Immobilienwirtschaft 10/2018 - page 57

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BF.direkt. Der Grund: Nach dem Klein-
anlegerschutzgesetz können nur Nach-
rangdarlehen bis zu einem Volumen von
2,5 Millionen Euro ohne hohen Aufwand
über die Plattformen eingesammelt wer-
den. Wollen Developer größere Beträge
aufnehmen, unterliegen sie derselben auf-
wändigen Prospektpflicht wie Initiatoren
Geschlossener Fonds.
Dennoch scheint sich das Crowd-
funding auf den ersten Blick zu einer
Erfolgsgeschichte auszuwachsen. Gegen-
über 2016 hätten die Schwarmfinanzie-
rungsplattformen in Deutschland das im
vergangenen Jahr generierte Volumen an
Immobilienfinanzierungen um stattliche
221,2 Prozent steigern können, berichtet
der Brancheninformationsdienst Crowd-
funding.de. Ein zweiter Blick zeigt jedoch,
dass der dadurch generierte Fremdkapital-
betrag für Betongoldvorhaben angesichts
des gesamten Immobilienfinanzierungs-
geschäfts nicht einmal von marginaler
Bedeutung ist. Die von den Plattformen
in 2017 eingesammelten 130,28Millionen
Euro entsprechen gerade einmal 0,3 Pro-
zent der 42,2 Milliarden Euro, die allein
die 14 größten immobilienfinanzierenden
Banken im Land im selben Jahr nur für
Investments in gewerbliche Liegenschaf-
ten ausgereicht haben. Und gemessen
an dem von der Bundesbank ermittelten
Gesamtbestand an gewerblichen und
Wohn
immobilienkrediten von 1.387 Mil-
liarden Euro bewegt sich die Bedeutung
des Crowdfundings für die Immobilien-
wirtschaft nur im Promillebereich.
Endet der gegenwärtige
Hype um das Crowd­
funding so wie frühere
Begeisterung für die
kollektive Bereitstellung
von Fremdkapital?
„Angesichts dieser Zahlen erscheint es
ein wenig übertrieben, im Crowdfunding
eine Existenzgefahr für die klassischen
Immobilienfinanzierer aus den Banken-
und Versicherungsbranchen auszuma-
chen“, sagt Günter Vornholz, Professor
für Immobilienfinanzierung an der EBZ
Business School in Bochum. „Der Ge-
schäftsanteil der Schwarmfinanzierungs-
plattformen an der Immobilienfinanzie-
rung ist viel zu gering, um auch nur als
potenzielle Bedrohung für die Institute zu
erscheinen.“
Möglicherweise könnte der gegen-
wärtige Hype um das Crowdfunding
so enden wie frühere euphorische Be-
geisterungswellen für die kollektive
Bereitstellung von Fremdkapital. Denn
tatsächlich ist die Schwarmfinanzierung
keine moderne Erfindung. Vielmehr
wurde seit dem 18. Jahrhundert immer
wieder mal die breite Öffentlichkeit als
Kapitalgeber angezapft. Das bekanntes-
te Beispiel stammt aus New York: 1885
wurden dort 100.000 US-Dollar für den
Bau des Sockels der Freiheitsstatue durch
eine von Joseph Pulitzer, Herausgeber der
Tageszeitung „New York World“, initiier-
te Kampagne aufgebracht: 160.000 Ein-
wohner des Big Apples beteiligten sich
mit ihrem Geld.
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Richard Haimann, Neu-Wulmstorf
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