den öffentlichen Auf-
Dr. Barbara Buhr,
Rechtsanwältin,
Öffentlicher Sektor,
Beratung öffent-
licher Bau- und
Immobilienprojekte,
KPMG Law Rechts-
anwaltsgesellschaft
mbH, München
AUTORIN